30. März 2021 09:15
annika.bruemmerTrommelwirbel, denn er ist endlich da: Der 3. Deutsche Social Entrepreneuship Monitor Deutschland (DSEM) - powered by SEND! Und mit ihm kommen eine ganze Menge Zahlen, die uns echt viel Freude bereiten, denn die Sozialunternehmertum-Landschaft ist definitiv auf einem aufsteigenden Ast! Neben konventionellen Kennzahlen, wie Organisationsgröße und Umsatzhöhe, erhebt der DSEM spezifische Daten, die für das Ökosystem relevant sind, z.B. Wahl der Wirkungsmodelle, Arten der Governance, Daten zu Gemeinnützigkeit oder Anzahl von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen.
Wenn ihr euch schon immer gefragt habt, was Sozialunternehmertum eigentlich bedeutet, was solche Unternehmen anders machen als klassische Wirtschaftsakteur*innen und warum die gut sind und es ganz dringend mehr davon braucht, dann zieht euch den Bericht rein. Es lohnt sich!
Zum 3. Deutschen Social Entrepreneuship Monitor gehts hier.
Neben konventionellen Kennzahlen, wie Organisationsgröße und Umsatzhöhe, erhebt er spezifische Daten, die für das Ökosystem relevant sind, z.B. Wahl der Wirkungsmodelle, Arten der Governance, Daten zu Gemeinnützigkeit oder Anzahl von ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Seit 2020 ist der DSEM eingebunden in das von EUCLID Network geleitete und durch die Europäische Kommission finanzierte European Social Enterprise Monitor.
Neben konventionellen Kennzahlen, wie Organisationsgröße und Umsatzhöhe, erhebt er spezifische Daten, die für das Ökosystem relevant sind, z.B. Wahl der Wirkungsmodelle, Arten der Governance, Daten zu Gemeinnützigkeit oder Anzahl von ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Seit 2020 ist der DSEM eingebunden in das von EUCLID Network geleitete und durch die Europäische Kommission finanzierte European Social Enterprise Monitor.
15. März 2021 12:28
erik.schiemannAn einem absurd warmen Februartag treffe ich bei neunzehn Grad und Sonnenschein Johanna, Tobi und Beatrix, Gründer*innen des Lokallabor Dudenschänke e.V. – kurz LoLaDu.
Das Lokallabor wurde von ihnen Anfang 2020 in der ehemaligen Eckkneipe „Dudenschänke“ eingerichtet. Es ist kurzgesagt ein öffentlicher Raum, in dem Menschen aus der Nachbarschaft zusammenkommen können. Sie tauschen dann Projektideen und Anliegen aus und setzen diese gemeinsam um. Ob eine Jamgruppe, oder das Anlegen von Beeten – den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist nur: Ein Beitrag zur Kiezkultur!
Das LoLaDu wurde im Januar aus dem Feuerwehrtopf von Quartiermeister mit 1000€ gefördert – ein speziell für Projekte in Not eingerichteter Fördertopf.
Nach einem freundlichen Hallo gehe ich mit den Dreien in den Viktoriapark, um mir dort bei einem alkoholfreien Quartiermeister von ihrem Projekt und dessen Geschichte erzählen zu lassen.
Wie aus der ehemaligen Eckkneipe „Dudenschänke“ der unkommerzielle Begegnungsraum „Lokallabor Dudenschänke“ wurde? Das ist eine Geschichte mit vielen Umwegen. Sie beginnt mit Erika, der ehemaligen Wirtin. Sie führt die Eckkneipe 44 Jahre lang, bis sie es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kann. Johanna, die im selben Haus wohnt, bekommt ihr Fehlen mit. Sie studiert zusammen mit Tobi und Beatrix in Potsdam Urbane Zukunft. Sie alle haben sich im Zuge des Studiums viel mit dem rasanten globalen Wandel beschäftigt und mit Wegen, wie jeder seinen Platz darin finden kann.
„Die Welt steht nie still“, sagt Tobi. „Wir sind alle vom Wandel betroffen, aber erfahren und verstehen tun wir ihn alle unterschiedlich stark. Im Studium haben wir festgestellt, was es braucht, um die Allgemeinheit den Wandel begreifen zu lassen und sie darin als handelnde Akteur*innen direkt miteinzubeziehen. Das sind vor allem Räume, in denen die unterschiedlichen Menschen zusammenkommen können, um gemeinsam darüber zu reden, wie man den Wandel auf lokaler Ebene selbst mitgestalten kann und wie man dann auch selbst aktiv werden kann.“
„Das, womit wir uns die ganze Zeit theoretisch beschäftigt haben, tauchte dann - durch die ungenutzte Dudenschänke - plötzlich vor unseren Augen auf“, erzählt Johanna.
Also sprachen sie mit der Wirtin Erika und dem Vermieter, inwieweit sie den Raum übernehmen können. Dahinter stand auch der Antrieb, den Raum mit seiner Geschichte vor der Gentrifizierung und Kommerzialisierung, unter denen die Kiezkultur in Kreuzberg stark leidet, zu bewahren. Die Vision war und ist weiterhin: einen öffentlichen Raum zur Kommunikation in kultureller Eigeninitiative schaffen, mit dem Ziel, den Wandel, den man in der Welt sehen möchte, selbst auf lokaler Ebene herbeizuführen.
Darauf folgte der Prozess der Umsetzung. Eine Abschlussfeier für Erika markierte den symbolischen Segen für das Projekt. Bei sich anschließenden Bauwochenenden zur Umgestaltung der Dudenschänke gab es erste „Bondingmoments“ mit Menschen aus der Nachbarschaft, die über die Schwelle ins Unbekannte traten. Ungeachtet ihrer verschiedenen Hintergründe zogen sofort alle Beteiligten an einem Strang. Das gemeinsame Projekt, den globalen Wandel auf lokaler Ebene gemeinnützig mitzugestalten, sollte Wirklichkeit werden.
„Das war sehr schön zu sehen“, erinnert sich Tobi. „Menschen, die sonst nie etwas miteinander zu tun gehabt hätten, kamen trotz ihrer unterschiedlichen Ansichten zusammen, um gemeinsam zu arbeiten.“
Die offizielle Eröffnung fand dann am 15.2.2020 statt. „Die Resonanz war riesig. Über den Tag - der war fast so schön wie heute - kamen bestimmt 300 Leute. Alle waren neugierig, was denn jetzt hier passiert. Dann war da auch ein Dokumentarfilmer, aus der Eylauer Straße, der sich gar nicht angekündigt hatte.“
Die erste permanente Maßnahme, um mit den Menschen zu interagieren, war ein Wunschkasten – ein Briefkasten, in den jeder Mensch Wünsche und persönliche Anliegen einwerfen konnte, wie man den Raum nutzen und was für Projekte man starten könne. Die wurden dann für jede*n sichtbar hinter einem Fenster aufgehängt.
Auch wurde ein offenes „Stammtischtreffen“ etabliert und monatlich einberufen. „Beim ersten Mal waren direkt über 20 Leute da. Da gabs Leute, die gesagt haben: 'Das ist doch eine super Idee, da müssen wir uns überlegen, wie man das auf solide Beine stellt!' Und vom ersten Treffen an, war die Idee einer Vereinsgründung von den Leuten selbst in den Raum gestellt."
"So hat sich das von den ersten Gesprächen hin zu einer Gruppe entwickelt, die eine Satzung ausgearbeitet hat und dann, am 1. Juli, kam es zur Vereinsgründung“, erzählt Johanna.
Diese rasante Entwicklung fand während der Coronakrise statt. Der erste Lockdown kam, als das LoLaDu gerade einmal einen Monat alt war.
„Ja, das war echt hart“, berichtet Johanna.
Doch die Pandemie hat die Entwicklung nicht stoppen können.
„Wir haben im ersten Lockdown viel digitalisiert und dann coronakonforme Kulturprojekte organisiert.“ So gab es eine Kiezjamgruppe, die bei offenem Fenster gespielt und die leeren Straßen mit ihrer Musik geflutet hat. Es gab einen Märchenerzähler, der im Innenhof Märchen vorgetragen hat. Es gab den Coronachor, der auf einer Brücke mit viel Abstand sang. Es gab einen Menschen, der Briefe geschrieben hat, die über den Kontaktkasten und die LoLaDu-Leute an einsame Menschen verteilt wurden… „Da ist noch echt viel gelaufen“, freut sich Johanna.
Auch der Schenkestand vor der Dudenschänke, an dem jede*r Sachen der Allgemeinheit zuführen kann, ist weiterhin ein Ort und Mittel zur Interaktion mit anderen Menschen – wenn auch mit Kontaktbeschränkungen.
„Ich frage mich schon oft, wo wir ohne die Krise nun stehen würden, auch auf finanzieller Ebene“, sagt Beatrix. „Das war natürlich auch bitter – wir gehen in das Projekt mit unseren privaten Mitteln und bezahlen jeden Monat Miete für einen Raum, den wir faktisch kaum nutzen können.“
„Unsere Währung ist Begegnung“, ergänzt Tobi. „Genau das, was wir als Kernidee haben, nämlich dass sich Leute treffen, die sonst nicht zusammenkommen würden und miteinander sprechen und Ideen aushandeln – das konnte es auf einmal so nicht mehr geben.“
Immerhin konnte Quartiermeister mit dem Feuerwehrtopf ein kleines Finanzpolster liefern und die Miete mitfinanzieren.
„Es hilft uns dabei, uns durch das erste Quartal zu tragen“, sagt Johanna.
Wie die Finanzierung darüber hinaus aussieht, ist weiterhin unklar.
Problematisch ist, dass die meisten Förderungen zweckgebunden sind und es nur wenige Institutionen gibt, die Miete finanzieren. Ein Traum für die Zukunft ist, dass die Kosten durch Mitgliedsbeiträge des Vereins getragen werden können, aber das ist noch sehr fern.
Hier kommt die Möglichkeit aller ins Spiel, das Projekt zu unterstützen. Spenden auf das Konto des Vereins sind gerne gesehen und der direkteste Weg, die tolle Arbeit des LoLaDus weiterhin möglich zu machen. Auch eine Mitgliedschaft beim Lokallabor e.V. hilft dem Projekt ungemein.
Ich möchte noch wissen, mit welchem Gefühl die drei auf das vergangene Jahr zurückblicken.
„Wenn ich auf das letzte Jahr zurückblicke, überwiegt trotz der vielen Hürden, die große Freude und Dankbarkeit über das, was passieren konnte und über die Menschen, wie schnell sie bereit sind, aktiv zu werden“, sagt Johanna. „Es ist DIE Hardcoreerfahrung, die wir machen konnten und wir sind zusammen da durchgekommen. Diese Belastungsprobe hat uns sehr stark gemacht.“
Da stimmen alle zu.
Nichtsdestotrotz ist die Zukunft des LoLaDus weiterhin ungewiss.
„Vieles liegt auf Eis und die Dudenschänke ist für die Öffentlichkeit geschlossen. Aber wir bleiben weiterhin analog über den Kontaktkasten und digital über die Social-Media-Kanäle soweit es geht mit den Menschen in Kontakt.“
Alle freuen sich darauf, die Türen der Dudenschänke wieder offen zu sehen und ihr Engagement wieder ungehindert durchführen zu können. „Wenn es wieder losgeht wäre es am schönsten, wenn jeder einfach vorbeikommt und sich anschaut, was passiert. Im besten Fall werden noch viele weitere Menschen vom Spirit mitgerissen“, sagt Tobi abschließend.
Wir gehen zurück zur Dudenschänke, wo wir uns verabschieden.
Wenn sie wieder öffnet, werde ich auf jeden Fall vorbeikommen.
Und ihr? 😊
4. März 2021 10:49
erik.schiemannAls sich im Herbst 2020 die zweite Welle ankündigte, waren wir mitten im Restart unserer Fördertätigkeit. Die Zahlen im Sommer erlaubten es uns, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken und gemächlich mit neuen Förderrunden in den Städten Leipzig und Stuttgart zu beginnen. Spätestens während der zweiten Onlineabstimmung im November war allen klar, der zweite Lockdown wird kommen. Und er wird länger und härter ausfallen, als der Erste.
Diesmal konnten wir schneller reagieren, beantragten wieder Kurzarbeiter*innengeld, Überbrückungshilfen und KfW-geförderte Kredite. Wir können stolz behaupten, dass wir immer noch alle beisammen sind. Wir stehen die Zeit gemeinsam durch und konzentrieren uns nun im Rahmen unserer Möglichkeiten verstärkt auf den Vertrieb im Einzel- und im Versandhandel. Dabei gilt weiterhin: 10 Cent pro Liter fließen in unseren Fördertopf. Das ist unser Versprechen und dieses Versprechen werden wir versuchen, mit all unseren Mitteln zu halten.
Deswegen können wir transparent, dass trotz des schlechten Jahres 2020 - dank Menschen wie euch - insgesamt um die 45.000€ Fördergeld zusammengetrunken worden sind. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren das noch 55.000€, von denen ebenfalls 40.000€ noch nicht ausgeschüttet worden sind. Seit Beginn der Corona-Pandemie liegen also insgesamt 85.000€ on hold und wir haben uns dagegen entschieden, wie im Herbst 2020, frühzeitig damit zu starten, dieses Geld wieder peu a peu auszuschütten. Warum?
Zum einen, steht wie im ersten Lockdown der Substanzerhalt unseres Sozialunternehmens an oberster Stelle. Ohne eine funktionierende und handlungsfähige GmbH, keine Projektförderung. Gleichzeitig tritt nun zunehmend folgende Problematik auf: Solange wir staatliche Hilfen erhalten, bedeutet ein Restart der Förderung ein Weiterleiten staatlicher Finanzierungen, die eigentlich für die Existenzsicherung eines Unternehmens gedacht sind, an Dritte. Großkonzerne wie Daimler zeigen, dass das möglich ist! Trotz staatlicher Hilfen von über 700 Millionen Euro, will Daimler seine Gewinne dieses Jahr mit bis zu 1,5 Mrd. an seine Aktionäre auszahlen. Auch hier wird die Umschreibung „staatliche Hilfen zur Existenzsicherung“ vollkommen fehlinterpretiert, zu Lasten der Gesellschaft.
Wir wollen es anders machen. Wir wollen unsere „Gewinne“, also unsere Projektförderung aus eigener Performanz, sprich aus unseren eigenen Umsätzen und nicht aus staatlichen Hilfen, schöpfen. Wir wollen dabei vorausschauend agieren. Wir wollen, dass dabei kein einziger Euro verloren geht. Und genau deswegen müssen wir erst einmal die kommenden Monate abwarten und schauen, was da für ein (Bier)sommer auf uns zukommen wird. Wie viele unserer Gastro-Kund*innen bis dahin durchhalten werden! Wie viele von ihnen aus finanzieller Not heraus Quartiermeister aus dem Sortiment nehmen werden und Deals mit Großkonzernbieren eingehen werden. Weil die nämlich im Gegensatz zu uns, die gängige Praxis des „sich in den Laden einkaufens“ verfolgen. Wie viele Großveranstaltungen und Straßenfeste möglich sind! All diese bisher kaum absehbaren Variablen, erschweren jede Planung. Deswegen haben der Vorstand des Quartiermeister e.V., in Rücksprache mit der Geschäftsführung der GmbH, als auch dem Gründer von Quartiermeister gemeinsam entschieden, die Förderung vorerst bis zu Quartal drei 2021 komplett einzufrieren. Im Mai 2021 erfolgt dann ein weiteres Treffen, in dem entschieden wird, wie und unter welchen Bedingungen es wieder weitergeht. Fast wie eine glaubhafte und stabile Exitstrategie, auf Grundlage absehbarer und nachvollziehbarer Variablen nach dem Lockdown. Nur (hoffentlich) ein paar Monate später!
4. März 2021 10:29
gesa.hochPlastik ist allgegenwärtig. Als Verpackungsmaterial, in unserer Kleidung, als Müll auf den Straßen, in Flüssen und Meer. Weniger sichtbar, aber nicht minder bedrohlich ist Mikroplastik. Die kleinen Kunststoffpartikel, die nicht mehr als 5mm im Durchmesser messen, befinden sich auf unseren Böden, in der Luft, die wir atmen, wurden im arktischen Eis und in der Tiefsee gefunden - und auch in unseren Körpern. Pro Woche nehmen wir durchschnittlich 5 Gramm Mikroplastik zu uns. Das entspricht einer Kreditkarte. Na, schmeckt‘s?
Immer neue Studien belegen, dass Mikroplastik längst in diversen Lebensmitteln enthalten ist. Leider auch im Bier. Insbesondere viele Großkonzerne benutzen bei der Herstellung Polyvinylpolypyrrolidon. Bei dem Zungenbrecher, kurz PVPP, handelt es sich um ein Kunststoffgranulat, das dafür sorgt, dass Biere länger klar und haltbar bleiben. PVPP bindet die Gerbstoffe im Bier. Das Plastikgranulat wird dem Bier bei der Herstellung zwar wieder entzogen, verschiedene Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Rückstände im Bier bleiben.
Anders als bei vielen anderen Lebensmitteln, müssen diese von den Hersteller*innen nicht deklariert werden. Dabei sind die Zahlen alarmierend. Das Wirtschafts- und Verbrauchermagazin Markt hat Untersuchungen erhoben und bis zu 80 Mikropartikel pro Liter Bier in verschiedenen Sorten nachgewiesen. Deutsche Reinheitsgebot? – Pustekuchen.
Dabei geht es auch anders. Wir arbeiten bewusst mit Brauereien zusammen, die auf natürliche Filterung setzten und anstelle von Polyvinylpolypyrrolidon Kieselgur nutzen. Da bekommt man weder einen Knoten in die Zunge, noch schädliches Plastik in den Bauch.
Sicherlich ist die Bierproduktion nur ein kleiner Teil eines riesigen Problems. Ein Großteil der Massen an Plastik, die wir verbrauchen, landet in der Natur, zerfällt zu Mikroplastik und vergiftet das Ökosystem und letztlich uns Menschen. Wir müssen unser Konsumverhalten verändern und anfangen, (Mikro)Plastikmüll aktiv zu vermeiden. Das geht, indem wir weniger Auto fahren, recyceln statt wegzuwerfen, indem wir keine Fast-Fashion kaufen und auf mikroplastikfreie Körperpflegeprodukte und Alternativen für Einwegplastik setzten.
18. Februar 2021 08:31
gesa.hochEs ist genau ein Jahr her, als in Hanau ein grausamer Anschlag passiert. In der hessischen Stadt erschießt ein Mann neun Menschen. Anschließend ermordet er seine Mutter und danach schließlich auch sich selbst. Es ist seine rechtsextreme, menschenfeindliche Gesinnung, die den Täter antreibt und Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi und Fatih Saraçoğlu das Leben kostet.
Die Morde in Hanau, der Anschlag von Halle oder das Attentat auf den CDU-Politiker Lübcke führen auf grausame Weise vor Auge, was rechte, fremdenfeindliche Ideologien anrichten können. Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die rassistisch motivierte Tat damals als einen Angriff auf unsere Freiheit, versprach Aufklärung und appellierte an den Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Und heute?
Die Solidarisierung und Anteilnahme von Seiten der Gesellschaft und der Politik ist heute wie damals groß. Dennoch ist der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau, auch ein Jahr nach der Tat, nicht vollständig aufgeklärt und die Frage danach, ob die Morde zu verhindern gewesen wären, weiter unbeantwortet. Neben der Aufklärung vergangener Taten muss die Prävention solcher in den Vordergrund gelangen. Umso wichtiger, dass wir nicht vergessen und der Kampf gegen jegliche Form von Xenophobie weitergeht.
Auch wir gedenken der Opfer
und ihren Angehörigen.
Schaut nicht weg! Trotz Solidaritätsbekundungen: Rassismus ist allgegenwärtig und fängt bei weit weniger gravierenden Dingen an. Im Kampf gegen Rassismus ist nicht nur die Politik gefordert, sondern jede/r Einzelne. Seid aufmerksam, solidarisch, empathisch, setzt euch für einander und eine Gesellschaft zum Wohle aller ein!
13. Februar 2021 15:46
gesa.hochWir würden ihn gerne gekonnt ignorieren, aber seine aufdringliche Omnipräsenz macht es uns schwer. Ob man will oder nicht, ob verliebt, verlobt, verheiratet, sehnsüchtig suchend oder glücklich geschieden - jedes kleine Kind weiß: Am 14. Februar ist Valentinstag, der Tag der - Liebe?!
Wir würden ihn wohl eher den Tag der Kommerzialisierung oder der (einfallslosen) Klischees und des peinlichen Kitsches nennen. Ob Schokolade oder Pizza, alles wird in Herzform gepresst und tadaa – alles verkauft sich auf einmal besser. Der Valentinstag treibt den Umsatz des Einzelhandels jährlich um eine zusätzlich Milliarde Euro in die Höhe. Die meisten Kunden*innen investieren in Blumen, um ihrer romantischen Ader Ausdruck zu verleihen. Ob tote Pflanzen dabei wirklich dem sehnsüchtigen Wunsch des/r Partner*in entsprechen oder vielmehr eine gesellschaftliche Erwartung erfüllen, sei einmal dahingestellt… Nichts steht so sehr für den Valentinstag wie rote Rosen. Nur besonders grün sind diese leider nicht. Immer mehr Schnittblumen, die hier zu Lande verkauft werden, kommen aus Entwicklungsländern. Damit haben sie einen vergleichsweise hohen CO2-Abdruck für eine vergleichsweise kurze Lebensdauer und stellen – by the way - eine eher mittelmäßige Überraschung dar. Versucht es doch in diesem Jahr mit einer Alternative – nicht nur der/dem Partner*in zu Liebe, sondern auch der Umwelt!
Sicher ist der Umsatz-Peak dem Einzelhandel nach dem schweren Corona-Jahr gegönnt, wäre nur die Botschaft, die die Valentins-Industrie postuliert, nicht so fatal. Denn die Romantik-Propaganda zementiert hier besonders ein Bild: Das der glückseligen, heteronormativen Beziehung. Ein Mann und eine Frau und ein vermeintliches Ideal ihrer Verschmelzung. Damit werden erneut sämtliche Personengruppen marginalisiert. Am Valentinstag werden Gender-Stereotype so sichtbar wie in Frauenmagazinen. Was der Kommerz des heutigen Tages als Liebe und Romantik verkauft, hat in der Realität viele Gesichter, Facetten und ist ganz sicher nicht auf einen Tag terminiert.
Wir verzichten auf Blumen und greifen lieber zum Bier. Übrigens nicht nur am Valentinstag.
23. Januar 2021 10:43
aylin.petersIm Februar letzten Jahres hatten wir die Chance den Verein Back on Track e.V., der 2016 gegründet wurde, mit insgesamt 2000€ zu unterstützen. Das Geld wurde für den Kauf einer benötigten, neuen Bestuhlung für den Seminarraum ausgegeben. Im Dezember letzten Jahres sind dann endlich die lang ersehnten Stühle angekommen! Das wollten wir uns nicht entgehen lassen und sind Petra, die Projektleiterin, in der Hauptgeschäftsstelle des Vereins an einem frühen Mittwochmorgen besuchen gegangen. Noch bevor der Betrieb unter den aktuellen Maßnahmen begann, haben wir die neue Bestuhlung bestaunt, um es uns dann bei einem Kaffee gemütlich zu machen und ausgiebig zu quatschen.
Zu allererst wollen wir wissen, wie es zur Vereinsgründung kam. Petra erzählt uns, dass sie selbst vierzehn Jahre in Syrien gelebt hat und wegen des beginnenden Bürgerkriegs gemeinsam mit ihren Kindern nach Berlin flüchtete. Ihre beiden Töchter sind in Syrien zur Schule gegangen und mussten in Deutschland die Erfahrung machen, dass das Schulsystem nicht besonders offen ist. Ihre ältere Tochter war in Damaskus kurz vor dem Abitur, hier wurde ihr aber dazu geraten „doch lieber eine Lehre zu machen“. Die Jüngere hingegen hatte das Glück an eine Pilotschule für selbstorganisiertes Lernen zu kommen, an der sie total aufgeblüht ist. Die Lehrer*innen dort haben ihre Potenziale und Ressourcen gesehen, genutzt und gefördert. Diese Beobachtung war der Motor für Petra. Hinzu kam die Erkenntnis, dass es für Familien die kein Deutsch sprechen und das deutsche Schulsystem nicht kennen, noch schwerer ist, ihre Kinder zu unterstützen und durch das System zu boxen. Die Erfahrungen an Schulen sind größtenteils entmutigend, sodass viele Kinder durch die großen Lernlücken total aus dem Bildungssystem rausfallen und einfach nicht mehr reinkommen. Petra beschloss damals, etwas dagegen zu unternehmen. Mit ihren persönlichen Erfahrungen im Hinterkopf, startete sie einen Aufruf auf Facebook, um Menschen zu gewinnen, die sie bei ihrem Vorhaben unterstützen. Ihr Anliegen: Kindern genau diese Hilfestellung zu leisten, die sie nirgends bekommen, aber brauchen, um durch das Schulsystem zu kommen und nicht von Anfang an hinten runter zu fallen. Viel Arbeit, Sturheit und Schweiß später, hat es sich gelohnt, denn Back on Track ist sehr stark gewachsen, mittlerweile zählt der Verein 11 Angestellte, 7 ständig anwesende Ehrenamtliche, 43 Mentor*innen und insgesamt 150 Kinder. Der Bedarf ist unglaublich groß, da die Schulen überfordert sind. „Wir brauchen eigentlich keine Flyer verteilen, wir haben mehr Nachfrage als wir Möglichkeiten haben.“ ,erzählt uns Petra.
Aber was macht Back on Track denn nun genau? Der Verein schafft ein spezielles Angebot für geflüchtete syrische und irakische Kinder und Jugendliche, die durch die Flucht nicht zur Schule gehen können und somit Lernlücken haben. Ziel des Vereins ist es, dass sie mithilfe des besonderen Konzepts des selbstorganisierten Lernens den Bildungsstand zu gleichaltrigen Mitschüler*innen aufschließen können, um z.B. den MSA zu schaffen. Die Kinder und Jugendlichen können dafür einmal die Woche kostenlos in die verschiedenen Kiezzentren kommen, wo es offene Treffen ohne Zwang und unabhängig von der Schule gibt. Dort können sie dann gemeinsam mit einem/einer Mentor*in den von ihnen gewählten Unterrichtsstoff in ihrem Tempo behandeln. Kernelement ist dabei, dass die Mentor*innen sie in der Muttersprache unterstützen, mit dem Ziel, dass die Kinder wieder verstärkt Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten bekommen.
Back on Track verfolgt das Konzept des selbstorganisierten Lernens. Petra erklärt uns, dass du dabei selbst entscheiden kannst, was du machen möchtest, was du dafür brauchst und in welchem Tempo gearbeitet wird. Denn das Wichtigste, was die Kinder und Jugendlichen nach so einer Erfahrung brauchen, ist jemand, der sich daneben stellt und sagt: „Du bist in Ordnung, du kannst das alleine schaffen und wir helfen dir dabei!“ Es wird außerdem viel Wert auf einen sensiblen Umgang gelegt, weshalb alle Mentor*innen eine spezielle Ausbildung absolvieren. So wissen sie, was Traumata mit Kindern machen und welche Auswirkungen das aufs Lernen hat, sodass sie auf ihre Bedürfnisse angepasst reagieren können.
Zum Schluss wollen wir außerdem gerne noch von Petra wissen, weshalb die neue Bestuhlung so dringend notwendig war. Die Projektleiterin erzählt uns, dass sie zunächst gebrauchte Stühle nutzten, als sie in die neue Geschäftsstelle einzogen. Einfach weil das Geld fehlte. Diese sind dann mit der Zeit immer instabiler geworden und teilweise sogar unter den Teilnehmer*innen zusammengebrochen. Den Mentor*innen und Schüler*innen hat es dann irgendwann gereicht. Sie forderten: „Könnt ihr euch nicht endlich neue Stühle anschaffen?“. Die niedrigschwellige Quartiermeisterförderung machte es möglich.
Das Problem in den Schulen ist leider nicht mit ein paar Jahren Arbeit getan. Es herrscht ein strukturelles Problem vor. Immigrierte Kinder werden systematisch benachteiligt. Es gibt keine bis wenige sensibilisierte Fachkräfte für Menschen mit Fluchterfahrungen. Bildung ist essentiell und bildet den Grundstein für die Zukunft eines jeden Menschen. Umso wichtiger ist es, dass es solche Initiativen wie Back on Track gibt, die genau an diesem Punkt Veränderung schaffen.
4. Januar 2021 14:12
lisa.wiedemuthAuch wenn der zweite Lockdown ordentlich auf die Stimmung schlägt, für zwei Projekte aus unserer Onlineabstimmung gibt es auf jeden Fall mindestens einen Grund zum Feiern. Ihr habt entschieden, welche Initiativen unsere allererste Förderung in Stuttgart von jeweils 500€ erhalten. Mit dem Ergebnis setzt ihr ein klares Zeichen für ein grünes Stuttgart. Hier verkünden wir das Ergebnis:
Mit 154 Stimmen belegt die Wanderbaumallee Platz 1.
Mit wandernden Bäumen, Beeten und Bänken macht die Wanderbaumallee die Vision eines lebenswerten, grünen, öffentlichen Raumes für die Nachbarschaft erlebbar. 2021 möchte der Verein fünf Stuttgarter Straßen für je einen Monat verwandeln. Die Quartiermeisterförderung fließt dabei in die Umsetzung einzelner, niedrigschwelliger Veranstaltungsformate vor Ort.
Mit 141 Stimmen belegt die geplante Tröpfchenbewässerung des Stadtacker e.V. Platz 2
Die gemeinschaftlich genutzten Hochbeete des Stadtacker e.V. sollen mit einer Tröpfchenbewässerung ausgestattet werden. Der Strom für das wassersparende System wird aus einem installierten Solarpanel mit Autobatterie gespeist. Alle Komponenten dieses ökologischen Wasserspenders sollen möglichst second-hand gekauft und durch die Quartiermeisterförderung gedeckt werden.
Ganz knapp dahinter hat es für das freie Lastenrad (132 Stimmen) und das inklusive Praktikum (99 Stimmen) leider nicht gereicht. Wir wünschen den Projekten jedoch für ihr weiteres Schaffen viel Erfolg, rufen dazu auf, es in den kommenden Runden wieder zu probieren und sind auch immer offen für andere Formen der Zusammenarbeit und Unterstüzung!
1. Dezember 2020 09:12
lisa.wiedemuthAls der Quartiermeister Verein diesen Oktober wieder mit der Förderung starten konnte, freuten wir uns wie bolle. Die Freude wuchs noch stärker, als wir die Bewerbungen sichten konnten und feststellten, wieviele tolle Ideen und engagierte Menschen sich in Leipzig für die gute Nachbarschaft einsetzen. Umso beruhigter waren wir, die endgültige Entscheidung, welche drei Projekte mit 1000€ gefördert werden, in die Hände der Crowd zu geben. Über 800 Menschen haben sich im Onlinevoting für ihre zwei Favoriten entschieden. Hier veröffentlichen wir nun das endgültige Ergebnis:
Auf den ersten drei Plätzen und damit Teil unserer Förderung sind:
1. Verschenkekiste (481 Stimmen)
Die Initiative möchte einen Umsonstladen im Leipziger Osten einrichten und nutzt unsere Förderung für die Renovierung und Ausstattung des Ladengeschäfts. Wir sind gespannt, wie der Ort des Miteinanders und des gegenseitigen Unterstützens aussehen wird.
2. Kontaktstelle Wohnen (349 Stimmen)
Die Initiative konnte bisher über 1200 geflüchtete Menschen in Leipzig dabei unterstützen, die eigenen vier Wände zu beziehen und so ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland zu beginnen. Mit unserer Förderung werden die Eigenmittel des Vereins aufgestockt und der Beratungsraum mit einer Sofa- und Spielecke ausgestattet.
3. CleanUp Leipzig (222 Stimmen)
Bei den gemeinsamen und ehrenamtlichen Aufräumaktionen kommen bis zu fünfzig Menschen zusammen und machen die Leipziger Nachbarschaften schöner und lebenswerter. Mit unserer Förderung will die Initiative ihr Depot an Müllgreifern etc. aufrüsten bzw. Öffentlichkeitsmaterialien entwerfen und drucken, damit zukünftig noch mehr Menschen erreicht werden und mitmachen können.
Ganz knapp hat es für den Mitmachgarten Wirrwuchs (220 Stimmen) , die Ostwache Leipzig (180 Stimmen) und den inklusiven Sportverein Rhinos Leipzig e.V. (158 Stimmen) nicht gereicht. Wir wünschen euch jedoch für euer weiteres Schaffen viel Erfolg, rufen euch dazu auf, euch jederzeit in neuen Runden wieder zu bewerben und sind auch immer wieder offen für andere Formen der Zusammenarbeit und Unterstüzung!
In den kommenden Wochen werden unsere Vereinsmitglieder die Projekte besuchen und über deren Engagement aus nächster Nähe berichten! Ihr dürft also gespannt bleiben! Wen die Votingwut nun richtig gepackt hat, dem empfehlen wir, gleich in der nächsten Runde mitzubestimmen. Bis Ende Dezember läuft unsere erste Förderung in Stuttgart. Auch dort sind spannende Initiativen dabei, die sich über eure Stimme freuen!
24. November 2020 12:36
nele.ilicMit dem Denk- und Produktionsort Libken e.V. hat Quartiermeister dieses Jahr zum ersten Mal ein Projekt im ländlichen Raum gefördert. In einem Skype-Gespräch habe ich mit Kim, Louis und Christoph darüber gesprochen, was ihre Arbeit ausmacht und was sie mit der Quartiermeister-Förderung gemacht haben.
Womit beschäftigt sich euer Projekt?
Kim: Den Denk- und Produktionsort Libken e.V. gibt es seit sechs Jahren. Hier sind Menschengruppen und eingeladen, mit einem bestimmten Vorhaben, an einem bestimmten Projekt zu arbeiten. Das ist relativ weit gefasst: es kommen Leute aus der Kunst, der Kulturszene, Leute, die politische Arbeit, aktivistische Arbeit machen. Wichtig ist nur, dass es ein konkretes Vorhaben ist. Die Leute können dann zwischen 3 Tagen und 5 Monaten hier arbeiten. Nebenher schreiben wir auch Stipendien aus. Und wir sind in einem Neubau aus 1964, der von LPG- Arbeiter*innen zum Wohnen genutzt wurde. Es wohnen ein paar Leute bei uns, und dann gibt es noch den Verein, der das Ganze prägt und bespielt und ein Kollektiv, das den Residenzbetrieb macht. Wir drei sind Teil von diesem Kollektiv.
Louis: Viel funktioniert über den Schnittpunkt Kultur oder Kunst. Von Personen, die Theaterstücke schreiben, oder queeren Themen, oder Kinderbüchern, Leute, die sich in ökologischen Bereichen engagieren. Wir geben einen Rückzugsraum für Leute, die an gesellschaftlichen Problemen arbeiten, die z.B. antirassistische Arbeit machen. Es ist unser Anliegen, Leute zu fördern, die solche Arbeit machen. Grundsätzlich gilt, dass wir auch nicht allen Projekten Raum geben, sondern wir fördern die Projekte, die für uns interessant sind und bei denen wir einen emanzipatorischen Ansatz sehen. Dabei ist es auch wichtig, marginalisierten Leuten Raum zu geben. Darüber hinaus sind wir hier kulturarbeiterisch tätig, machen Veranstaltungen vor Ort und versuchen, einen Austausch herzustellen, auch mit der Stipendiatin, die mit dem Kunst- und Umweltstipendium sich mit der Umgebung auseinandersetzt, sich mit der Vergangenheit hier beschäftigen, mit der Treuhand zum Beispiel. Durch das Gebäude und die Umgebung haben wir hier viele geschichtliche Anknüpfungspunkte und sind sehr daran interessiert, uns darin zu positionieren. Wir sind auch mit unserer Position als neu Dazukommende kritisch, aber auch mit dem, was schon hier war.
Kim: Und als Betrieb versuchen wir, anders zu wirtschaften und uns kapitalistischen Logiken zu entziehen, versuchen solidarisch nach innen und nach außen zu sein. Wir gestalten unser Preissystem solidarisch und erproben da: wie kann Zusammenarbeit funktionieren, die sich besser anfühlt?
Ihr habt euch bei Quartiermeister auf die Förderung für den Bau einer barrierefreien Toilette beworben. Konntet ihr die Toilette bauen? Wie lief das?
Louis: Das war abenteuerlich. Das fiel alles in die Anfangszeit von Corona. Wir wollten eigentlich so einen Seecontainer ausbauen. Dann ging Corona los und die Preise von Containern sind in die Decke gegangen, sodass das nicht mehr finanzierbar war mit nem Container und es gab auch einfach keine mehr, weil der ganze Überseehandel zum Erliegen gekommen ist. Dann haben wir stattdessen ein altes DDR-Pförtnerhäuschen gefunden und ausgebaut über zweieinhalb Monate.
Christoph: Dafür haben wir erst ein tiefes Loch gegraben, da ist jetzt das Herz des Ganzen drin, der Kompostiertank. Es ist ein Trockenklo, das heißt, es gibt kein Wasser. Danach wurde dieser Kiosk drüber geschoben und dann haben wir den Innenausbau begonnen: wir haben innen alles neu gemacht, vertäfelt mit Holzlatten, mit gelben beschichteten Platten, haben eine barrierefreie Toilette reingebaut, Waschbecken zum Runterfahren, eine Rampe, und noch ein Trockenpissoir. Seit zwei Wochen gibt’s auch Strom und Licht. Es funktioniert jetzt als Klo für alles, was im Garten, im weiträumigen Gelände und im Veranstaltungsraum stattfindet. Sodass die Leute nicht immer in den Block reinmüssen, um auf Toilette zu gehen. Hat halt viele Scheiben, das ist bisschen ungewöhnlich für ein Klo. Die sind so bisschen abgeklebt mit so Milchfolie.
Louis: Ein schönes Klo, kann man sagen.
Christoph: Eigentlich ein super Klo. Ich glaube, es wird genau das tun, was es tun soll. Naja, es ist vor allem sehr umweltfreundlich. Man wird diesen Kanister wahrscheinlich so einmal im Jahr leeren müssen, das war‘s. Es gibt da keine Wasserverschwendung.
Louis: Wir haben auch den ganzen Veranstaltungsraum so umgebaut, dass der auch barrierefrei ist, das hängt natürlich alles zusammen. Wir haben jetzt erstmalig die Möglichkeit, hier Veranstaltungen zu machen und Leute im Rollstuhl können hierherkommen, können auf Toilette gehen, und das ist schon sehr cool.
Wie ist euer Verhältnis zu mit euren Nachbar*innen? Seid ihr viel im Austausch mit Leuten aus der Umgebung?
Christoph: Ich würde den Kontakt als gut bezeichnen. Der ist vorhanden, mehr oder weniger.
Louis: mit manchen.
Christoph: Wir merken auch, dass man das manchmal gar nicht so genau weiß, es kommt nie jemand und beschwert sich. Ist das ein gutes Zeichen? Vielleicht.
Louis: Dann gibt’s ein paar Leute, die finden das total cool, und kommen zu Veranstaltungen, aber sind die jetzt repräsentativ? Können wir deswegen sagen, wir haben ein gutes Verhältnis zu unseren Nachbar*innen? Wir versuchen uns auch in der Region zu verorten und nicht nur im Dorf, deswegen ist das Verhältnis gar nicht so viel anders als in der Stadt einem Bezirk zu sein. Bestimmte Leute erreichen wir, bestimmte Leute würden wir gerne mehr erreichen. Und immer wieder entstehen auch neue Begegnungen. Aber so pauschal von einem guten Verhältnis kann man jetzt nicht reden.
Kim: Aber das ist ja auch total ok.
Louis: Wir haben die Unterstützung von der Gemeinde, wir können gut zusammenarbeiten.
Kim: Leute rufen uns an, wenn sie ihre Häuser entrümpeln und fragen, ob wir Betten brauchen oder Matratzen und so.
Christoph: Wir sind immer mit der Gemeinde in Kontakt, wir gehen zum Teil auf die Sitzungen. Ich glaube, man nimmt uns schon sehr stark wahr. Ist ja jetzt auch nicht mini was wir machen. Aber dann ist es doch irgendwie mini, weil es so verschwindet in der weiten Landschaft.
Kim: Es gibt eine Frau im Dorf, die sitzt im Rollstuhl und hat sich total gefreut, dass wir jetzt eine barrierefreie Toilette gebaut haben.
Louis: Jetzt muss sie nicht mehr extra nach Hause gehen, um auf Toilette zu gehen. Sonst könnte sie eigentlich nicht kommen, jetzt geht das ganz entspannt. Im Grunde sind halt ganz viele Veranstaltungen, die wir machen, wenn wir eine Ausstellung machen oder mal einen Barabend oder solche Sachen, da entstehen dann diese nachbarschaftlichen Momente und da gibt’s auf jeden Fall Leute, die Lust haben auf diese Verknüpfung.
Wie kann jede*r Einzelne von uns das Projekt unterstützen?
Louis: Auf jeden Fall mit interessanten Projekten hierherkommen. Wir wollen natürlich immer interessante Leute hier haben, die interessante Sachen vorhaben.
Kim: Das ist immer cool, da unterstützen wir uns dann gegenseitig. Ich finde, das ist die beste Art der Unterstützung.
Louis: Eine einseitige Form der Unterstützung ist mit ner Spende. Was natürlich auch eine sehr schöne Form ist.
Kim: Man kann uns auch supporten, indem man zu unseren Veranstaltungen kommt.
Louis: Und indem man anderen Leuten von unserem Projekt erzählt.