Corona-Talk mit Johanna: “Ich habe alle mir bleibenden Kapazitäten in den Lebensmitteleinzelhandel gesteckt”

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Johanna ist ehemalige Quartiermeister-Praktikantin und unterstützt als studentische Mitarbeiterin den Vertrieb mit ihrer charmanten Telefon-Stimme. Wie Johanna den ersten Lockdown empfunden hat, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen und wie sich ihre Arbeit verändert hat, erfahrt ihr im Interview.

Wie hast du über Corona gedacht als du zum ersten Mal in den Medien davon gehört hast?

Mein erster Gedanke war: Panikmache! Ist alles nicht so schlimm. Das kommt doch einmal im Jahr vor, dass eine Grippe oder ein Virus ausbricht. Das hat mich anfangs alles nicht so tangiert. Das war im Januar oder Dezember. Da fand ich das alles nicht so bedrohlich.

 

Hat sich dieses Gefühl mit zunehmender Zeit dann irgendwann verändert?

Ja, am 14. März, als dann alle Kneipen geschlossen haben. Aber auch schon 1-2 Wochen. Peter wollte zu dieser Zeit auf eine Messe, die dann abgesagt wurde. Auf einmal wurden Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Menschen verboten. Zwei Wochen später wurden Bars, Kneipen, Clubs und Restaurants geschlossen. Da kam mir dann auch das erste Mal der Gedanke, wie Quartiermeister denn nun eigentlich das Bier vertreiben soll.

 

Peter und David haben sehr schnell die Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen angekündigt. Studentische Hilfskräfte sind von der Kurzarbeit ausgeschlossen. Für dich konnte also kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Hattest du jemals Angst um deinen Job bei Quartiermeister?

Ja. Ich hatte zu der Zeit ja sogar nur einen Praktikumsvertrag. Der lief bis Ende April. Und ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich dann noch einmal einen Werkstudenten-Vertrag bekommen würde.

 

Und wie kam es dazu, dass du jetzt noch bei Quartiermeister bist?

Meine Stunden wurden gesenkt. Ich habe dann etwas weniger gearbeitet und auch weniger Lohn erhalten. Peter ist mit mir ins Gespräch gegangen und ich konnte sagen, was ich mindestens brauche im Monat, um mein Leben stemmen zu können. Wir haben gemeinsam eine gute Lösung gefunden, die für mich ok war, aber auch für Quartiermeister. Es mussten ja alle Ausgaben auf ein Minimum heruntergeschraubt werden. Ich fand es toll, dass ich bei dieser Entscheidung mitsprechen konnte. Das war dann natürlich eine Umstellung für mich. Ich hatte auf einmal mehr Freizeit und weniger Geld.

 

Als Vertriebsinnendienst-Mitarbeiterin bist du meistens damit beschäftigt, die Kund*innen von Quartiermeister per Telefon zu kontaktieren. Hatte Corona irgendwelche Auswirkungen auf deine Arbeit?

Zuerst ist ja die gesamte Gastro weggebrochen. Deshalb ist für mich die Zusammenarbeit mit Andre im Osten und auch mit Marko zunächst fast komplett weggefallen, da die beiden ja fast nur Gastro-Kunden betreuen. Die beiden konnte ich dann ja gar nicht mehr unterstützen. Außerdem waren sie ja, wie alle anderen auch, in Kurzarbeit. Auch dadurch ging nicht mehr viel.

In der Zusammenarbeit mit Tcuni war das natürlich ähnlich. Allerdings hat das gesamte Unternehmen das Potenzial für den Handel gesehen. Ich habe also meine mir bleibenden Kapazitäten in den Lebensmitteleinzelhandel gesteckt, was sich anfangs gar nicht so einfach dargestellt hat. Die Kommunikation mit den Handels-Kund*innen war echt schwierig, weil die überhaupt keine Zeit hatten und auch echt keinen Kopf dafür, mit mir am Telefon über Quartiermeister zu reden. Die mussten schließlich auch umdenken. Die mussten ihre Prioritäten neu ordnen. Vor allem, als dann die ganzen Hamsterkäufe stattfanden. Die meisten unserer Kund*innen haben anfangs nur noch Pasta, Klopapier und Konserven eingekauft. Bier stand da ganz weit unten auf der Liste. Außerdem wussten die Märkte auch nie, was sie in diesen verrückten Zeiten geliefert bekommen, weil die Logistik auch totale Engpässe hatte und die einfach annehmen mussten, was kam. Das war wie ein Überraschungs-Ei für die Märkte. Das hat ca. zwei Wochen angehalten. Dann haben die Kund*innen gemerkt, dass ihre Kund*innen, also die Endverbraucher*innen, durch den Gastro-Lockdown natürlich auch in ihren Märkten mehr Alkohol kaufen. Und natürlich auch mehr Bier. Dadurch hat sich dann Monat für Monat unser Absatz im Handel gesteigert. Die Märkte haben immer mehr Ware bei uns bestellt und mussten auch schneller aufstocken.

 

Du unterstützt hauptsächlich Tcuni beim Vertrieb im Handel. Hat sich der Absatz im Handel verändert? Ist er eventuell sogar gestiegen, weil Supermärkte eine ganze Zeit der einzige Bezugspunkt von Quartiermeister waren, als alle Bars und Kneipen geschlossen waren?

Ja, der Absatz im Handel ist – im Vergleich zum letzten Jahr – enorm gestiegen. Im Gegensatz zum Sommer letzten Jahres hatten wir doppelt so viel Absatz im Handel. Das hätten wir so, in Anbetracht der Tatsache, dass wir viel weniger Zeit hatten, nicht erwartet. Das liegt aber natürlich auch daran, dass im Laufe des letzten Jahres immer mehr Märkte dazu gekommen sind, die Quartiermeister verkaufen. Aber auch daran, dass wir gute Kunden noch weiter ausbauen konnten. Da hat man richtig gemerkt, dass in Corona-Zeiten einfach mehr eingekauft wurde.

 

Welche Learnings hast du für dich, Quartiermeister und deinen Job mitnehmen können?

Ich denke, für ein Unternehmen ist es super wichtig, immer agil zu bleiben, also nicht nur eine Strategie zu fahren, sondern sich breit aufzustellen. Ich glaube, das haben sehr viele Unternehmen in der Krise gelernt und diese Strategie ist Quartiermeister auch gefahren. Wenn kein Verkauf über die Gastronomie mehr möglich ist, was für Quartiermeister 80 % des Gesamtumsatzes ausgemacht hat, dann muss man schauen, auf welchen Wegen man das Bier noch unter die Leute bekommt. Quartiermeister hat sich dann auch direkt an die Endverbraucher*innen gerichtet, was schlau war. Und es wurde dann einfach die Energie in den Handel gesteckt.

 

Und für dich persönlich und deinen Job?

Durch das Homeoffice habe ich gemerkt, dass die Arbeit und mein Privatleben miteinander verschmelzen. Ich bin dann manchmal gar nicht in Feierabend-Stimmung gekommen, ich konnte nie so richtig abschalten. Das war nicht so gut. Wenn jetzt noch eine zweite Welle kommt, dann würde ich mir das in Zukunft besser einteilen.

Naja, und generell fand ich es sehr beeindruckend, was für eine große Solidarität unter den Menschen in Zeiten von Corona herrschte. Ich meine damit die Unterstützung, die für Infizierte oder auch Menschen aus Risikogruppen geleistet wurde, wie z.B. Einkäufe zu erledigen. Das hat mich sehr beeindruckt. Dass, wenn es hart auf hart kommt, die Leute dann doch zusammenhalten.

 

Gibt es etwas, was du noch loswerden möchtest?

Ja, ich möchte allen Märkten danken, die uns mit ihren Bestellungen in dieser Zeit unterstützt haben. Nur so konnten wir bereits im April bessere Zahlen erzielen als erwartet. Und natürlich auch allen Mitarbeiter*innen bei Quartiermeister. Dafür, dass wir alle zusammengehalten haben und das Beste aus einer schlimmen Situation gemacht haben.

 

27. Juli 2020