Corona-Talk mit Annika: "Wir konnten Wege gehen, die wir unter normalen Umständen vermutlich so nicht eingeschlagen hätten"

Autor None

Erstellt am 6. August 2020 09:43


Annika redet in ihrem Job bei Quartiermeister am liebsten über Positives, denn sie ist für die Good News zuständig. Gut war erstmal relativ wenig als sich Corona immer weiter ausbreitete. Welche Optionen sich für Quartiermeister dennoch aufgetan haben und wie es Annika in den letzten Wochen und Monaten ging, lest ihr hier.

 

Wie hast du über Corona gedacht als du zum ersten Mal in den Medien davon gehört hast?

Ehrlich gesagt habe ich Corona eine ganze Zeit lang überhaupt nicht ernst genommen. Ich erinnere mich, dass Corona anfangs von allen Seiten mit einer normalen Grippe verglichen wurde und lies mich dahingehend schnell überzeugen und war derselben Meinung. Eine lange Zeit habe ich mich persönlich überhaupt nicht betroffen gefühlt. Ich hatte keine Ahnung, welche Ausmaße das alles annehmen würde. Bis zu dem Zeitpunkt, als wir in unseren Meisterrunden angefangen haben, ernsthaft über Corona zu sprechen und es auch bei uns im Team zu Ängsten kam. Als wir dann – das war an einem Freitag Mitte März – in einem spontanen Krisen-Call beschlossen haben, dass wir alle zu Hause bleiben sollen, hat sich das Blatt ordentlich gewendet. Das war der Freitag vor dem Lockdown. Nach diesem Wochenende war alles anders.

 

Wie war denn die Stimmung während dieses Calls?

Ich erinnere mich, dass bei mir die Stimmung da ziemlich gekippt ist. Ich war total bedrückt und dachte mir, dass es tatsächlich sein kann, dass sich unser aller Leben nun gewaltig ändern wird und dass Corona für viele Menschen in einer richtigen Katastrophe enden kann. Niemand wusste, was passieren wird, das fand ich schon beängstigend. Ich glaube, so ging es den meisten. Normalerweise ist die Stimmung bei uns eher fröhlich-ausgelassen. An dem Tag waren wir alle super ernst. Das hat sich total surreal angefühlt. Ich glaube, dieser Skype-Call war eine der ernstesten Situationen, die ich bislang bei Quartiermeister erlebt habe.

 

David und Peter haben dann relativ zügig die Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen angekündigt. Wie gings dir mit dieser Entscheidung?

Nicht gut. Wir hatten so viele Pläne für dieses Jahr und echt viel vor. Allein für unser 10jähriges Jubiläum, das offiziell dieses Jahr stattgefunden hätte, musste noch so viel erledigt werden. Der erste Gedanke war also: Wie soll ich denn das alles machen, wenn ich nur noch 10% meiner Arbeitszeit habe? Erst dann habe ich realisiert, dass ein Großteil meiner Arbeit sowieso hinfällig sein wird. Einfach, weil nichts mehr so war, wie es war.

Kurzarbeit bedeutet natürlich auch weniger Gehalt. Dass bei uns niemand säckeweise die Kohle nach Hause schafft, ist ja klar. Da habe ich teilweise schon finanzielle Ängste entwickelt. Aber ehrlich gesagt war ich für jede Möglichkeit offen, die bedeutet hat, dass Quartiermeister überlebt und niemand seinen Job verlieren wird. Ich habe zu der Zeit viel mit David gesprochen und ich hatte immer das Gefühl, dass David und Peter ehrlich zum Team waren und uns nichts beschönigt oder dramatisiert haben. Die Situation war echt ernst. Und irgendwie sitzen wir ja alle im gleichen Boot. Wir haben also gemeinsam alles versucht, dieses Boot vorm Sinken zu retten. Da war es auch vollkommen ok, in der Runde sein Ängste zu thematisieren. Wir sind sehr offen damit umgegangen und haben uns gegenseitig supported. Das hat mir echt geholfen, mit der ganzen Sache besser klarzukommen.

 

Welche Auswirkungen hatte Corona auf deinen Arbeitsbereich Marketing & PR?

Einige! Im Prinzip konnte ich überall die Stopp-Taste drücken. Events fanden nicht mehr statt, Vorträge wurden abgesagt, unser eigenes Jubiläum, woran ich viel gearbeitet habe, drohte ins Wasser zu fallen und für happy Social Media Postings oder Pressemitteilungen war es auch nicht die richtige Zeit. Es hat sich irgendwie alles unangemessen angefühlt in Anbetracht der Tatsache, was gerade in der Welt passiert. Ich habe also erstmal gar nichts gemacht und in die Röhre geguckt. Ich habe dann versucht, mir die übrige Zeit mit strukturellen Dingen zu vertreiben, was aber ja auch erstmal niemandem was nützt. Das war gar nicht leicht, damit klarzukommen, dass man nichts machen kann.

Um den 20. März herum haben wir mit OSTMOST, Solidrinks und Querfeld den Stay Home Club gegründet. Das war tatsächlich ein Segen, weil ich endlich etwas Sinnvolles tun konnte. Ich habe dann in meiner verbleibenden Arbeitszeit ausschließlich an dem Projekt gearbeitet.

 

Hat Corona für Quartiermeister auch Marketing-Optionen oder -Potenzial geboten?

Ja, auf jeden Fall. Mit dem Stay Home Club haben wir etwas auf die Beine gestellt, was ansonsten so nicht passiert wäre. Die Idee ist ja aus der Krise geboren, weil wir – die Gründungsmitglieder – uns alle durch den Gastro-Lockdown hart in der Existenz bedroht gesehen haben. Nach dem Motto „Wenn du nicht zu uns kommen kannst, kommen wir zu dir“ haben wir mit dem Stay Home Club den direkten Kontakt zum*r Endverbraucher*in aufgebaut, den wir so im normalen Geschäft ja kaum haben. Das hat auch echt viel Spaß gemacht, daran zu arbeiten. Passiert ja auch nicht so häufig, dass man auf einmal mit Menschen aus anderen Unternehmen so eng zusammenarbeitet. Ich habe dann auf einmal mehr Zeit mit Lukas von OSTMOST und Roberta von Solidrinks verbracht als mit den anderen Quartiermeister*innen, weil wir zu dritt die Marketing-Taskforce für den Stay Home Club gebildet haben. Wir haben uns die Arbeit aufgeteilt, weil wir insgesamt ja viel weniger Zeit zur Verfügung hatten. Die Arbeit am Stay Home Club war auf jeden Fall cool und spannend. Niemand von uns hatte Ahnung von E-Commerce, aber es hat trotzdem ganz gut geklappt.

Wir haben außerdem mehr Bestellungen in unserem eigenen Online-Shop rein bekommen. Das war aber eher ein Selbstläufer. Ich denke, dass viele Menschen einfach versucht haben, Quartiermeister in der aktuellen Lage zu unterstützen – und wenn es nur bedeutet hat, ein Bierpaket im Shop zu bestellen. Teilweise haben Besteller*innen wirklich sehr liebe Nachrichten im Bemerkungsfeld hinterlassen. Es wurde uns viel Kraft und Durchhaltevermögen gewünscht. Das war wirklich sehr rührend. Wir konnten insgesamt also Wege gehen, die wir unter normalen Umständen vermutlich so nicht eingeschlagen hätten.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise ziehen?

Naja, zum einen habe ich festgestellt, dass ich nicht auf Dauer 40 Stunden arbeiten möchte. Nee, aber mal im Ernst: Der Lockdown hatte irgendwie etwas Entschleunigendes. Auf einmal stand einem so viel Zeit zur Verfügung, in der man durchaus grundliegende Dinge durchdenken und reflektieren konnte – persönlich wie beruflich. Gleichzeitig habe ich verstanden, dass man Signale ernst nehmen muss. Rückblickend finde ich es erschreckend, dass ich Corona so lange auf die leichte Schulter genommen habe. Das ist ähnlich wie mit Vorsorgeuntersuchungen. Die sollte man auch in Anspruch nehmen, seinen Körper achtsam betrachten und vielleicht doch einmal mehr zum Checkup gehen. Einfach, um Schlimmeres frühzeitig zu vermeiden. Ähnlich sehe ich das mit Corona und ich denke, dass wir als Gesellschaft in Zukunft sensibler auf solche Geschehnisse reagieren sollten. Ansonsten kann ich relativ wenig Positives aus der Krise ziehen. Unzählige Menschen sind gestorben, Viele sind durch die Isolation vereinsamt und noch mehr sind nahe am wirtschaftlichen Ruin. Und Corona ist noch längst nicht vorbei. Fast überall steigen die Fallzahlen rasant an. Das ist schon beängstigend.

 

Und für Quartiermeister?

Mal abgesehen davon, dass wir richtig hart einbüßen mussten? Ja, da gibt’s schon das ein oder andere. Ich finde, dass wir die gesamten letzten Monate innerhalb des Teams mega gut zusammengehalten haben. Auch mit dem Verein. Da kam auch viel Support. Als Unternehmen haben wir gesehen, dass wir super schnell und flexibel reagieren können und dass wir den Mut aufbringen, auch neue Wege einzuschlagen und andere Dinge auszuprobieren.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Anders machen würde ich wahrscheinlich nicht viel. Ich glaube, ich würde einfach gelassener mit der Situation umgehen. Einfach, weil sie nicht mehr so neu wäre. Ich hoffe sehr, sehr, sehr, dass es nicht zu einem zweiten Lockdown kommt und dass sich die Leute an die Empfehlungen halten. Immerhin haben wir die Ausbreitung ein stückweit selbst in der Hand. Wenn ich dann diese ganzen Vorfälle lesen, dass sich Menschen in Kneipen und Restaurants infizieren und die Hälfte aller Menschen falsche Kontaktdaten angeben und Infektionsketten somit nicht nachvollzogen werden können, dann fällt mir dazu echt nichts ein. Ich kann nur hoffen, dass diese Menschen irgendwann mal ihr Gehirn einschalten und verstehen, dass es nicht nur um sie geht.


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