Corona-Talk mit Marko: „Ich bin nach wie vor mit meiner Arbeit weit entfernt von dem, was ich kann und was ich machen möchte“

Autor annika.bruemmer

Erstellt am 13. August 2020 08:06


Marko ist unsere Vertriebsrakete in der Berliner Gastronomie. Durch den Lockdown standen die Uhren auf unbestimmte Zeit still. Dennoch hat Marko den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Wie es ihm in den letzten Monaten ergangen ist, erfahrt ihr im Interview.

Wie hast du dich gefühlt als du zum ersten Mal von Corona gehört hast?

Ich möchte es jetzt nicht so darstellen, als hätte ich das Ganze ignoriert. Zum Teil aber schon, weil es zum einen für mich ein komplett neues Thema war. Zum anderen bin ich nicht der Typ, der sofort durchdreht oder überreagiert. Für mich gilt: Erst mal schauen und beobachten. Deshalb war ich da eher entspannt.

 

Kannst du dich erinnern, ab wann du Corona als ernstes Thema betrachtet hast?

Ernst wurde es, als es bei uns im Unternehmen und auch in Kundengesprächen mehr thematisiert wurde. Ab dem Zeitpunkt wurde das Thema auch wichtiger für mich und dann habe ich mich selbst auch mit Corona befasst.

 

Als Gastro-Vertriebler bist du ausschließlich in Bars, Kneipen, Restaurants und für Festivals unterwegs. Wie ging es dir als klar war, dass die gesamte Gastro nun erst mal schließen wird und alle Veranstaltungen abgesagt wurden?

Ich habe mich gefragt, was das alles zu bedeuten hat, ob das wirklich sein kann. Passiert das jetzt wirklich? Ich habe anfangs ja nur über Corona gelesen. Auf einmal habe ich miterlebt, was für Ausmaße das annehmen kann. Das Ganze irritierte mich schon ein wenig. Aber wie geht man mit solchen Dingen um? Das war ja komplett neu. Ich nehme mir immer zunächst Zeit, um dann entsprechend zu reagieren.

 

Aber du warst mit deiner Arbeit ja unmittelbar vom Lockdown betroffen.

Ja, stimmt.

 

Aber dennoch bist du ruhig geblieben und wolltest erst mal die Lage beobachten?

Ja, beobachten und dann richtig handeln. Vielleicht bin ich zu lösungsorientiert. Ich gehe einfach davon aus, dass ich das in meiner Position bei Quartiermeister hinbekomme bzw. wir als Unternehmen. Wir haben unsere Maßnahmen bestimmt. Ich habe von Anfang an versucht, das alles nicht so sehr an mich heranzulassen, sondern mich davor zu schützen und auch andere nicht mit reinzuziehen. Gucken und dann richtig drauf zu reagieren.

 

Wie hat sich deine Arbeit verändert? Konntest du in Corona-Höchstzeiten überhaupt noch arbeiten?

Für mich galt herauszufinden, was wir bei Quartiermeister tun können und da haben wir alle schnell reagiert. Wir sind alle in Kurzarbeit gegangen. Dadurch konnte ich ja automatisch weniger tun. Wir wussten ja auch nicht, wie lange der Lockdown dauern würde. Ich habe in der Zeit viel nachgedacht: über meine Kolleg*innen und Kund*innen. Es gibt Menschen, mit denen man schon so lange zusammenarbeitet. Mit diesen Leuten habe ich Gespräche gesucht. Besuche waren ja leider nicht möglich. Das Verkaufsthema habe ich dabei nie in den Vordergrund gestellt. Das war total uninteressant. Es ging mehr um das Persönliche: Wie geht’s den Menschen auf der anderen Seite, unseren Partnern?

Ich konnte mich auf einmal um mich kümmern, ich konnte meine Arbeitsstruktur überdenken. Das Thema Coaching ist nach vorne gerutscht, dafür hatte ich Zeit. Und der Austausch zwischen uns Kolleg*innen war auch immer da. 

 

Hattest du jemals Angst um deinen Job?

Das ist eine gute Frage. Ich bin prinzipiell kein ängstlicher Typ. Es muss schon richtig bedrohlich sein, damit ich Angst habe. Da muss es schon fast keinen Ausweg mehr geben. Kurzzeitig war dieses Gefühl da. Wir haben im Team offen über alles gesprochen. Auch über die finanzielle Situation und über das Loch, das entsteht und natürlich darüber, wo wir Geld herbekommen. Das hat mich schon bedenklich gestimmt und mich auch kurzzeitig in eine andere Stimmung versetzt. Konkrete Angst hatte ich aber nie. Ich bin davon ausgegangen, dass wir alle Ausgaben soweit reduzieren, wie wir müssen und uns entsprechend der Lage anpassen. Ich habe versucht, optimistisch zu bleiben und an den Zeitpunkt zu denken, wenn es wieder losgehen kann und dass wir wieder dahin kommen werden, wo wir vorher waren. Dann werde ich gebraucht werden. Ich habe nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich Angst haben muss. Ich war mir immer sicher, dass es weitergehen wird – wie auch immer es laufen wird.

 

Wie haben Kund*innen reagiert, wenn du dich bei ihnen gemeldet hast?

Die haben sich gefreut. Dadurch gab es weiterhin eine Verbindung. Da die Gespräche ganz anders liefen – sehr persönlich – waren das immer gute und lange Gespräche. Ich denke, es war wichtig, dass wir immer die Verbindung gehalten haben, auch wenn es schwer war. Ich konnte natürlich nicht immer alle Leute erreichen. Gewohnte Rückrufe gab es auch nicht. Da musste man anders dranbleiben. Dieses Feingefühl musste man schon mitbringen: Wann redet man mit wem? Über welche Themen? Aber ich denke, das ist mir gut gelungen.

 

Hast du von Kund*innen gehört, die Corona nicht überlebt haben? Und wie geht es dir dabei?

Ja, die gibt es. Einige wissen nach wie vor nicht, wie es ausgehen wird. Andere sagen klar: Marko, wir schaffen’s nicht. Wir müssen schließen. Das macht mich traurig und solche Gespräche führen dazu, dass man noch mal anders über die gesamte Situation nachdenkt. Was machen die Leute jetzt? Z.B. wenn es sich um Angestellte handelt. Wenn es der Unternehmer selbst ist, dann stellt man sich wiederrum ganz andere Fragen.

 

Du bist immer unterwegs und kennst dich in der Gastro-Szene ziemlich gut aus, die in Berlin unglaublich vielfältig ist. Glaubst du, dass sich Berlin langfristig durch Corona verändern wird?

Da gehe ich stark von aus. Gastronomen versuchen, andere Wege zu gehen. Es wird neue Ideen geben. Vielleicht wird das nicht unmittelbar spürbar sein, aber es wird sicherlich anders werden. Momentan befinden wir uns ja nach wie vor in der Corona-Situation. Und das wird auch noch lange so bleiben.

 

Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine Arbeit ein?

Ich versuche, den Ausdruck „zweite Welle“ in meinen Gesprächen zu vermeiden, aber man kommt nicht dran vorbei. Und vielleicht komme ich durch diese Frage jetzt nicht dran vorbei. Wenn die zweite Welle nun kommt, dann wissen wir alle nicht, wo sie uns hinspülen wird. Wenn sich die Situation hingegen schleichend verbessert, dann wird sich an meiner Arbeit nicht viel ändern. Gastronomie ist sehr vielfältig. Die wird es weiterhin geben. Vielleicht in einer anderen Form, aber Berlin ist darauf vorbereitet. Berlin ist dafür bekannt, dass es sich immer wieder neu findet.

 

Die Gastronomie hat seit Juni unter strengen Auflagen wieder geöffnet. Würdest du sagen, dass du mit deiner Arbeitsauslastung wieder dahin kommen kannst, wo du vor Corona warst?

Bei weitem nicht. Das ist auch gar nicht möglich. Zum einen, weil wir immer noch alle in Kurzarbeit sind. Zum anderen kann ich mit jedem Kunden nur dosiert arbeiten. Keiner kennt den genauen Bedarf an Bier, niemand weiß, wie sein oder ihr Laden oder Veranstaltung angenommen wird. Also an dem Punkt, wo ich vor Corona war, bin ich bei weitem nicht. Was auch komplett wegfällt, was ich an meiner Arbeit liebe, ist die Akquise. Neue Sachen entdecken. Die Euphorie, neue Dinge am Mark anzugehen, wo wir mit Quartiermeister eine Rolle spielen können, gibt es nicht. Ich bin auf jeden Fall weit entfernt von dem, was ich kann und was ich machen möchte. 

 

Quartiermeister ist nicht das allerbilligste Bier am Markt. Gibt es Kunden, die auf eine günstigere Variante umstellen müssen?

Erstmal vorne weg: Wir wollen nicht das billigste Bier sein – auf keinen Fall! Aber ja, das ist vorgekommen. Deshalb sind aber auch die Gespräche wichtig, um solche Dinge herauszubekommen. Ich fordere bei meinen Kunden Ehrlichkeit ab. Ich verstehe aber natürlich die Situation. Ich bin ja nicht nur Quartiermeister, sondern ein Mensch mit Gefühlen. Ich kann mich auch in die Situation unserer Kunden und Partner hineinversetzen. Und wenn ein Kunde zu mir sagt, dass er oder sie kurzzeitig das Bier wechseln muss, dann gehe ich mit dem Kunden eine Vereinbarung ein. Ich sage dann, dass ich das absolut verstehen kann, dass er oder sie den Laden retten muss, aber auch, dass wir wieder am Start sind, wenn hoffentlich wieder alles gut ist. Das ist das wichtigste für mich, dass wir da gemeinsam raus gehen. Dass der Kunde mein Verständnis spürt, ich aber auch die Sicherheit habe, dass ich dort wieder ansetzen kann.

 

Wenn du die letzten Monate Revue passieren lässt: Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Trotz der komischen Zeiten, in denen wir gerade leben, geht trotzdem irgendwie alles weiter. Und ich kann mein eigenes Leben trotzdem weiterführen. Ich kann einige Dinge überdenken. Das ist schon positiv für mich. Alle sind von Corona betroffen und trotzdem geht es weiter. Das ist doch ein stückweit bewundernswert und vielleicht sogar schön.

Innerhalb von Quartiermeister haben wir definitiv gesehen, dass wir als Team sehr gut funktionieren. Es sind nach wie vor alle da. Niemand musste gehen. Wir sitzen alle in den Startlöchern. Wir haben im Unternehmen Dinge gemacht, die wir sonst nicht machen. Das war stückweit eine Bestätigung, dass wir sehr gut zusammenarbeiten. Wir haben gesehen, dass wir in der Lage sind, so eine Krise durchzustehen. Wir scheinen alles richtig gemacht zu haben. Davids und Peters Entscheidungen aus den letzten Jahren haben sich ausgezahlt. Das ist richtig geil, dass wir ne fette Chance haben, da durch zu kommen.

 


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