Corona-Talk mit Benni: "Mein Arbeitsvertrag wurde mitten im knallharten Lockdown verlängert"

Autor annika.bruemmer

Erstellt am 2. September 2020 12:52


Benni ist unsere Münchner Vertriebsmaschine und hält in Bayern die Fahne hoch. Offiziell wäre Bennis Vertrag während des Lockdowns ausgelaufen. Trotz Kurzarbeit und düsteren Prognosen wurde dieser verlängert – juhey! Wie die letzten Monate für Benni waren, lest ihr im Interview.

Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?

Zuerst habe ich mir nicht wirklich etwas dabei gedacht. Das ist ja leider oft so. Krisen, die in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten vorherrschen, scheinen so weit weg. Man hat den Eindruck, dass es einen selbst gar nicht betrifft, geschwiege denn die eigene Comfort-Zone oder die eigene Gesundheit …

 

Ab wann hast du Corona als Bedrohung für dich, deine Freunde und Familie und auch für Quartiermeister angesehen?

Ich hatte das erste Mal ein mulmiges Gefühl, als der erste Corona-Fall in Deutschland – der war ja sogar bei München – aufgetreten ist. Zeitgleich haben wir Quartiermeister auf die ISPO, eine sehr große Messe in München, geschickt. Dort gab es schon ein Hygiene-Konzept mit vielen Desinfektions-Stellen. Trotzdem habe ich mir die Wochen danach immer noch nicht viel bei Corona gedacht. Der Knackpunkt kam dann tatsächlich aus dem beruflichen Feld, als es hieß, dass wir ab April alle in Kurzarbeit gehen werden. Das war Mitte März. Dann habe ich endlich gecheckt: Hoppla, das ist eine wirkliche Bedrohung. Vor allem habe ich mir dann Sorgen um meine Eltern gemacht, die genau in die Risikogruppe fallen.

 

Du bist seit Mai 2019 bei Quartiermeister und hattest zunächst einen befristeten Vertrag, der Mitte Mai ausgelaufen wäre. Er wurde jedoch verlängert. War das überraschend für dich in Anbetracht der kritischen Lage, in der sich Quartiermeister zu dem Zeitpunkt befand?

Ganz grundsätzlich habe ich mich ab Sekunde Null mit den Werten von Quartiermeister identifizieren können. Anders kann man wahrscheinlich auch gar kein Bier verkaufen. Also hinter dem man nicht steht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass Quartiermeister diesen solidarischen, kollektivistischen Gedanken nicht nur nach außen trägt, sondern auch nach innen lebt. Das hat sich mit der Vertragsverlängerung mitten im knallharten Lockdown noch mal kondensiert abgezeichnet. Das hatte viel mit Wertschätzung zu tun. Es wäre für Quartiermeister leicht gewesen, zu sagen: München ist noch im Aufbau, da läufts noch nicht so wie in Berlin, das kappen wir jetzt. Das wurde aber nicht gemacht. Und das hat mir noch einmal gezeigt, wie geil Quartiermeister nach innen und nach außen funktioniert.

 

Hattest du Angst, dass dein Vertrag nicht verlängert werden würde?

Angst ist vielleicht ein zu großes Wort, aber natürlich habe ich mir Gedanken gemacht. Dadurch, dass für Quartiermeister auf einmal finanzielle Probleme durch Corona entstanden sind, habe ich schon gezweifelt, ob die Münchner Vertriebsstelle überhaupt wichtig genug ist. Aber richtige Angst war das wahrscheinlich nicht.

 

Du bist für den Vertrieb von Quartiermeister in München zuständig. Dort ist das Bier weit weniger etabliert als in Berlin oder im Osten Deutschlands. Es liegt also noch eine Menge Arbeit vor dir. Würdest du sagen, dass Corona dir diese Arbeit zusätzlich erschwert hat?

Stimmt, München und der Süden im Allgemeinen ist im Aufbau. Es gab zwar vor mir auch schon Quartiermeister in München, allerdings nie mit einer Vollzeit-Vertriebsstelle. Dadurch dass durch mich mehr Stunden zu Verfügung standen, konnte innerhalb des letzten Jahres auch mehr passieren. Wir haben seit 2019 ein Lager (lacht). Wir haben nach Jahren endlich einen Händler in München. Das waren Strukturen, die schon vor Corona aufgebaut wurden. Insofern hat Corona den Aufbau in München nicht erschwert, es hat ihn nur stillgelegt.

 

Wie hat sich deine Arbeit verändert als die gesamte Gastronomie erst mal dicht gemacht hat?

Als der Gastro-Stillstand kam, war das krass, aber ich habe diesen Schritt für die richtige Maßnahme gehalten. Trotzdem war das natürlich ein richtiges Brett. Aber da Quartiermeister in München mittlerweile auch im Bio-Einzelhandel vertreten ist, habe ich mich einfach mehr darum gekümmert. Die wenigen Stunden, die ich wegen Kurzarbeit zur Verfügung hatte, wurden durch die Betreuung des Bio-Einzelhandels gut gefüllt. Das war auch sehr betreuungsintensiv, weil der Lebensmitteleinzelhandel mit ganz anderen Problemen konfrontiert war. Würde Quartiermeister Mehl oder Hefe machen, hätten uns alle Läden unsere Produkte abgekauft, aber Bier stand da nun mal nicht ganz so weit oben auf der Liste. Da galt es dann, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass wir als Sozialunternehmen gerade in so einer Phase auch Unterstützung vom Handel brauchen. Meine Arbeit hat sich also von der Gastro eher zum Bio-Handel verschoben. Nicht zu vergessen sind natürlich Kioske und Getränkemärkte, die während des Lockdowns tapfer die Stellung gehalten haben. Schon vor Corona waren das wichtige Vertriebskanäle, sind aber auf einen Schlag noch mehr in den Fokus gerückt.

 

Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine zukünftige Arbeit ein? Machst du irgendetwas anders? Gibt es ggf. auch positive Entwicklungen?

Was mir im klassischen Verkaufsgespräch wirklich positiv auffällt, ist das Verständnis füreinander. Irgendwie hocken doch alle im gleichen Boot. Das finde ich positiv, dass man schnell auf einer Ebene ist. Ich kann den Gastronomen besser verstehen und er mich. Ganz grundsätzlich habe ich in den letzten zwei bis drei Monaten die Erfahrung gemacht, dass sich Gastronomen mehr Zeit nehmen und auch die Qualität von guten Produkten wertschätzen. Das hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass über die Corona-Krise ein Spotlight auf die Lebensmittelindustrie gefallen ist, also wie schlimm da teilweise die Bedingungen sind. Umso mehr wissen Leute jetzt wertzuschätzen, was ein gutes Produkt ausmacht.

 

Du bist neben der Vereinszelle der einzige Quartiermeister in München. Wie ging es dir denn als Einzelkämpfer als plötzlich die Uhren stehen blieben?

Ich habe da wirklich eine positive Entwicklung erkannt, einfach, weil wir noch enger im Austausch standen. Die Berliner*innen haben montags ja immer ihre Meisterrunde um 10 Uhr. Daran konnte ich als Münchner natürlich nie teilnehmen. Und jetzt bin ich dabei – weil die Meisterrunde digital ist. Das finde ich geil! Das ist ein toller Start in die Woche und schon allein die halbe Stunde jeden Montag zu hören, wie es den Kolleg*innen geht, macht Spaß und ich fühle mich weniger allein (lacht). In der Münchner Vereinszelle wars die letzten Monate auch sehr still. Jetzt gabs aber kürzlich wieder ein Vereinstreffen, was schön war. Da haben wir auch mal wieder schön gesoffen (lacht). Das hat gutgetan.

 

Quartiermeister würde gerne – wenn es die Zahlen erlauben – im vierten Quartal die Förderung wiederaufnehmen. Wie geht’s dir damit, zu wissen, dass in München dieses Jahr bislang noch keine Fördergelder ausgeschüttet werden konnten?

Ja, das ist natürlich scheiße, denn deshalb gehe ich schließlich jeden Tag ausm Haus. Ich verkaufe Bier, um damit Fördergelder für Projekte einzusammeln. Ich gehe nicht für vermeintliche externe Investoren raus, sondern für die Projekte. Das ist natürlich doof, wenn ich dann dieses Verkaufsargument nicht mehr habe. Aber tatsächlich versteht das auch jeder, dass wir bislang wegen des Liquiditätsengpasses nicht fördern konnten. Es macht nur Sinn, die Förderung erst einmal auf Eis zu legen. Ich freue mich aber natürlich, wenn es dieses Jahr noch klappt.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle und einem zweiten Lockdown anders machen?

Boah, mehr Klopapier und Nudeln kaufen (lacht)? Nee, also ich würde wahrscheinlich nichts anders machen. Ich würde versuchen, entspannter zu sein. Ich mein, wir waren alle auf einmal in Kurzarbeit, auch weil es einfach keine Arbeit mehr für uns gab. Trotzdem stand ich irgendwie mehr unter Strom als während einer 40-Stunden-Woche. Im Falle einer zweiten Welle würde ich versuchen, mehr runterzukommen und entspannter zu sein.

 

Möchtest du noch etwas loswerden?

Ich hoffe, dass die Anzahl an Spinnern, die gegen Maskenpflicht demonstrieren, nicht weiterwächst. Außerdem möchte ich an die Vernunft appellieren: Alle Leute sollen bitte weiterhin vorsichtig sein. Und natürlich viel Quartiermeister trinken.


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