Corona-Talk mit David: “Seit Corona weiß ich, was es heißt, eine Führungskraft zu sein”

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David ist einer der zwei Mitgründer und Geschäftsführer von Quartiermeister. Im Normalfall kümmert er sich um Produktion und den Innendienst und arbeitet gemeinsam mit Peter (Mitgründer & Geschäftsführer Nr. 2) an den Bereichen Strategie, Finanzen und Personal. Wie Corona Davids (Berufs-)Leben auf den Kopf gestellt hat, welche Ängste und Sorgen er hatte, und was Corona rückblickend für Quartiermeister bedeutet, erfahrt ihr im Interview.

Anfang des Jahres haben viele noch über Corona geschmunzelt. Wann hast du angefangen, Corona ernst zu nehmen und ab welchem Zeitpunkt als bedrohlich empfunden?

Ich lese sehr viele Nachrichten und habe schon anfangs, also Anfang Januar, Corona intensiv in China verfolgt. Anfangs dachte ich, das sei nichts Größeres. In meiner Rolle als Chef und Geschäftsführer habe ich angefangen, Corona ernst zu nehmen, als es die ersten Rückmeldungen aus dem Team gab, dass es Ängste und Sorgen gibt, dass Corona gesundheitliche Schwierigkeiten auslösen könnte. Da habe ich noch versucht, das Ganze zu beschwichtigen, aber diese Ängste natürlich auch sehr ernst genommen. Das war so ein bis zwei Wochen vor dem Lockdown Mitte März. Dann gings relativ schnell. Ich erinnere mich, dass wir vorher im Büro schon ein paar Hygieneregeln eingeführt haben, wie häufiges Händewaschen und Abstandsregelungen. Und als der Lockdown dann plötzlich kam – und das ging ja wirklich von Null auf Hundert in zwei oder drei Tagen – habe ich gemerkt, dass das richtig reinhauen kann. Das war das Wochenende, an dem ich mich mit Peter zusammengesetzt habe und besprochen habe, was das nun eigentlich für uns, für Quartiermeister, bedeutet. Da haben wir relativ früh den Ernst der Lage erkannt. Denn wenn keine Bars und Kneipen geöffnet sind und keiner mehr raus darf, bricht natürlich unser Geschäftsmodell zusammen.

 

Welche Maßnahmen haben Peter und du zum Schutz von Quartiermeister ergriffen?

Die Woche vor dem Lockdown hatten wir bereits freiwilliges Homeoffice angeordnet, damit alle, die sich nicht mehr wohl fühlen, zu Hause bleiben können. Und als der Lockdown kam, sollten dann wirklich alle zu Hause bleiben. Wir müssen mit unserer Arbeit nicht wirklich ins Büro, außer um vielleicht mal die Post abzuholen. Wir haben dann direkt mit unseren Partnern gesprochen, allen voran den Brauereien und teilweise mit Händlern, um zu besprechen, was für Auswirkungen Corona haben kann und welche Maßnahmen wir jetzt schon treffen können, um wirtschaftliche Schäden abzuwenden.

Unseren Kollegen und Kolleginnen gegenüber haben wir versucht, so offen und so transparent wie möglich zu kommunizieren und den Ernst der Lage zu schildern, gleichzeitig aber die Situation nicht zu bedrohlich wirken zu lassen. Zumindest haben wir das versucht.

Wir mussten uns zuerst natürlich orientieren und ganz genau auf unsere Liquidität schauen. Als Corona ausgebrochen ist, sollte unsere Saison losgehen. Wir waren gerade durch mit den sechs schwachen Monaten, die wir immer im letzten und ersten Quartal haben. Unser Konto war so leer, wie es ging. Es sollte gerade wieder losgehen. Die Verkäufe sollten anziehen. Auf Grund des Zeitpunkts war die Situation noch bedrohlicher für uns. Deshalb haben wir direkt die Notbremse gezogen mit einer Liquiditätssperre. Wir haben geschaut, welche Rechnungen wir direkt bezahlen müssen und welche wir herauszögern können. Mit den Brauereien haben wir besprochen, dass wir vorerst mehr nach Können bezahlen, also mehr nach Liquidität. Da haben wir von unseren Partnern glücklicherweise positive Rückmeldungen bekommen und konnten diesbezüglich sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Wir haben uns dann sehr schnell in das Kurzarbeits-Thema reingefuchst. Seitdem spreche ich fast täglich mit unserer Steuerberaterin. Ab April haben wir dann den Antrag auf Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen gestellt.

 

Wie hat das Team auf das Thema Kurzarbeit reagiert? Wie war die Stimmung?

Die Stimmung war an sich gut – auf jeden Fall besser als gedacht. Es gab Tage, an denen Peter und ich recht deutlich kommuniziert haben, dass wir nicht wissen, wie wir aus dieser Krise herauskommen werden und dass wir es ohne tiefe Einschnitte nicht überleben werden. Da war die Stimmung verständlicherweise nicht so gut. Das haben wir versucht, aufzufangen. Wir haben immer gesagt, dass das die Ultima Ratio wäre. Dass wir deshalb aber auch die Solidarität von jedem*r Einzelnen brauchen, um durchzukommen. Wir hatten immer das Gefühl, dass innerhalb des Teams große Solidarität vorhanden war und dass jede*r bereit war, zum Wohle anderer zu verzichten. Teilweise haben die Leute sogar angeboten, Teile ihres eigenen Gehalts für andere zu geben, da diese sonst weniger verdient hätten. Da gabs einen großen Zusammenhalt und gewisse Trotzreaktionen, so nach dem Motto: Das schaffen wir schon! Aber natürlich war die Unsicherheit groß. Und auch die Ängste gewisser Kolleg*innen. Das war für Peter und mich eine schwierige und herausfordernde Situation. Das hat mich auf jeden Fall geprägt. Seitdem weiß ich, was es heißt, eine Führungskraft zu sein. Im Vergleich dazu ist Führung in guten Zeiten Kindergarten.

 

Hast du das Gefühl, dass dich diese Herausforderungen als Führungskraft weitergebracht haben?

Schon. In Krisenzeiten reagiert ja jeder irgendwie entsprechend seines Charakters. In den letzten Wochen und Monaten wurde recht deutlich, dass wir einfach sehr verschiedene, diverse Leute bei uns im Team haben, die ganz unterschiedlich auf Corona reagiert haben. Darauf mussten wir uns dann einstellen und verschiedene Arten von Gesprächen führen. Das hat mir stark gezeigt, dass Führung Empathie und Einfühlungsvermögen bedeutet und gleichzeitig der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Das war nicht einfach, den Leuten einerseits zu sagen, wie ernst die Lage ist und gleichzeitig mit erhobenem Haupt und gutem Beispiel voranzugehen. Entscheidungen unter enormer Unsicherheit zu treffen und Entschlossenheit zu signalisieren, war enorm wichtig, weil ich gemerkt habe, dass das Team auf mich und Peter schaut. Wenn wir da gezögert hätten oder zusammengebrochen wären oder vor Angst nicht mehr handlungsfähig gewesen wären, dann wäre es auf jeden Fall anders ausgegangen. Wir mussten zeigen, dass wir an der Krise nicht zu Grunde gehen. Wir mussten optimistisch sein. Das hat sich dann auf die Kollegen und Kolleginnen übertragen. Klar gab es auch Tage, an denen Peter und ich selbst niedergeschlagen waren. In solchen Momenten war es schön, Rückhalt zu spüren und vom Team aufgefangen zu werden. Allgemein habe ich jedoch schon das Gefühl, dass wir eine gewisse Entschlossenheit an den Tag gelegt haben und alle anderen dem folgen konnten.

 

Du würdest also sagen, dass sich Peter und deine Führungsstrategie positiv auf das Team und das Unternehmen ausgewirkt hat? Oder würdest du rückblickend irgendetwas anders machen?

Ich weiß natürlich nicht, wie es gelaufen wäre, wenn wir anders reagiert hätten. Ich glaube, dass es an sich gut gelaufen ist. Auch, was die Motivation im Team, was die Stimmung der Leute, die Solidarität untereinander anbelangt. Es hat alles irgendwie funktioniert. Bislang sind wir einigermaßen gut durch die Krise gekommen. Die Leute konnten trotz Kurzarbeit viele ihrer Aufgaben erledigen und waren auch immer bereit, im Team ansprechbar zu sein und füreinander da zu sein. Was passiert wäre, wenn Peter und ich uns anders verhalten hätten, kann ich nicht sagen. Es wäre aber interessant, zu wissen, welche Dynamiken sich sonst im Team gebildet hätten, wenn z.B. Peter und ich ausgefallen wären. Wer hätte dann im Team die Führung übernommen? Hätte es gar keine Führung gegeben, sondern vielleicht eine kollektive Führung? Als Experiment wäre das interessant gewesen. Dadurch, dass wir uns in einer sehr ernsten Situation befanden und befinden, bin ich allerdings ganz froh, dass es so funktioniert hat und wir eine gewisse Resilienz zeigen konnten.

 

Hattest du jemals Angst, dass Quartiermeister Corona nicht überleben würde?

Auf jeden Fall! Die Angst war durchaus da. Immerhin haben wir mit Umsatzeinbrüchen von 70-80 % gerechnet, weil Quartiermeister den Hauptumsatz durch die Gastronomie erzielt, die durch den Lockdown komplett weggebrochen ist. Ein weiterer wichtiger Absatzkanal sind Events, die auch auf einmal alle abgesagt wurden und größtenteils weiterhin gestrichen sind. Die Gastro ist selbst jetzt noch nicht an dem Punkt, wo sie vor Corona war. Dementsprechend sind wir mit unseren Umsätzen nach wie vor nicht bei 100 %. Corona für uns nicht vorbei, deshalb ist die Angst um Quartiermeister in Teilen immer noch vorhanden. Dadurch, dass man immer noch nicht weiß, was passiert, weil das Virus einfach unfassbar komplex ist und gefühlt jeden Tag neue Dinge herauskommen, die im worst case wieder zu einem erneuten Lockdown könnten, ist meiner Meinung nach die ganze Sache noch nicht überstanden. Wir haben viel mit unserem Coach darüber gesprochen. Wir gehen davon aus, dass es sich bei Corona um einen Marathon handelt und nicht um einen Sprint. Die ersten 20 km haben wir vielleicht überstanden, aber die zweite Hälfte wird sicher noch etwas andauern. Anfangs war die Angst natürlich größer: Wird Quartiermeister Corona überleben? Müssen wir eventuell sogar Leute entlassen? Wir haben aber alle Maßnahmen getroffen, die es in dem Moment gab.                                                                                                                                           

 

Wie hat sich deine Arbeit in den letzten Wochen und Monaten verändert?

Ich habe mich in alle möglichen Themen reingewurschtelt. Zum einen in die Kurzarbeit, in die Soforthilfen von der IBB, vom Bund, vom Land. Da habe ich teilweise Nächte in Warteschlangen verbracht, weil es anfangs technisch überhaupt noch nicht funktioniert hat. Das war schon irgendwie abstrus, aber das Gebot der Stunde. Ich konnte mich wirklich um nichts anderes kümmern als um den Fortbestand von Quartiermeister. Dadurch hatte ich allerdings immer das Gefühl, dass es doch noch Möglichkeiten gibt, etwas zu unternehmen und an diese Möglichkeiten habe ich mich geklammert. Ich habe mich mit großem Willen überall reingearbeitet und so vielleicht auch frühzeitig Hilfen an Land gezogen, wie z.B. Soforthilfe II in Höhe von 15.000€ oder das Kurzarbeitergeld ab April. Ich habe mich um Kredite gekümmert. Das hat sehr lange gedauert und ist auch gerade jetzt erst abgeschlossen, also drei bis vier Monate später. Das war eine ziemliche Odyssee.

Durch die Einführung der Kurzarbeit lagen dann auf einmal viele Aufgaben bei Peter und mir, wie Rechnungen schreiben, Speditionsplanung oder Händlergespräche. Klar, dadurch, dass wir weniger Bier verkauft haben, sind Teile des operativen Geschäfts weggebrochen und dadurch gabs weniger zu tun. Aber durch die zusätzlichen Aufgaben wie Liquiditäts- und Existenzsicherung und der Führungsaufgabe, habe ich von der Kurzarbeit nicht wirklich viel gehabt. Kurzarbeit-Geld habe ich als Geschäftsführer eh nicht bekommen, aber ich habe auch eh weiterhin Vollzeit gearbeitet. So hatte ich aber zumindest das Gefühl, dass ich etwas tun kann, denn rumsitzen und nichts tun ist in so einer Situation als Geschäftsführer auf keinen Fall das richtige. Wenn du mit Existenzängsten auf dem Sofa sitzt, wäre das Gedankenkarusell auf jeden Fall negativer gewesen.  

 

Wie hast du die Stimmung der anderen Quartiermeister*innen während der letzten Wochen empfunden?

Rückblickend betrachtet kann ich sagen, dass die Stimmung insgesamt gut war – und auch besser als erwartet: solidarisch, motiviert und gegenseitig unterstützend. Klar gab es Ängste und Sorgen, aber immer mit der Möglichkeit, diese Gefühle herauszulassen und zu besprechen und im besten Fall in positive Emotionen umzuwandeln. Es gab auch schwierige Gespräche mit Einzelpersonen, was in so einer Zeit völlig normal ist. Insgesamt würde ich sagen, dass der Verlauf für uns intern gut war und auch von der Wirtschaftlichkeit her. Es hätte uns auf jeden Fall noch schlimmer treffen können. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir so stark zusammengehalten haben.

 

Quartiermeister besteht aus einer GmbH und einem Verein. Inwiefern war der Verein während der Krise involviert? Wie war euer Austausch mit dem Verein?

Auch das war eine sehr schöne Erfahrung. Wir haben von Seiten des Vereins sehr viel Solidarität entgegengebracht bekommen. Durch Corona haben wir den Austausch mit dem Verein sogar intensiviert, um den Mitgliedern Updates zu geben, wie es uns geht. Alle Maßnahmen, die wir getroffen haben, wie Kurzarbeit oder Förderstopp, wurden vom Vorstand mitgetragen und mit viel Verständnis aufgenommen. Dann gabs während Corona die ein oder andere witzige Aktion, was durch das zunehmende digitale Arbeiten überhaupt erst zu Stande kam. Ich habe digitale Verkostungsaktionen und Bierworkshops mit den Vereinsmitgliedern durchgeführt. Wir haben eine Instagram-Serie vom Verein – die wertuellen Kneipenabende – gestartet, was auch sehr cool war. Tatsächlich konnten wir in Corona-Zeiten noch mehr Zusammenhalt und Austausch mit dem Verein schaffen.

 

Wegen der Liquiditätsengpässe musste Quartiermeister die Projektförderung zunächst einfrieren. Wie hat der Verein auf diese Entscheidung reagiert?

Als wir gesehen haben, dass es nun um wirklich jeden Cent geht, mussten wir mit allen Mitteln auf unsere Liquidität achten. Da wir ohnehin schon mit einem niedrigen Kontostand in die Corona-Zeit gestartet sind, haben wir das direkt in der ersten oder zweiten Woche an den Verein kommuniziert, dass wir erst mal nicht fördern können. Da war das Verständnis vom Verein wirklich sehr groß. In diesem Gespräch haben wir dem Vorstand unsere Unternehmenszahlen sehr transparent präsentiert. Wir waren uns alle einig, dass wir nun alles dafür tun müssen, dass es Quartiermeister nach der Krise überhaupt noch gibt. Die nächste Förderung wird dann stattfinden, sobald wir uns wieder in einer wirtschaftlichen Situation befinden, die eine Förderung zulässt.

 

Du sagtest vorhin, dass die Beantragung des Kredits mehrere Monate gedauert hat. Woran lag das?

Das lag vor allem daran, dass niemand auf dieses Szenario hinreichend vorbereitet war. Die Banken wurden in den ersten Wochen von allen Seiten überrannt. Deren Workload war und ist immer noch enorm. Man konnte niemanden erreichen und es konnte dir auch niemand so richtig Auskunft geben. Und die ganzen Programme, die dann vom Land und Bund oder der KfW aufgesetzt wurden, waren alle mit sehr heißer Nadel gestrickt, sodass am Anfang viele Fehler passiert sind und keine guten Prozesse definiert waren. Während des Runs auf die erste Soforthilfe und die ersten Darlehen ist dann diese Online-Warteschlange entstanden. Das war Anfang April. Die wurden in der ersten Zeit über Nacht weitergeführt. Dann kam es zu der absurden Situation, dass Quartiermeister – in dem Fall ich – um 1:30 dran war. Es hieß: Wenn die Warteschlange bei uns angekommen ist, habe ich ein Zeitfenster von 20 Minuten, um mich einzuloggen. Die haben die Warteschlange nicht über Nacht abgeschaltet. Ich war dann um 1:30 dran, lag zu dem Zeitpunkt aber im Bett, weil ich nicht wusste, was passiert. Das war der Grund, warum wir von der ersten Soforthilfe nichts mehr abbekommen haben. Als ich mich am nächsten Tag erneut in der Warteschlange eingereiht habe, hat das so lange gedauert bis wir dran waren, dass dann das Geld alle war.

Bei der Soforthilfe II wurde die Warteschlange von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens nicht weitergeführt. Dann gabs die ersten Horror-Geschichten: Leute sind aus der Warteschlange rausgeflogen, Leute sind reingekommen, konnten das Formular aber nicht ausfüllen, Leute konnten den Antrag nicht abschicken oder haben keine Bestätigung bekommen. Dann kam noch ein riesiger Datenschutzskandal auf die IBB zu. Das war völlig hanebüchen. Es war einfach total unklar, ob man am Ende das Geld bekommt. Schlussendlich nach Einsenden des Antrags ging es dann aber doch relativ schnell. Und bin dankbar, dass es sowas wie Soforthilfe überhaupt gibt.

Auch beim GLS-KfW-Kredit, den wir jetzt endlich finalisieren konnten, gabs sehr viele Unwissenheit, wer wofür zuständig ist, welche Unterlagen gebraucht werden. Du wurdest teilweise hin und her geschickt. Es hat alles sehr lange gedauert und war sehr beschwerlich, aber glücklicherweise konnten wir den Kredit jetzt für uns beantragen.

 

Wie hoch ist der Kredit und wofür wollt ihr das Geld verwenden?

Der Kredit beläuft sich auf 100.000 €. Wir werden wahrscheinlich aber noch mehr Bedarf haben. Wir brauchen das Geld, um über die nächsten Monate zu kommen. Trotz Zuschüssen und Kurzarbeit machen wir weiterhin kein Plus. Wir nähern uns von unten der Null an. Entsprechend gibt es jeden Monat weiterhin Fehlbeträge, die ausgeglichen werden müssen. Zum anderen brauchen wir das Geld, um Quartiermeister wieder anzuschieben, weil wir dafür unsere Leute aus der Kurzarbeit herausholen müssen, damit sie wieder voll arbeiten können. Einen Teil werden wir für Investitionen verwenden, die für dieses Jahr anstanden, wie z.B. Kisten oder andere Betriebsmittel. Wir werden das ERP-System, unser Warenwirtschaftssystem, dieses Jahr hoffentlich noch einführen können. Und ein Teil davon wird vielleicht auch in die Förderung gehen.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Generell ist die Krise für uns wahrscheinlich positiver ausgefallen als für viele anderen. Von daher können wir erst mal dankbar sein, dass es uns noch gibt. Dass die Krise gewisse positive Effekte auf das Mindset von uns Menschen hat, bezweifle ich ehrlicherweise. Ich hoffe trotzdem, dass es im Rahmen der Politik und innerhalb der Unternehmen zu positiven Entwicklungen kommt. Insgesamt hatte ich schon das Gefühl, dass die Entschleunigung – Leute arbeiten einfach weniger – positiv aufgenommen wurde. Dass hinterfragt wurde, ob man wirklich so viel arbeiten muss und so viel Geld braucht oder ob man mit mehr Freizeit und weniger Geld ggf. sogar ein besseres Leben führen kann. Das regt zum Nachdenken an. Trotz Existenzängsten hat uns die Krise einen Sommer voller Stress genommen, auch wenn dies meistens positiver Stress ist. Aber so ein Sommer ist doch immer recht anstrengend mit Festivals, High Season und 30-50% Wachstum zum Vorjahr. Das geht hart an die Substanz. Auch wenn Corona eine andere Art von Stress war, war doch die körperliche Erschöpfung nicht ganz so groß. Für mich persönlich ist positiv, dass ich remote arbeiten kann. Durch Corona hat sich gezeigt, dass ich meine Arbeit fast vollständig von überall aus erledigen kann. Auch wenn ich gerne im Büro bin, zeigt es mir, dass ich total flexibel bin. Deswegen bin ich aktuell nicht in Berlin. Das ist schon sehr schön!

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Ich glaube, ich würde mir nicht mehr so viele Sorgen machen. Ich würde versuchen, den Druck und die Verantwortung ein bisschen mehr zu verteilen, eventuell Gesprächskreise innerhalb des Teams etablieren, sodass noch mehr Austausch stattfindet und sich nicht alles auf Peter und mich fokussiert. Es macht wahrscheinlich Sinn, in den nächsten Monaten genauer unsere Absatzmärkte zu analysieren, um zu verstehen, wo wir noch Potenzial haben, was jenseits eines zweiten Lockdowns funktionieren kann.

Und für mich persönlich hoffe ich, dass ich bei einem eventuellen zweiten Lockdown nicht in Berlin sein werde (lacht).

 

Möchtest du noch irgendwas loswerden?

Ich hoffe einfach, dass wir weiterhin auf Seiten der Endverbraucher*innen diese tolle Unterstützung erfahren, denn nur so können wir als kleines, unabhängiges Sozialunternehmen weiter existieren. Und ich möchte mich an dieser Stelle bei meinen Kolleg*innen bedanken, dass sie mir das Vertrauen entgegengebracht haben und dass wir uns gemeinsam so solidarisch verhalten haben.

16. Juli 2020