2. September 2020 13:52
annika.bruemmerMit kleinen, aber feinen Schritten bahnt sich Quartiermeister seinen Weg in die Alpenrepublik. Seit kurzem könnt ihr den besten Gerstensaft in Wien zu euch nehmen und so zum guten Zweck „beitrinken“. Vorerst beschränkt sich die Verfügbarkeit auf das Cafe Schopenhauer, die Nelke und dem Zweistern. Bei den juicebrothers könnt ihr außerdem direkt bestellen und euch unser Bier direkt vor die Haustür karren lassen.
Alle weiteren Entwicklungen könnt ihr natürlich auf unserer Bier gibt’s hier-Map verfolgen.
Verantwortlich für den ersten Schritt über die deutsche Grenze ist Walter, unser neuester Quartiermeister. Walter ist Kellner, Barkeeper, Veranstalter und (gesellschafts-)politischer Aktivist in einem und unterstützt uns seit einigen Wochen im Vertrieb innerhalb Wiens.
Darauf ein Prost, Baba und #zumwohlealler
2. September 2020 12:52
annika.bruemmerBenni ist unsere Münchner Vertriebsmaschine und hält in Bayern die Fahne hoch. Offiziell wäre Bennis Vertrag während des Lockdowns ausgelaufen. Trotz Kurzarbeit und düsteren Prognosen wurde dieser verlängert – juhey! Wie die letzten Monate für Benni waren, lest ihr im Interview.
Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?
Zuerst habe ich mir nicht wirklich etwas dabei gedacht. Das ist ja leider oft so. Krisen, die in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten vorherrschen, scheinen so weit weg. Man hat den Eindruck, dass es einen selbst gar nicht betrifft, geschwiege denn die eigene Comfort-Zone oder die eigene Gesundheit …
Ab wann hast du Corona als Bedrohung für dich, deine Freunde und Familie und auch für Quartiermeister angesehen?
Ich hatte das erste Mal ein mulmiges Gefühl, als der erste Corona-Fall in Deutschland – der war ja sogar bei München – aufgetreten ist. Zeitgleich haben wir Quartiermeister auf die ISPO, eine sehr große Messe in München, geschickt. Dort gab es schon ein Hygiene-Konzept mit vielen Desinfektions-Stellen. Trotzdem habe ich mir die Wochen danach immer noch nicht viel bei Corona gedacht. Der Knackpunkt kam dann tatsächlich aus dem beruflichen Feld, als es hieß, dass wir ab April alle in Kurzarbeit gehen werden. Das war Mitte März. Dann habe ich endlich gecheckt: Hoppla, das ist eine wirkliche Bedrohung. Vor allem habe ich mir dann Sorgen um meine Eltern gemacht, die genau in die Risikogruppe fallen.
Du bist seit Mai 2019 bei Quartiermeister und hattest zunächst einen befristeten Vertrag, der Mitte Mai ausgelaufen wäre. Er wurde jedoch verlängert. War das überraschend für dich in Anbetracht der kritischen Lage, in der sich Quartiermeister zu dem Zeitpunkt befand?
Ganz grundsätzlich habe ich mich ab Sekunde Null mit den Werten von Quartiermeister identifizieren können. Anders kann man wahrscheinlich auch gar kein Bier verkaufen. Also hinter dem man nicht steht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass Quartiermeister diesen solidarischen, kollektivistischen Gedanken nicht nur nach außen trägt, sondern auch nach innen lebt. Das hat sich mit der Vertragsverlängerung mitten im knallharten Lockdown noch mal kondensiert abgezeichnet. Das hatte viel mit Wertschätzung zu tun. Es wäre für Quartiermeister leicht gewesen, zu sagen: München ist noch im Aufbau, da läufts noch nicht so wie in Berlin, das kappen wir jetzt. Das wurde aber nicht gemacht. Und das hat mir noch einmal gezeigt, wie geil Quartiermeister nach innen und nach außen funktioniert.
Hattest du Angst, dass dein Vertrag nicht verlängert werden würde?
Angst ist vielleicht ein zu großes Wort, aber natürlich habe ich mir Gedanken gemacht. Dadurch, dass für Quartiermeister auf einmal finanzielle Probleme durch Corona entstanden sind, habe ich schon gezweifelt, ob die Münchner Vertriebsstelle überhaupt wichtig genug ist. Aber richtige Angst war das wahrscheinlich nicht.
Du bist für den Vertrieb von Quartiermeister in München zuständig. Dort ist das Bier weit weniger etabliert als in Berlin oder im Osten Deutschlands. Es liegt also noch eine Menge Arbeit vor dir. Würdest du sagen, dass Corona dir diese Arbeit zusätzlich erschwert hat?
Stimmt, München und der Süden im Allgemeinen ist im Aufbau. Es gab zwar vor mir auch schon Quartiermeister in München, allerdings nie mit einer Vollzeit-Vertriebsstelle. Dadurch dass durch mich mehr Stunden zu Verfügung standen, konnte innerhalb des letzten Jahres auch mehr passieren. Wir haben seit 2019 ein Lager (lacht). Wir haben nach Jahren endlich einen Händler in München. Das waren Strukturen, die schon vor Corona aufgebaut wurden. Insofern hat Corona den Aufbau in München nicht erschwert, es hat ihn nur stillgelegt.
Wie hat sich deine Arbeit verändert als die gesamte Gastronomie erst mal dicht gemacht hat?
Als der Gastro-Stillstand kam, war das krass, aber ich habe diesen Schritt für die richtige Maßnahme gehalten. Trotzdem war das natürlich ein richtiges Brett. Aber da Quartiermeister in München mittlerweile auch im Bio-Einzelhandel vertreten ist, habe ich mich einfach mehr darum gekümmert. Die wenigen Stunden, die ich wegen Kurzarbeit zur Verfügung hatte, wurden durch die Betreuung des Bio-Einzelhandels gut gefüllt. Das war auch sehr betreuungsintensiv, weil der Lebensmitteleinzelhandel mit ganz anderen Problemen konfrontiert war. Würde Quartiermeister Mehl oder Hefe machen, hätten uns alle Läden unsere Produkte abgekauft, aber Bier stand da nun mal nicht ganz so weit oben auf der Liste. Da galt es dann, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass wir als Sozialunternehmen gerade in so einer Phase auch Unterstützung vom Handel brauchen. Meine Arbeit hat sich also von der Gastro eher zum Bio-Handel verschoben. Nicht zu vergessen sind natürlich Kioske und Getränkemärkte, die während des Lockdowns tapfer die Stellung gehalten haben. Schon vor Corona waren das wichtige Vertriebskanäle, sind aber auf einen Schlag noch mehr in den Fokus gerückt.
Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine zukünftige Arbeit ein? Machst du irgendetwas anders? Gibt es ggf. auch positive Entwicklungen?
Was mir im klassischen Verkaufsgespräch wirklich positiv auffällt, ist das Verständnis füreinander. Irgendwie hocken doch alle im gleichen Boot. Das finde ich positiv, dass man schnell auf einer Ebene ist. Ich kann den Gastronomen besser verstehen und er mich. Ganz grundsätzlich habe ich in den letzten zwei bis drei Monaten die Erfahrung gemacht, dass sich Gastronomen mehr Zeit nehmen und auch die Qualität von guten Produkten wertschätzen. Das hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass über die Corona-Krise ein Spotlight auf die Lebensmittelindustrie gefallen ist, also wie schlimm da teilweise die Bedingungen sind. Umso mehr wissen Leute jetzt wertzuschätzen, was ein gutes Produkt ausmacht.
Du bist neben der Vereinszelle der einzige Quartiermeister in München. Wie ging es dir denn als Einzelkämpfer als plötzlich die Uhren stehen blieben?
Ich habe da wirklich eine positive Entwicklung erkannt, einfach, weil wir noch enger im Austausch standen. Die Berliner*innen haben montags ja immer ihre Meisterrunde um 10 Uhr. Daran konnte ich als Münchner natürlich nie teilnehmen. Und jetzt bin ich dabei – weil die Meisterrunde digital ist. Das finde ich geil! Das ist ein toller Start in die Woche und schon allein die halbe Stunde jeden Montag zu hören, wie es den Kolleg*innen geht, macht Spaß und ich fühle mich weniger allein (lacht). In der Münchner Vereinszelle wars die letzten Monate auch sehr still. Jetzt gabs aber kürzlich wieder ein Vereinstreffen, was schön war. Da haben wir auch mal wieder schön gesoffen (lacht). Das hat gutgetan.
Quartiermeister würde gerne – wenn es die Zahlen erlauben – im vierten Quartal die Förderung wiederaufnehmen. Wie geht’s dir damit, zu wissen, dass in München dieses Jahr bislang noch keine Fördergelder ausgeschüttet werden konnten?
Ja, das ist natürlich scheiße, denn deshalb gehe ich schließlich jeden Tag ausm Haus. Ich verkaufe Bier, um damit Fördergelder für Projekte einzusammeln. Ich gehe nicht für vermeintliche externe Investoren raus, sondern für die Projekte. Das ist natürlich doof, wenn ich dann dieses Verkaufsargument nicht mehr habe. Aber tatsächlich versteht das auch jeder, dass wir bislang wegen des Liquiditätsengpasses nicht fördern konnten. Es macht nur Sinn, die Förderung erst einmal auf Eis zu legen. Ich freue mich aber natürlich, wenn es dieses Jahr noch klappt.
Was würdest du im Falle einer zweiten Welle und einem zweiten Lockdown anders machen?
Boah, mehr Klopapier und Nudeln kaufen (lacht)? Nee, also ich würde wahrscheinlich nichts anders machen. Ich würde versuchen, entspannter zu sein. Ich mein, wir waren alle auf einmal in Kurzarbeit, auch weil es einfach keine Arbeit mehr für uns gab. Trotzdem stand ich irgendwie mehr unter Strom als während einer 40-Stunden-Woche. Im Falle einer zweiten Welle würde ich versuchen, mehr runterzukommen und entspannter zu sein.
Möchtest du noch etwas loswerden?
Ich hoffe, dass die Anzahl an Spinnern, die gegen Maskenpflicht demonstrieren, nicht weiterwächst. Außerdem möchte ich an die Vernunft appellieren: Alle Leute sollen bitte weiterhin vorsichtig sein. Und natürlich viel Quartiermeister trinken.
27. August 2020 08:12
annika.bruemmerAndre ist eines der ältesten Eisen von Quartiermeister. Gemeinsam mit Alex (Vorstandsmitglied vom Quartiermeister e.V.) hat er die Städte Dresden und Leipzig aufgeb(r)aut und seit nunmehr 5 Jahren für den Vertrieb in der Region Ost zuständig. Wie Andre die letzten Monate empfand, erfahrt ihr im Interview.
Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?
Zum Anfang als es losging mit den Berichten aus China war das Thema Corona noch sehr weit weg und gar nicht richtig greifbar. Dass das Virus irgendwann Deutschland treffen würde, war Anfang des Jahres sehr unreal für mich.
Ab wann hast du Corona als Bedrohung für dich, deine Freunde und Familie, aber für Quartiermeister angesehen?
Als es erste Fälle in Deutschland gab und die Bundesregierung geraten hat, Läden zu schließen, habe ich die Lage als bedrohlicher angesehen. Nicht als bedrohlich für mich persönlich, weil ich keine Vorerkrankungen habe und mich nicht der Risikogruppe zuordne. Für meine Oma hingegen, die mittlerweile 95 Jahre alt ist, bedeutet Corona natürlich schon eine Bedrohung. Wir haben überlegt, wie für sie die nächsten Monate aussehen werden.
Für Quartiermeister habe ich Corona nie richtig als Bedrohung angesehen, weil ich mir sicher war, dass wir durch den Einzelhandel so gut aufgestellt sind, dass wir auf jeden Fall durchkommen. Das habe ich zumindest gehofft.
Du warst also immer zuversichtlich?
Schon. Ich feier meinen Job seit fünf Jahren ab. Dass eine externe Sache meine Arbeit aus fünf Jahren einstürzen lässt, hab ich einfach nicht geglaubt. So wie Quartiermeister aufgestellt ist, habe ich es nicht für möglich gehalten, dass uns Corona so hart treffen wird wie andere Unternehmen.
Du bist als Vertriebler für die Region Ost als einziger Quartiermeister in Dresden stationiert. Damit kommst du normalerweise gut klar. Hat sich daran in Zeiten von Corona etwas verändert?
So anders war es ja gar nicht. Das ist ja das Spannende, dass der Kontakt zum restlichen Team mir gar nicht gefehlt hat, da ich die anderen normalerweise auch nur vier Mal pro Jahr sehe. Wenn wir kommuniziert haben, dann eh meistens über Telefon. Deshalb hat sich für mich persönlich gar nicht viel verändert. Ich fand das alles ganz ok. Klar, fanden die Quartals- und die Halbjahresauswertung nicht wirklich statt. Nur digital. Das war schon traurig. Aber das ändert sich ja hoffentlich wieder, sodass wir wieder zusammen abhängen können. Dass ich die anderen nun drei Mal pro Woche hätte sehen wollen, war vorher nicht und war auch während Corona nicht (lacht).
Du betreust sowohl die Gastro als auch den Handel in deinen Vertriebsgebieten. Wie ging es dir als die gesamte Gastro dicht gemacht hat?
Persönlich halte ich mich nur in der Dresdner Neustadt oder im Hechtviertel auf. Diese Gegenden sind normalerweise stark von Touristen oder Menschen aus den anderen Vierteln bevölkert. Das war zu Zeiten von Corona natürlich ganz anders. Die Gastro war zwar dicht, aber die Leute waren trotzdem draußen, aber halt nur die Neustädter. Die Stadt war dann irgendwie so, wie wir sie uns immer vorstellen: weniger los, weniger Geschreie, nicht so viele Autos, keine E-Scooter,… Die Stimmung war wie an Weihnachten, wenn alle, die nicht aus der Region kommen, nach Hause fahren und nur noch die Locals da sind.
Klar ist es aber auch mein Job, Bier in die Gastronomie zu verkaufen. Während des Lockdowns habe ich mit einigen Gastronomen gesprochen, weil der Kontakt über das Berufliche hinausgeht. Für die Leute war das natürlich echt schwierig, aber einige haben schon versucht, die Zeit für sich zu nutzen, mal durchzuatmen oder zu renovieren.
Wie teilt sich deine Vertriebsarbeit prozentual in Gastronomie und Handel auf?
Ich mache um die 20-25 % Vertrieb im Einzelhandel, 10-15 % für Veranstaltungen und den Großteil meiner Arbeit investiere ich in die Gastronomie. Das Verhältnis hat sich – seitdem es langsam wieder losgeht – auch gar nicht so sehr verändert, nur dass ich durch Kurzarbeit weniger Stunden zur Verfügung habe. Ich habe auch das Gefühl, dass die Leute in der Gastronomie jetzt wieder richtig loslegen wollen. Nur den Teil, den ich normalerweise in Events stecke, fällt weg. Den nutze ich nun eher für den Vertrieb im Handel.
Wie war es denn während des Lockdowns? Da konntest du ja gar nicht mehr in der Gastro unterwegs sein.
Trotzdem hatte ich Kontakte zu den Leuten in der Gastro. Das sind ja nicht nur Kunden, sondern zum teil auch Freunde oder gute Bekannte.
Konntest du deine Arbeit im Handel während des Lockdowns intensivieren?
Eher nicht, weil ich ja gar nicht unterwegs sein konnte. Ich mein, wir hätten im Falle einer Infektion das Virus sonst durch zehn Märkte oder so getragen. Außerdem wollte einen niemand so richtig empfangen im Handel, weil alle genug zu tun hatten. Niemand hatte einen Kopf dafür, neue Produkte aufzunehmen, weil im Handel eh alle total beschäftigt waren. Es sieht momentan so aus, als würden die Infektionszahlen weiter steigen. Da wird der Handel für uns vielleicht Ende des Jahres eine sehr wichtige Rolle einnehmen.
Hast du von Kund*innen gehört, die Corona nicht überlebt haben? Und wie geht es dir dabei?
Momentan weiß ich von einem Kunden, der nicht mehr aufmacht. Dem ging es aber auch schon vor Corona nicht so gut. Ich denke aber, dass sich Ende des Jahres oder im nächsten Jahr die Ausmaße erst bemerkbar machen werden. Denn nur die Leute, die in den jeweiligen Städten wohnen, können die Gastronomie alleine nicht retten. Gastro ist immer abhängig von externen Leuten, wie Touristen. Auch über Sportveranstaltungen oder Straßenfeste, zum Beispiel die Bunte Republik Neustadt in Dresden, verdienen Gastronomen gutes Geld. Wenn solche Veranstaltungen weiterhin nicht stattfinden können, ist das natürlich schlecht, weil sie sich mit diesen Einnahmen oft über schlechtere Zeiten im Jahr retten.
Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine Arbeit ein? Gibt es ggf. auch positive Entwicklungen?
Bis auf die verkürzte Arbeitszeit habe ich relativ wenig Veränderungen innerhalb meiner Arbeit. Ich habe ein kleines Büro in Dresden, in dem auch ein bis zwei Mal die Woche meine Büro-Kollegin Sandra ist. Das geht aber alles mit Abstand und wir sprechen uns ab, wann wer da ist. Die Maske zu tragen bei Kundenbesuchen finde ich nicht schlimm. Oft gehen wir bei Terminen auch raus und unterhalten uns unter Einhaltung der Abstandsregelungen ohne Maske. Die Maske an sich bedeutet für mich keine Einschränkung. Alles andere hat sich nicht wirklich verändert. Was sich verändert hat, ist, dass wir bei Quartiermeister im Team öfters sprechen – dann halt über Skype.
Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?
Für mich persönlich ist positiv, dass gemerkt habe, dass mir mein Coaching aus dem letzten Jahr geholfen hat. Da ging es um Arbeitsstrukturen, die Arbeit im Außendienst, Prioritäten von anderen Bereichen im Leben, wie Freunde, Familie und Sport. Es hat mich lange beschäftigt, neben der Arbeit einen angemessenen Ausgleich zu finden. Für mich zählte eine lange Zeit nur Quartiermeister. Das Coaching hat sich während der letzten Monate ausgezahlt. Durch die Krise hatte ich plötzlich total viel Freizeit. Durch das Coaching stand ich nicht so kopflos da, sodass ich meine Freizeit ziemlich gut gestalten konnte. Ich habe dann gemerkt, dass es mir gut gelingt, von der Arbeit loszulassen. Wäre Corona in den Jahren zuvor gekommen, wäre ich deutlich fertiger gewesen. Dadurch, dass ich heutzutage aber im Reinen bin mit meiner Arbeit und Vertrauen habe in mich, in meine Geschäftsführer und in alle Leute, die bei Quartiermeister arbeiten, war ich sehr optimistisch und konnte da tatsächlich für mich persönlich einige positive Dinge mitnehmen.
Und für Quartiermeister?
Ich glaube, die Leute bei Quartiermeister sind enger zusammengerückt, weil es uns allen ähnlich ging. Keiner konnte arbeiten. Durch die vielen Gespräche und Skype-Calls wurde definitiv der Teamzusammenhalt gestärkt. Ich denke also, wenn es irgendwann einen Impfstoff gibt und Corona vorbei sein wird, werden wir gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen. Außerdem haben wir gesehen, dass unser Konzept funktioniert. Äußere Einflüsse können Quartiermeister nicht so viel antun, wie wir es vielleicht noch vor Jahren vermutet hätten. Wir sind eine gute, gefestigte Marke.
Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?
Ich würde versuchen, noch mehr in der Natur unterwegs zu sein. Und endlich meine zwei Puzzle fertigmachen, die ich mir schon während der ersten Welle besorgt habe.
Möchtest du noch etwas loswerden?
Ja! Trinkt Quartiermeister und unterstützt andere kleine Marken, die zu strugglen haben. Unterstützt lokale Läden, sei es Gastronomie, der Unverpackt-Laden oder kleine Klamotten-Shops. Kauft lokal und kauft nicht so viel Mist auf Amazon. Geht in euer Viertel, denn das ist der Raum, in dem ihr euch viel aufhaltet und es wäre schade, wenn da alles verschwinden würde.
24. August 2020 09:50
annika.bruemmerDank Max gibt es Quartiermeister seit letztem Jahr in Stuttgart, denn bis März 2020 hat er auf einer Basis von 10 Stunden den Vertrieb dort gerockt. Als Mitgründer des ersten Foodsharing-Cafés in Deutschland, der Raupe Immersatt, haben Max ganz andere Dinge als Quartiermeister beschäftigt, als der Lockdown verhängt wurde. Wie Max die letzten Monate erlebt hat, lest ihr im Interview.
Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?
Das war um die Weihnachtszeit. Da hatte ich mit meinem Vater ein langes Gespräch drüber geführt. Es fühlte sich zwar noch sehr weit weg an, aber wir dachten bereits da, dass sich das Virus sicher schnell verbreiten kann. Danach habe ich Corona irgendwie komplett aus den Augen verloren. Ein Wochenende, bevor der Shutdown kam, war ich zu Besuch in Berlin und habe in der Rummelsbucht gefeiert. Das war ein komplett eskalativer Abend. Corona war so weit weg. Ich hatte eigentlich geplant, das darauffolgende Wochenende wieder nach Berlin zu fahren, weil eine andere Veranstaltung in der Rummelsbucht stattfinden sollte. Und dann kam Freitag, der Dreizehnte. Da war komplett alles durch. Wir waren hier im Café in Stuttgart – in der Raupe Immersatt – und es wurde alles ernst. Die Nachrichten überschlugen sich. Wir haben daraufhin direkt einen Krisenstab ins Leben gerufen. Im Nachhinein finde ich das ziemlich absurd, dass ich kurz vorher noch drüber nachgedacht habe, auf eine Party zu fahren und dann innerhalb von Stunden alles tot war. Das war ein total ambivalentes Verhältnis zwischen dem Ernst der Lage und meinen eigenen Handlungen.
Das heißt, Freitag, der Dreizehnte war ein kompletter Twist für dich?
Ja. An diesem Wochenende haben wir im Raupen-Team viel besprochen. Dafür haben wir uns viel Zeit genommen und einiges analysiert. Wir haben dann schon vor der offiziellen Anordnung der Landesregierung den Laden im Innenraum zugemacht. Wir haben bereits an dem Sonntag auf Kiosk-Betrieb umgestellt und nur noch außer Haus verkauft. Also ja, ab dem Zeitpunkt habe ich die Lage sehr ernst genommen. Der komplette Lockdown in Stuttgart kam dann am 18. März. Da war dann alles dicht.
Für Quartiermeister machst du 10 Stunden Vertrieb in Stuttgart. Hauptamtlich kümmerst du dich um die Raupe Immersatt, das erste Foodsharing Cafe in Deutschland, das du mitgegründet hast. Wie konntest du diese beiden Aufgaben unter einen Hut bringen? Die Raupe war ja durch den Lockdown auch hart getroffen.
Tatsächlich gar nicht. Das war ja auch dann ein Grund, weshalb Peter und ich im Einvernehmen beschlossen haben, dass sich unsere Wege – also Quartiermeisters und mein Weg – trennen. Wir waren mit der Raupe im totalen Krisenmanagement. Wir mussten entscheiden, was wir mit unseren Mitarbeitenden machen. Wir haben jede Soforthilfe mitgenommen, wir waren in den Startlöchern für Kurzarbeit. Das haben wir dann aber doch nicht gemacht, weil wir einigermaßen gute finanzielle Rücklagen gebildet hatten. Und wir fanden es besser, nicht in Kurzarbeit zu gehen und unsere Mitarbeitenden voll zu zahlen. Ich habe die Zeit aber auch genutzt, um mal durchzuatmen. Ich war dann länger zu Hause, hab viel im Garten gemacht.
Das heißt, du konntest dann nicht mehr für Quartiermeister arbeiten, weil ihr wegen Corona mit der Raupe so beschäftigt wart?
Ich würde nicht sagen, dass es nur an Corona lag. Ich glaube, die Umstände haben aber noch mal mehr aufgezeigt, dass ich eigentlich zu viel arbeite. Peter und ich hatten ein wirklich schönes Gespräch, in dem er mir dann auch gesagt hat, dass es ja irgendwie immer klar war, dass ich als Geschäftsführer von einem Projekt nicht unbedingt noch viel nebenbei machen kann, weil man ja auch über jede Minute Freizeit froh ist. Für den Anschub in Stuttgart hat das mit mir ganz gut gepasst, denke ich, weil ich in Stuttgart einige gute Kontakte zu Gastronomen habe. Dadurch fiel es eventuell auch leichter, Quartiermeister in dem ein oder anderen Laden unterzubringen – oder auch bei den zwei Getränkehändlern, was durch die Raupen-Connection ziemlich einfach ging. Es war uns aber klar, dass es irgendwann einen Nachfolger geben muss, weil ich nicht mehr als 10 Stunden machen kann. Corona hat das Ganze vielleicht ein wenig beschleunigt.
Wenn wir eine neue Person finden, dann würde ich mit dieser Person auf jeden Fall eine Übergabe-Zeit machen – auch wenn ich nicht mehr offiziell bei Quartiermeister arbeite. Das ist mir super wichtig. Dass wir dann zusammen zu den zwei Getränkehändlern fahren und in die Läden, wo Quartiermeister in Stuttgart verkauft wird. Da sehe ich mich voll drin, dass ich das noch mache und ordentlich übergebe.
Das ist ja lieb!
Was heißt lieb? Ihr wart ja genauso lieb (lacht). Das ist für mich irgendwie selbstverständlich.
Max, durch dich gibt’s Quartiermeister überhaupt in Stuttgart und durch dich können wir in Stuttgart hoffentlich bald Projekte fördern. Wie geht’s dir denn damit, dass du bei Quartiermeister jetzt raus bist?
Ich finde das tatsächlich ein bisschen traurig, weil mir die Arbeit richtig Spaß gemacht hat: durch die Stadt touren und in Läden über das Konzept von Quartiermeister zu sprechen. Und ich wünsche mir sehr, dass wir eine Person finden, die das mit genauso viel Herzblut macht. Ich bleibe aber auch nach wie vor mit Quartiermeister verbunden, weil es das Bier weiter in unserem Laden geben wird. Peter meinte auch, dass wir in Berlin noch einen kleinen Abschied feiern werden. Das ist das, was ich am traurigsten finde: Durch Corona ist alles etwas verflossen. Ich war dann total ad hoc raus aus den Gesprächen. Das ist durch das Virus irgendwie etwas blöd gelaufen. Dass wir den Abschied noch einmal nachholen, finde ich cool.
Momentan gibt es noch keinen Ersatz für dich. Glaubst du, dass es Quartiermeister nach wie vor in Stuttgart geben wird?
Ich denke, die Läden, in denen es Quartiermeister gibt, halten daran fest. Dahinter stehen überall Menschen, die total vom Konzept und vom Produkt überzeugt sind. In der Raupe ist Quartiermeister auch gesetzt und die Nachfrage ist da. Ich glaube, Quartiermeister bleibt auf jeden Fall in Stuttgart.
Was waren für dich die größten Herausforderungen, die mit Corona einhergegangen sind?
Für uns in der Raupe waren wir hauptsächlich mit Teamprozessen beschäftigt. Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir bei uns gewisse Dinge angehen. Das waren hauptsächlich persönliche Vorstellungskonflikte. Wir haben die Raupe zu fünft gegründet. Das ist unser Baby. Dadurch, dass wir alle nebenbei noch andere Dinge gemacht haben, hatte die Raupe bei den verschiedenen Leuten eine andere Priorität. Da sind wir oft aneinandergeclashed. Da gings viel um Zukunftsvorstellungen: Wer führt die Raupe weiter? Bleiben wir in der Fünfer-Konstellation? Öffnen wir uns? Nehmen wir Neue mit ins Kernteam? Wir sind nicht fünf Freunde, die gemeinsam eine Idee gesucht haben, sondern die Idee war da und die fünf Leute haben sich gefunden. Da gings also tatsächlich viel um Persönliches. Jetzt sind zwei neue Leute mit ins Team gekommen. Das hat viel Energie und frischen Wind in die Orga gebracht. Wir haben dann Zukunftswerkstätten veranstaltet, Teamcoachings. Wir sind intern ganz viel angegangen. Im Betrieb haben wir viel Neues ausprobiert: Kioskbetrieb, eine Soli-Küche für Obdachlose, neuer Außenbereich, … Das war eine richtige Achterbahnfahrt, was den Betrieb anging.
Wir haben in der Zeit sehr viel Solidarität von den Menschen entgegengebracht bekommen, die normalerweise wir geben. Im Kioskbetrieb haben uns die Leute teilweise kistenweise Bier abgekauft, weil die total scharf auf die Produkte waren, die wir hier anbieten. Das hat echt Bock gemacht.
Hattest du manchmal Angst, dass die Raupe Immersatt nicht überleben wird?
Nein. Wir sind mit nem großen Gewinn aus dem letzten Jahr herausgegangen, weil wir uns als Vorstand keine Gehälter ausgezahlt haben. Deshalb hatten wir ein gutes Grundkapital. Damit konnten wir drei, vier Monate auch ohne Betrieb über die Runden kommen. Andere Gastronomen haben ab Tag 1 gesagt, dass sie es nicht schaffen werden. Gastronomie ist ein Geschäft, das oft auf Kante genäht ist.
Das heißt, du kennst Gastronomen, die den Lockdown nicht überlebt haben?
Ja, es gibt zwei Läden, die ich kenne, die jetzt geschlossen haben.
Als Gastronom hast du sicher Ängste vor einem zweiten Lockdown. Wie wahrscheinlich hältst du es, dass wir kurz vor einer zweiten Welle stehen?
Ich halte es schon für wahrscheinlich, weil die Fallzahlen wieder steigen. Man wird generell unvorsichtiger und nimmt das Ganze nicht mehr so ernst. Das merke ich auch bei mir selbst. Wir hatten z.B. im Juni unser Einjähriges. Da kamen viele Leute und die Bude war auf einmal voll. Solche Situationen sind besonders in Räumen echt schwierig, da die Belüftung fehlt. Sobald die Belüftungssituation gut ist, hat das Virus weniger Chancen auf Grund von Aerosol in der Luft oder weil die direkte Infektion unwahrscheinlicher ist. Sprich: Wenn im September oder Oktober wieder mehr drinnen stattfindet, finde ich das ganz schön schwierig. Ich bin gespannt und hoffe, dass das Virus weiter ernstgenommen wird.
Wie handhabt ihr das mit den Hygieneregeln in der Raupe?
Wir sind strenger als die Auflagen. Bei uns gilt nach wie vor Maskenpflicht in der Räumlichkeit – sowohl für Gäste als auch für Mitarbeitende. Offiziell müsste nur das Service-Personal eine Maske tragen. Das finden wir aber seit Beginn ziemlich irrsinnig. Warum sollte ich als Servicekraft die andere Person schützen, aber nicht andersherum? Deshalb gibt’s in den Räumlichkeiten eine Maskenpflicht. Wie beim Einkaufen. Der Fairteiler-Schrank wird ganz normal befüllt. Da gibt’s weiterhin Selbstbedienung. Allerdings mit vielen Hinweisschildern zum Händewaschen. Das zu kontrollieren, sehen wir auch als eine Aufgabe von uns als Personal an. Wir selbst waschen uns nach jedem Geldkontakt die Hände.
Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich, die Raupe und für Quartiermeister ziehen?
Am Anfang der Krise habe ich eine Welle von Solidarität empfunden. Dann kam aber schnell die Forderung „zurück zur Normalität“. Das ging für mich gar nicht klar. Das ist doch jetzt die Chance, gesamtgesellschaftlich Dinge besser zu machen.
Für mich persönlich war die Krise ein Zeichen, mehr auf mich selbst zu achten und mit meinem Pensum herunterzufahren. Ich möchte mir mehr Zeit für mich und für Freunde nehmen und nicht sieben Tage die Woche arbeiten. Ein Schritt ist nun traurigerweise, dass ich nicht mehr für Quartiermeister arbeite.
Positiv für die Raupe waren die teaminternen Prozesse, die wir angegangen sind. Was Quartiermeister betrifft, habe ich Dinge ja nur noch von außen mitbekommen. Allerdings fand ich es krass, was so teamintern lief. Ich glaube, man kommt als Team in so einen coolen Modus. Von außen ist das unsichtbar, aber von innen heraus muss man zusammenhalten. Das habe ich bei Quartiermeister auch so wahrgenommen: den Zusammenhalt.
Wie hast du denn von diesem Teamspirit mitbekommen, von dem du jetzt sprichst? Du warst ja schon raus…
Ich habe mir natürlich immer die Protokolle durchgelesen (lacht). Das mache ich immer noch. Es interessiert mich schon, was bei Quartiermeister abgeht. Ich habe auch mit Peter ein paar Mal telefoniert.
Glaubst du, dass du in Zukunft wieder für Quartiermeister arbeiten kannst oder willst?
(Lacht). Also wollen würde ich das gerne, weil ich die Zeit richtig geil fand. Die Teamtreffen haben mir immer viel Spaß gemacht, weil bei Quartiermeister geile Leute sind. Wer weiß, wo die Reise hingeht? Es kann alles passieren, deshalb treffe ich da mal keine Aussage.
Gibt es etwas, was du jetzt noch loswerden möchtest?
An Quartiermeister möchte ich loswerden, dass wir unbedingt das Alkoholfreie im Süden brauchen. Und sonst… Naja, also ich finde, die Corona-Zeit ist eine Zeit, um sich über gewisse Dinge bewusst zu werden. Und ich bin etwas traurig, dass das von politischer Seite aus nicht wirklich genutzt wurde. Es ging darum, die Großen zu retten und die Kleinen müssen zusehen, wo sie bleiben. Eigentlich bietet diese Phase eine gute Grundlage, um viele gesellschaftliche Themen zu reflektieren. Deshalb nervt mich die Einstellung „zurück zur Normalität“ auch so sehr. Ich wäre eher für „auf zu neuen Ufern“. Was können wir besser machen als Gesellschaft? Wie kriegen wir es hin, dass uns eine Pandemie nicht nochmal so beuteln würde? Was hat uns die Pandemie über unser Gesundheitssystem gezeigt? Wie ist unser Verhältnis zu Tieren und was hat das mit der Pandemie zu tun? Wann hören wir endlich auf, auf Kosten von Menschen in Ländern des Globalen Südens zu leben? Fragen über Fragen.
20. August 2020 08:55
annika.bruemmerNele absolviert bei Quartiermeister ihr Freies Ökologisches Jahr und ist jeweils zur Hälfte für den Verein und die GmbH im Einsatz. Durch den Stillstand der Projektförderung und den Wegfall aller Veranstaltungen wurde auch Neles Job bei uns einmal umgekrempelt. Wie das für Nele war, lest ihr im Interview.
Was ging dir im Kopf vor als David und Peter am 13. März in einer Skype-Session angekündigt haben, dass alle Quartiermeister*innen ab April in Kurzarbeit gehen müssen?
Es ging alles sehr schnell. Wir hatten an einem Freitag diesen einen Skype-Call. Da hat sich das Ganze schon langsam angebahnt. Und dann haben wir am Montag noch mal alle gemeinsam gesprochen, da klang alles viel dramatischer. Peter und David hatten an dem Wochenende wohl viel besprochen und vieles durchgerechnet. Am Freitag hatte ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht, aber am Montag wurde es dann richtig ernst. Das hat mich ziemlich verunsichert. Ich hatte ein richtig mulmiges Gefühl. Das war krass, weil plötzlich diese Ungewissheit da war. Ich wusste einfach nicht, was jetzt passiert, aber das wusste niemand. Ich fand es jedoch sehr cool, wie wir dann im Team über alles geredet haben und dass David und Peter direkt so offen und transparent waren. Und dass alle Mitarbeitenden ihre Ängste und Gefühle kommuniziert haben. Das hat mich auch ziemlich beeindruckt.
Als FÖJlerin bist du zu 50 % für die GmbH und zu 50 % für den Verein im Einsatz. Hat sich etwas an diesem Verhältnis durch Corona verändert?
Nicht wirklich. Ich habe einfach insgesamt weniger zu tun gehabt mit komplett anderen Aufgaben. Es gab Phasen, in denen ich nur für den Verein und nur für die GmbH gearbeitet habe. Aber insgesamt hat sich dieses Verhältnis gehalten.
Wie haben sich deine Aufgaben verändert?
Naja, dadurch, dass der Sommer vor der Tür stand, hätten eigentlich alle möglichen Veranstaltungen stattgefunden, die natürlich weggefallen sind. Daran hätte ich normalerweise viel gearbeitet. Oder Projektbesuche, die ich im Regelfall durchführe, gingen auch erst mal nicht. Damit konnte ich nun langsam wieder anfangen. Ich besuche aber hauptsächlich Projekte im Freien, wie z.B. Gemeinschaftsgärten. Sonst fiel eher Verwaltungskram für den Verein an, da wir uns nicht mehr treffen konnten. Und weil die Förderung ausgesetzt wurde. Deshalb standen meine normalen Aufgaben nicht mehr im Vordergrund. Für das Unternehmen war auch einfach weniger zu tun. Ich habe dann Dinge wie Paketversand übernommen oder bin mal ins Büro gefahren, wenn dort kleinere Dinge erledigt werden mussten. Ich habe versucht, flexibel zu sein.
Quartiermeister musste durch Corona und die damit verbundenen Einsatzbußen die geplante Förderung einfrieren. Wie denkst du darüber?
Ich finde das richtig traurig, aber ich denke, dass es einfach notwendig ist. Ich habe 100%iges Vertrauen in Peter und David und in den Vorstand, dass sie diesbezüglich den Überblick haben und die richtige Entscheidung getroffen haben.
Wie hast du die öffentliche Wahrnehmung dazu empfunden?
Ich habe das Gefühl, dass alle Verständnis für diese Entscheidung haben. Ich hatte anfangs etwas Angst, dass manche diese Entscheidung nicht verstehen, gerade auch, weil natürlich auch die Projekte in dieser Zeit finanzielle Unterstützung gut gebrauchen könnten. Aber alle, mit denen ich gesprochen habe, haben unsere Entscheidung verstanden. Vielleicht auch, weil einfach alle gerade ähnliche Probleme haben. Dadurch, dass Quartiermeister seit zehn Jahren immer Projekte gefördert hat, und die Förderung jetzt zum ersten Mal ausgesetzt wurde, glaube ich nicht, dass sich irgendjemand etwas dabei denkt.
Hast du in den letzten Wochen und Monaten mit Projekten gesprochen?
Ja, ich hatte mit ein paar Projekten E-Mail-Kontakt. Es hat sich auch ein Projekt gemeldet, das Hilfe braucht. Im Juni habe ich angefangen, die Projektbesuche wieder aufzunehmen.
Haben die Projekte auch mit den aktuellen Umständen zu kämpfen?
Ja, voll! Es betrifft irgendwie echt alle. Viele haben finanzielle Probleme. Dadurch, dass keine Veranstaltungen stattfinden, fehlen vielen Projekten Einnahmen. Den Projekten, die auf Spenden angewiesen sind, geht es auch nicht gut. Das hat sicher etwas damit zu tun, dass wir momentan in einer Zeit leben, die mit sehr viel Unsicherheit verbunden ist und viele Leute, die sonst spenden, nun ihr Geld zusammenhalten. Wenn es sich nicht um finanzielle Probleme handelt, dann gibt’s bei vielen Projekten momentan eine Art Stillstand in der Vereinsarbeit.
Dein FÖJ endet im August. Gibt es etwas, das du Quartiermeister wünschst?
Ich finde Abschiede immer super schwer und ich hoffe, dass wir in Kontakt bleiben. Ich wünsche Quartiermeister, dass die Corona-Schwierigkeiten bald vorbei sind und dass es bald wieder richtig losgehen kann. Ich hoffe, dass bald wieder Projekte gefördert werden können und dass Quartiermeister immer bekannter und erfolgreicher wird und gleichzeitig seinen Werten treu bleibt. Und dass das Team so cool bleibt wie es jetzt ist.
18. August 2020 10:28
annika.bruemmerHeute im Corona-Talk: Julia, unsere studentische Hilfskraft und ehemalige Power-Praktikantin. Julia sollte pünktlich zum Corona-Start gerade mit ihren neuen Aufgaben bei Quartiermeister richtig durchstarten. Wie es ihr als brandneues Team-Mitglied in den letzten Monaten ergangen ist, lest ihr im Interview.
Liebe Julia, wie hast du dich gefühlt als du zum ersten Mal von Corona gehört hast?
Als die Nachrichten aus Wuhan kamen und aus China, habe ich zunächst gedacht, dass das alles viel zu weit weg ist und uns gar nicht betrifft. Ich habe eigentlich großes Vertrauen in Deutschland als politisches System und als Staat und dachte mir, dass uns Corona durch entsprechende Regulierungen gar nicht erreichen wird. Zumindest nicht in dem Maße, in dem es uns dann erreicht hat. Als wir dann im Team den Beschluss gefasst haben, dass wir alle ins Homeoffice gehen, war das schon relativ krass für mich. Ich bin dann noch mit meiner Mitbewohnerin mit dem Auto ins Büro gefahren und habe alles geholt, was ich zum Arbeiten brauche. Da habe ich dann Annika und Marko getroffen als die gerade gegangen sind. Da wurde mir bewusst, dass es sein kann, dass wir uns alle für ein paar Monate gar nicht mehr sehen. Ab dem Zeitpunkt fand ich das alles schon sehr krass und auch beängstigend.
Als studentische Hilfskraft konnte für dich kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Hattest du jemals Angst, dass Quartiermeister dich nicht weiter beschäftigen kann?
Zu Beginn definitiv. Mein Arbeitsvertrag ging zunächst nur bis April. Da wusste ich kurzzeitig gar nicht, ob es für mich bei Quartiermeister als Studentin weitergehen kann. Ich hatte dann sehr schnell intensiven Kontakt mit David und wusste, dass ich ihn immer fragen kann, wie es aussieht, wie der Plan ist. Dadurch sind meine Sorgen schnell kleiner geworden, weil ich wusste, dass ich Rückhalt im Team habe und alles ansprechen konnte, ohne Angst haben zu müssen.
Dein Vertrag wurde dann auch verlängert …
Genau, mein Vertrag wurde dann zunächst bis August verlängert. Das hatte damit zu tun, dass mein Studium dann zu Ende gegangen wäre. Jetzt fange ich im Herbst meinen Master an und werde auch weiter bei Quartiermeister als Studentin bleiben.
Du unterstützt hauptsächlich Sylvie bei der Buchhaltung und Lagerplanung. Was hat sich für dich und deine Arbeit in Zeiten von Corona verändert?
Man muss dazu sagen, dass ich erst im Februar wiedergekommen bin. Ich hatte zuvor schon ein Praktikum bei Quartiermeister gemacht, allerdings in einem ganz anderen Bereich. Deswegen sollte ich im Februar und März eigentlich in die neuen Aufgaben eingearbeitet werden. Diese Einarbeitungsphase ist dann zum Teil einfach weggefallen, was mich zunächst auch überfordert hat. Dadurch, dass die Arbeit auf ein Minimum reduziert wurde, wusste ich teilweise gar nicht, woran ich bin. Wir haben das aber relativ schnell lösen können. Dadurch, dass Sylvie, David und ich in einen engeren Austausch gegangen sind. Sobald dann die Lockerungen kamen, bin ich wieder mehr ins Büro gegangen und hatte so einen besseren Austausch und etwas mehr Orientierung. Jetzt klappt‘s echt wieder richtig gut.
Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?
Für mich war Corona eine Orientierungsphase. Ich bin mit meinem Bachelor fertig geworden und wusste eigentlich gar nicht, wo ich hinmöchte. Durch die ganze Entschleunigung konnte ich viel nachdenken und habe mich entschlossen, mein Masterstudium aufzunehmen. So kann ich auch bei Quartiermeister bleiben. Mit dieser Entscheidung fühle ich mich richtig wohl. Ich habe mir also ein neues Ziel setzen können, was sonst vielleicht gar nicht hätte funktionieren können.
Was Quartiermeister betrifft, finde ich, dass wir noch enger zusammengewachsen sind. Man merkt einfach, dass es auch anders funktionieren kann. Man muss nicht immer den Kopf in den Sand stecken, sondern es gibt Möglichkeiten. Von daher denke ich, dass das Ganze schon etwas Positives hat.
Denkst du da an bestimmte Möglichkeiten?
Ja, zum Beispiel die Sache mit dem Stay Home Club. Dadurch, dass ich viele Verwaltungsgeschichten in Zahlen vor mir sehe, war ich auch total beeindruckt, was mit dem Lebensmitteleinzelhandel passiert ist. Ich habe dann schon gedacht, dass COVID-19 nicht das Todesurteil bedeutet, sondern dass sich immer wieder neue Wege finden lassen. Klar ist die Situation scheiße und man ist eingeschränkt, aber man kriegt es schon irgendwie hin – ob als Unternehmen oder auch privat.
Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?
Ich finde die Frage schwierig. Man merkt das ja an sich und am eigenen Umfeld: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn es tatsächlich zu einem zweiten Lockdown kommt, bin ich gespannt, wie das im Umfeld aufgenommen wird. Anders machen würde ich wahrscheinlich gar nicht so viel. Ich denke, dass wir alles noch ernster nehmen sollten. Ich selbst habe anfangs viele Dinge belächelt und mir gedacht, dass das alles schon nicht so schlimm werden wird. Es kam dann die Zeit, in der ich meine eigene Verantwortung gespürt habe. Ich denke, dass ich mir in einigen Punkten weniger Sorgen und in anderen mehr Sorgen machen würde. Ich empfinde Corona für mich persönlich nicht unbedingt als gesundheitliche Bedrohung. Ich würde mir um mich selbst wahrscheinlich weniger Sorgen machen und mich eher nach außen orientieren und schauen, wer in meinem Umfeld wirklich Hilfe und Unterstützung benötigt.
13. August 2020 08:06
annika.bruemmerMarko ist unsere Vertriebsrakete in der Berliner Gastronomie. Durch den Lockdown standen die Uhren auf unbestimmte Zeit still. Dennoch hat Marko den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Wie es ihm in den letzten Monaten ergangen ist, erfahrt ihr im Interview.
Wie hast du dich gefühlt als du zum ersten Mal von Corona gehört hast?
Ich möchte es jetzt nicht so darstellen, als hätte ich das Ganze ignoriert. Zum Teil aber schon, weil es zum einen für mich ein komplett neues Thema war. Zum anderen bin ich nicht der Typ, der sofort durchdreht oder überreagiert. Für mich gilt: Erst mal schauen und beobachten. Deshalb war ich da eher entspannt.
Kannst du dich erinnern, ab wann du Corona als ernstes Thema betrachtet hast?
Ernst wurde es, als es bei uns im Unternehmen und auch in Kundengesprächen mehr thematisiert wurde. Ab dem Zeitpunkt wurde das Thema auch wichtiger für mich und dann habe ich mich selbst auch mit Corona befasst.
Als Gastro-Vertriebler bist du ausschließlich in Bars, Kneipen, Restaurants und für Festivals unterwegs. Wie ging es dir als klar war, dass die gesamte Gastro nun erst mal schließen wird und alle Veranstaltungen abgesagt wurden?
Ich habe mich gefragt, was das alles zu bedeuten hat, ob das wirklich sein kann. Passiert das jetzt wirklich? Ich habe anfangs ja nur über Corona gelesen. Auf einmal habe ich miterlebt, was für Ausmaße das annehmen kann. Das Ganze irritierte mich schon ein wenig. Aber wie geht man mit solchen Dingen um? Das war ja komplett neu. Ich nehme mir immer zunächst Zeit, um dann entsprechend zu reagieren.
Aber du warst mit deiner Arbeit ja unmittelbar vom Lockdown betroffen.
Ja, stimmt.
Aber dennoch bist du ruhig geblieben und wolltest erst mal die Lage beobachten?
Ja, beobachten und dann richtig handeln. Vielleicht bin ich zu lösungsorientiert. Ich gehe einfach davon aus, dass ich das in meiner Position bei Quartiermeister hinbekomme bzw. wir als Unternehmen. Wir haben unsere Maßnahmen bestimmt. Ich habe von Anfang an versucht, das alles nicht so sehr an mich heranzulassen, sondern mich davor zu schützen und auch andere nicht mit reinzuziehen. Gucken und dann richtig drauf zu reagieren.
Wie hat sich deine Arbeit verändert? Konntest du in Corona-Höchstzeiten überhaupt noch arbeiten?
Für mich galt herauszufinden, was wir bei Quartiermeister tun können und da haben wir alle schnell reagiert. Wir sind alle in Kurzarbeit gegangen. Dadurch konnte ich ja automatisch weniger tun. Wir wussten ja auch nicht, wie lange der Lockdown dauern würde. Ich habe in der Zeit viel nachgedacht: über meine Kolleg*innen und Kund*innen. Es gibt Menschen, mit denen man schon so lange zusammenarbeitet. Mit diesen Leuten habe ich Gespräche gesucht. Besuche waren ja leider nicht möglich. Das Verkaufsthema habe ich dabei nie in den Vordergrund gestellt. Das war total uninteressant. Es ging mehr um das Persönliche: Wie geht’s den Menschen auf der anderen Seite, unseren Partnern?
Ich konnte mich auf einmal um mich kümmern, ich konnte meine Arbeitsstruktur überdenken. Das Thema Coaching ist nach vorne gerutscht, dafür hatte ich Zeit. Und der Austausch zwischen uns Kolleg*innen war auch immer da.
Hattest du jemals Angst um deinen Job?
Das ist eine gute Frage. Ich bin prinzipiell kein ängstlicher Typ. Es muss schon richtig bedrohlich sein, damit ich Angst habe. Da muss es schon fast keinen Ausweg mehr geben. Kurzzeitig war dieses Gefühl da. Wir haben im Team offen über alles gesprochen. Auch über die finanzielle Situation und über das Loch, das entsteht und natürlich darüber, wo wir Geld herbekommen. Das hat mich schon bedenklich gestimmt und mich auch kurzzeitig in eine andere Stimmung versetzt. Konkrete Angst hatte ich aber nie. Ich bin davon ausgegangen, dass wir alle Ausgaben soweit reduzieren, wie wir müssen und uns entsprechend der Lage anpassen. Ich habe versucht, optimistisch zu bleiben und an den Zeitpunkt zu denken, wenn es wieder losgehen kann und dass wir wieder dahin kommen werden, wo wir vorher waren. Dann werde ich gebraucht werden. Ich habe nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich Angst haben muss. Ich war mir immer sicher, dass es weitergehen wird – wie auch immer es laufen wird.
Wie haben Kund*innen reagiert, wenn du dich bei ihnen gemeldet hast?
Die haben sich gefreut. Dadurch gab es weiterhin eine Verbindung. Da die Gespräche ganz anders liefen – sehr persönlich – waren das immer gute und lange Gespräche. Ich denke, es war wichtig, dass wir immer die Verbindung gehalten haben, auch wenn es schwer war. Ich konnte natürlich nicht immer alle Leute erreichen. Gewohnte Rückrufe gab es auch nicht. Da musste man anders dranbleiben. Dieses Feingefühl musste man schon mitbringen: Wann redet man mit wem? Über welche Themen? Aber ich denke, das ist mir gut gelungen.
Hast du von Kund*innen gehört, die Corona nicht überlebt haben? Und wie geht es dir dabei?
Ja, die gibt es. Einige wissen nach wie vor nicht, wie es ausgehen wird. Andere sagen klar: Marko, wir schaffen’s nicht. Wir müssen schließen. Das macht mich traurig und solche Gespräche führen dazu, dass man noch mal anders über die gesamte Situation nachdenkt. Was machen die Leute jetzt? Z.B. wenn es sich um Angestellte handelt. Wenn es der Unternehmer selbst ist, dann stellt man sich wiederrum ganz andere Fragen.
Du bist immer unterwegs und kennst dich in der Gastro-Szene ziemlich gut aus, die in Berlin unglaublich vielfältig ist. Glaubst du, dass sich Berlin langfristig durch Corona verändern wird?
Da gehe ich stark von aus. Gastronomen versuchen, andere Wege zu gehen. Es wird neue Ideen geben. Vielleicht wird das nicht unmittelbar spürbar sein, aber es wird sicherlich anders werden. Momentan befinden wir uns ja nach wie vor in der Corona-Situation. Und das wird auch noch lange so bleiben.
Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine Arbeit ein?
Ich versuche, den Ausdruck „zweite Welle“ in meinen Gesprächen zu vermeiden, aber man kommt nicht dran vorbei. Und vielleicht komme ich durch diese Frage jetzt nicht dran vorbei. Wenn die zweite Welle nun kommt, dann wissen wir alle nicht, wo sie uns hinspülen wird. Wenn sich die Situation hingegen schleichend verbessert, dann wird sich an meiner Arbeit nicht viel ändern. Gastronomie ist sehr vielfältig. Die wird es weiterhin geben. Vielleicht in einer anderen Form, aber Berlin ist darauf vorbereitet. Berlin ist dafür bekannt, dass es sich immer wieder neu findet.
Die Gastronomie hat seit Juni unter strengen Auflagen wieder geöffnet. Würdest du sagen, dass du mit deiner Arbeitsauslastung wieder dahin kommen kannst, wo du vor Corona warst?
Bei weitem nicht. Das ist auch gar nicht möglich. Zum einen, weil wir immer noch alle in Kurzarbeit sind. Zum anderen kann ich mit jedem Kunden nur dosiert arbeiten. Keiner kennt den genauen Bedarf an Bier, niemand weiß, wie sein oder ihr Laden oder Veranstaltung angenommen wird. Also an dem Punkt, wo ich vor Corona war, bin ich bei weitem nicht. Was auch komplett wegfällt, was ich an meiner Arbeit liebe, ist die Akquise. Neue Sachen entdecken. Die Euphorie, neue Dinge am Mark anzugehen, wo wir mit Quartiermeister eine Rolle spielen können, gibt es nicht. Ich bin auf jeden Fall weit entfernt von dem, was ich kann und was ich machen möchte.
Quartiermeister ist nicht das allerbilligste Bier am Markt. Gibt es Kunden, die auf eine günstigere Variante umstellen müssen?
Erstmal vorne weg: Wir wollen nicht das billigste Bier sein – auf keinen Fall! Aber ja, das ist vorgekommen. Deshalb sind aber auch die Gespräche wichtig, um solche Dinge herauszubekommen. Ich fordere bei meinen Kunden Ehrlichkeit ab. Ich verstehe aber natürlich die Situation. Ich bin ja nicht nur Quartiermeister, sondern ein Mensch mit Gefühlen. Ich kann mich auch in die Situation unserer Kunden und Partner hineinversetzen. Und wenn ein Kunde zu mir sagt, dass er oder sie kurzzeitig das Bier wechseln muss, dann gehe ich mit dem Kunden eine Vereinbarung ein. Ich sage dann, dass ich das absolut verstehen kann, dass er oder sie den Laden retten muss, aber auch, dass wir wieder am Start sind, wenn hoffentlich wieder alles gut ist. Das ist das wichtigste für mich, dass wir da gemeinsam raus gehen. Dass der Kunde mein Verständnis spürt, ich aber auch die Sicherheit habe, dass ich dort wieder ansetzen kann.
Wenn du die letzten Monate Revue passieren lässt: Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?
Trotz der komischen Zeiten, in denen wir gerade leben, geht trotzdem irgendwie alles weiter. Und ich kann mein eigenes Leben trotzdem weiterführen. Ich kann einige Dinge überdenken. Das ist schon positiv für mich. Alle sind von Corona betroffen und trotzdem geht es weiter. Das ist doch ein stückweit bewundernswert und vielleicht sogar schön.
Innerhalb von Quartiermeister haben wir definitiv gesehen, dass wir als Team sehr gut funktionieren. Es sind nach wie vor alle da. Niemand musste gehen. Wir sitzen alle in den Startlöchern. Wir haben im Unternehmen Dinge gemacht, die wir sonst nicht machen. Das war stückweit eine Bestätigung, dass wir sehr gut zusammenarbeiten. Wir haben gesehen, dass wir in der Lage sind, so eine Krise durchzustehen. Wir scheinen alles richtig gemacht zu haben. Davids und Peters Entscheidungen aus den letzten Jahren haben sich ausgezahlt. Das ist richtig geil, dass wir ne fette Chance haben, da durch zu kommen.
10. August 2020 09:47
annika.bruemmerHeute im Gespräch: Peter – unser zweiter Geschäftsführer und Mitgründer von Quartiermeister. Peter leitet den Vertrieb und kümmert sich mit David um die Bereiche Strategie und Personal. Als Corona ausbrach, war Peter dabei, voller Tatendrang die Expansion nach Hamburg einzuleiten, die sofort auf Eis gelegt wurde. Wie sich Peters (Berufs-) Leben von einen Tag auf den anderen geändert hat, lest ihr im Interview.
Ab welchem Zeitpunkt hast du angefangen, Corona für dich, deine Familie und Freunde und Quartiermeister als Bedrohung wahrzunehmen?
Ehrlicherweise relativ spät. Ich habe den Corona-Verlauf in China immer beobachtet, aber nie mit meinem Berufs- oder Privatleben zusammengebracht. Als das Virus dann in Italien ausgebrochen ist, dachte ich mir, dass es der deutschen Wirtschaft schaden wird. Ich hatte aber keinen blassen Schimmer, in welchem Ausmaß. Am 13. März haben wir bei Quartiermeister beschlossen, dass wir von jetzt an alle zu Hause bleiben. Für diese Woche hatte ich noch Tickets für ein Slime-Konzert im SO36. Ich erinnere mich, dass ich am Montag noch drüber diskutiert habe, ob ich dort hingehen würde. Das war die Woche, in der alles super schnell ging. Auch der mediale Shift war zu spüren. Mir war dann relativ schnell klar, dass ich nicht auf dieses Punk-Konzert gehen würde. Es wurde dann auch offiziell abgesagt – so wie alles andere.
Auch privat habe ich die Auswirkungen dann sehr plötzlich, sehr stark gespürt. Eine Arbeitskollegin meiner Freundin war in der Trompete, was damals mit 25 Infizierten der absolute Corona-Hotspot war. Die Kollegin hatte anschließend Symptome. Ich bin dann mit meiner Freundin in Quarantäne geblieben und habe in der Zeit wirklich alles über Corona gelesen, was es zu lesen gab. Da wurde mir sehr klar, dass es mich privat und beruflich trifft.
Was ging dir als Geschäftsführer und Vertriebsleiter durch den Kopf, als am Wochenende vom 13.-15. März der Lockdown verhängt wurde?
Als Geschäftsführer habe ich mir extrem große Sorgen gemacht, was die weitere Existenz von Quartiermeister angeht. Ich fühlte mich ohnmächtig, da wir überhaupt keinen Einfluss auf die Entwicklungen hatten. Von einem Tag auf den anderen war durch die Schließung der Gastronomie unser erster und wichtigster Vertriebskanal dicht. Dass wir irgendwann mal eine Wirtschaftskrise erleben werden, war mir eigentlich klar. Jeder, der Wirtschaft macht, erlebt auch Krisen. Ich konnte mir bis zu dem Zeitpunkt aber nicht vorstellen, dass es Krisen gibt, in denen man innerhalb von einem Tag von 100 auf 0 fällt. Das hat mich mental hart getroffen.
Auch als Vertriebsleiter ist das richtig bitter. Wir haben Leute, die richtig guten Vertrieb machen, den ich sagen musste, dass ich auch nicht weiß, was sie tun sollen. Zu wissen, dass Dreiviertel unseres Vertriebs-Teams zu Hause sitzt und ihnen die Hände gebunden sind, ist ein komisches Gefühl. Eigentlich hat man im Vertrieb immer was zu tun, weil man sich die Arbeit selbst macht. Und wenn man das eine nicht machen kann, macht man halt das andere. Es gibt so viele potenzielle Kunden da draußen, die noch nie von uns gehört haben. Auf einmal dann die Füße still zu halten, hat mir überhaupt nicht gefallen im ersten Moment. Die Leute bei uns im Vertrieb sind alle total motiviert und wollen was reißen.
Ich habe mir auch große Sorgen gemacht – und das mache ich immer noch – wie Berlin nach Corona aussehen wird, weil die Gastronomie und die Kultur in Berlin doch sehr von kleinen, unabhängigen Läden lebt. Das macht Berlin aus. Ich dachte schnell, dass genau diese coolen Läden, die ich persönlich auch sehr gerne mag, als erstes betroffen sein werden.
Wie war denn das Vertriebs-Team drauf?
Die waren schon bedrückt. Meine Rolle als Vertriebsleiter beinhaltet häufig, Leuten zu spiegeln, was sie machen oder Vorgehensweisen zu verstärken oder in Frage zu stellen. Häufig sieht die Erwartungshaltung so aus, dass ich irgendeine Meinung habe oder sage: Wir machen jetzt das! Oder: Wenn das nicht geht, machen wir das! Wie nun eine Pandemie verläuft, kann ich jedoch genauso wenig vorhersagen wie irgendjemand anders bei uns im Team. Ich konnte keine neuen Vertriebsstrategien entwickeln, weil es einfach nicht viel gab. Wir haben uns dann mit dem Stay Home Club mit anderen Möglichkeiten beschäftigt und was auf die Beine gestellt.
Bei Tcuni hat sich abgezeichnet, dass sie zumindest telefonisch arbeiten kann, weil der Handel ja nicht wie die Gastro gestorben ist. Aber in den Gesprächen mit Benni, Marko und Andre war ich tatsächlich das erste Mal ein bisschen sprachlos in meiner Rolle. Das war auf jeden Fall eine neue Erfahrung (lacht).
Hast du Beispiele von uns nahestehenden Kunden, die durch die Pandemie hart getroffen wurden?
Ja. Eigentlich alle wichtigen Kunden haben oder hatten große Probleme. Das YAAM, Zum Franziskaner oder SO36 haben direkt angefangen, Crowdfunding-Kampagnen zu machen. Einige Kunden haben bereits dicht gemacht. Wie das schlussendlich alles ausgeht, weiß aber keiner, weil sich gerade das Insolvenzrecht verschoben hat. Man muss eine Insolvenz aktuell nicht anzeigen – bis Ende September. Das heißt, dass im September/Oktober viele Insolvenzen kommen könnten.
Was hat der Gastro-Lockdown in Zahlen für Quartiermeister bedeutet?
Im ersten Quartal hatten wir im Vergleich zum ersten Quartal 2019 über 40% Wachstum. Das hätte für uns ein sehr gutes Jahr werden können. Ich habe angenommen, dass es so weitergeht wie in den ersten Monaten. Nach einem sehr guten ersten Quartal kam dann das katastrophal schlechte zweite Quartal. Da haben wir mehr als 60% unserer Umsätze verloren, die wir letztes Jahr hatten. Was wir uns im ersten Quartal erarbeitet haben, wurde durch die Krise komplett eingerissen. Die Getränkebranche ist sehr frühlings- und sommerlastig. Q2 und Q3 sind die Quartale, in denen wir Geld verdienen. Deshalb war es zeitlich gesehen der denkbar schlechteste Augenblick für uns. Zum Anfang dachten wir, dass wir mit dem Handel und dem Online-Geschäft nur ein Viertel unserer Umsätze auffangen können. Wir haben dann im konventionellen Handel Gas gegeben und auch im Bio-Handel viele Aktionen gestartet – also alles getan, was ging, um möglichst viel rauszuholen. Dadurch konnten wir knapp 40% unseres Vorjahres-Umsatzes reinholen.
Also lief es besser als erwartet?
Ja. Jede Kiste oder Flasche, die wir über den Handel, über unseren Shop oder den Stay Home Club verkauft haben, hat uns gutgetan. Alles, was das Loch ein bisschen kleiner gemacht hat, hat geholfen.
Auf Festivals und anderen Events wird normalerweise relativ viel Quartiermeister getrunken. Was bedeutet es für das Unternehmen, dass alle Veranstaltungen abgesagt wurden?
Alleine für ein großes Festival war ein LKW Quartiermeister vorgesehen, also so 1.400 Kisten. Das ist alles Absatz und Geld, das uns jetzt fehlt. Und es sind Kunden, die wir lange aufgebaut haben. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass die 40%, die wir machen konnten, sehr positiv sind. Vor drei bis vier Jahren hätten wir mit dem Handel ca. 10% Umsatz aufgefangen, weil wir kaum in Supermärkten standen. Dass wir in den letzten Jahren versucht haben, nicht nur von der Gastro und Events abhängig zu sein, zahlt sich jetzt aus. Für reine Gastro-Marken ist es wie für die Gastronomen: Denen wurde der Geldhahn von heute auf morgen zugedreht. Uns fehlt nun knapp die Hälfte, aber wir haben zumindest noch die andere Hälfte. Ich bin zwar weit davon entfernt zu sagen, dass es uns nicht hart getroffen hat – es hat uns schon richtig hart getroffen – aber vor ein paar Jahren hätte uns Corona wahrscheinlich komplett den Stecker gezogen. Wir hatten zumindest ein bisschen, was wir dagegenhalten konnten.
Gab es trotzdem Momente, in dem du Angst hattest, dass Quartiermeister Corona nicht überleben würde?
Ja, schon. Die ersten ein bis zwei Wochen nach dem Lockdown war das eine reale Angst, dass wir das nicht überleben. Man muss dazu auch sagen, dass David und ich keine Erfahrungen mit Kurzarbeit hatten. Wir sind eigentlich immer gewachsen seit es Quartiermeister gibt. Es war völlig unklar, ob, wann und in welcher Summe man Zuschüsse bekommt. Es war unklar, ob wir Kredite bekommen und wenn ja, in welcher Höhe. In den ersten Wochen habe ich nur gesehen, was alles einbricht und verloren geht, ohne dagegen halten zu können.
Ich habe dann angefangen, hochzurechnen, wie sich die Infektionszahlen weiterentwickeln würden. Der Reproduktionswert lag dann irgendwann über 3. Ich habe mit diesem Wert mal einen Monat vorkalkuliert, und dachte: Scheiße, wenn sich das jetzt so weiterentwickelt – keine Ahnung, wann dann der Lockdown vorbei sein wird. Ich war mir anfangs wirklich sehr unsicher, ob wir das überstehen. Wobei es darauf ankommt, was man unter Überstehen versteht. David und ich wollten natürlich alles dafür tun, das Unternehmen zu sichern. Zeitgleich wollten wir unbedingt das bestehende Team durch die Krise bekommen. Man kann das natürlich wie andere Unternehmen machen: Krise – Sorge – wir entlassen alle. Und stellen irgendwann wieder ein. Nach dem Motto: Wenn man keine Ausgaben hat, braucht man auch keine Einnahmen. Das war für uns keine Option.
Wie hat sich deine Arbeit als Geschäftsführer und Vertriebsleiter in den letzten Wochen und Monaten verändert?
Fundamental. Vor Corona steckte ich mitten in den Vorbereitungen für die Expansion in den Norden und nach Hamburg: Partner gewinnen, ich wollte hinfahren und Personalgespräche führen, ich wollte jemanden einstellen. Mein Fokus lag voll auf Expansion. In den ersten Wochen habe ich mich fast nur mit David ausgetauscht, um zu schauen, was wir machen können, um Corona zu überstehen. Ich habe Zahlen gewälzt, um herauszufinden, wie viel Geld wir brauchen, welche Maßnahmen wir ergreifen und wie wir das nach innen und außen kommunizieren. Und im Vertrieb habe ich versucht, alles, wo man noch irgendwie Bier verkaufen kann, zu pushen. Im März haben wir mit dem Stay Home Club angefangen und im April hatten wir die ersten Handels-Aktionen.
Ich habe viel mehr Geschäftsführer-Tätigkeiten ausgeübt als vorher. Da lief ja alles. Und im Vertrieb gabs für mich auch eine 180 Grad Wende. Die Sachen, die ich vorher gemacht habe, sind gar nicht mehr auf dem Tisch. Und die Sachen, die ich jetzt mache, gab‘s nicht davor. Ich war voller Arbeit. Eigentlich kann ich ganz gut abschalten und trenne Freizeit und Beruf. Das ist mir zum Anfang gar nicht gelungen. Ich habe schlecht geschlafen, das ganze Wochenende mit David telefoniert, ständig Quartiermeister und die Krise im Kopf gehabt.
Wie hat sich die Arbeit der anderen Vertriebsmitarbeiter*innen verändert?
Wir haben direkt Kurzarbeit eingeführt. Daher hatten alle viel weniger Zeit, um überhaupt Vertrieb zu machen. Die meisten hatten aber ohnehin zum Anfang keine Kunden, die sie hätten ansprechen können. Deshalb hat sich deren Arbeit radikal geändert: viel weniger Zeit und viel weniger bis kein Potenzial, überhaupt was zu reißen. Teilweise haben wir Kunden angerufen, einfach nur um zu fragen, wie es ihnen geht und wie sie klarkommen.
Hatten die Kunden für solche Gespräche überhaupt einen Kopf?
Ich hatte schon das Gefühl, dass es fast allen Leuten guttat, sich auszutauschen. Teilweise wussten sie auch nicht, was sie jetzt beantragen oder dass sie überhaupt Sachen beantragen können. Oder wir haben angeboten, z.B. Crowdfunding Kampagnen zu teilen. Das ist natürlich kein Gamechanger, aber es setzt zumindest ein Zeichen.
Wie hat sich Quartiermeister im Vergleich zu anderen vergleichbaren und befreundeten Unternehmen geschlagen?
Es ist schwer, Vergleiche zu ziehen. Das ist total abhängig davon, in welcher Branche man unterwegs ist. Auch, ob ein Unternehmen finanziert ist oder nicht, wie viele Mitarbeiter*innen man hat, ob man kreditwürdig ist etc. Mir fallen viele Unternehmen ein, mit denen ich während der Krise gesprochen habe, aber eigentlich ist keins 1:1 vergleichbar mit unserem. Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir uns gut geschlagen haben. Wir haben gelernt, dass wir kreditwürdig sind bei der Bank. Es gab eine Umfrage von SEND e.V. Ich glaube, da lag der Anteil unter 5% der Sozialunternehmen, die einen KfW Kredit bekommen haben. Wir gehören also zu den wenigen, die diesen Kredit bekommen. Ich glaube, das Krisenmanagement war gut. Ich habe das Gefühl, dass wir es mit allen Stakeholdern – Verein, Mitarbeitenden, Geldgebern – so hinbekommen haben, dass wir gut miteinander umgegangen sind und es nicht zu großen Konflikten kam. Es gab Verständnis in alle Richtungen. Es hat sich so angefühlt, als würden alle mitziehen. Das hat es auch für mich einfacher gemacht. Es ist schön, Unternehmer zu sein, wenn es nur darum geht, dass man wächst und es drum geht, ob man mehr Leute einstellt oder das bestehende Team besser bezahlt oder beides und sich überlegt, was man sich als nächstes vornimmt. Aber wenn man seinen Leuten sagen muss, dass sie jetzt weniger verdienen und man nicht weiß, wie und ob es weitergeht, dann ist das kein schöner Unternehmer-Moment. David und ich waren schon sehr mitgenommen von der Situation. Deswegen hat es mir sehr gutgetan, zu merken, dass uns viel Vertrauen ausgesprochen wird und alle mitziehen, sodass es auch nicht so ein internes Ding gibt, wie: Ich mach aber viel mehr als A! Oder: B macht nichts! Es gab keine Konflikte mit uns oder im Team untereinander. Wir konnten die Werte und die Unternehmenskultur, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, aufrechterhalten. Die Unternehmenskultur ist krisenfest. Das fand ich außergewöhnlich und das hat mich sehr bestärkt.
Lustig, ich habe dann auch viel gelesen, wie man als Führungskraft mit der Krise umgehen soll und wie man es schafft, dass die Leute einem vertrauen und wie man Transparenz einführt. Teilweise klang dann so durch: Ok, ihr wart bislang nicht transparent, ihr habt kein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut und jetzt ist Krise und ihr fordert es ein. Da gabs wohl nie die Unternehmenskultur und auf einmal wurde es wegen der Krise eingefordert, dass die Leute so miteinander umgehen. Da habe ich gemerkt, dass Unternehmenskultur schon ein robustes Ding ist – ein gutes Fundament, um, wenn es mal scheiße läuft, trotzdem gut klarzukommen.
Wie würdest du Quartiermeisters Unternehmenskultur beschreiben?
Ein großer Wert, den wir auch nach außen kommunizieren, ist Transparenz. David und ich waren uns immer einig, dass wir nicht so tun werden, als sei nichts, sondern die Dinge aussprechen und auch sagen, dass es im worst case dazu kommen kann, dass wir nicht alle weiter beschäftigen können. Dinge, die eintreten können, zu verschwiegen, ist nicht so geil. Das ist schlechtes Erwartungsmanagement. Natürlich haben David und ich haben uns nicht wirklich auf diese Gespräche gefreut, in denen man seinen Mitarbeiter*innen sagen muss, dass – wenn‘s hart auf hart kommt – einige ihre Jobs verlieren könnten. Aber es tat gut, ehrlich zu sein. Und ich hatte auch immer das Gefühl, dass wir damit ans Team gehen konnten. Solche Gespräche können auch anders verlaufen.
Was wir auch versuchen, ist, dass wir uns nicht immer nur auf Business-Ebene unterhalten. Wenn wir unsere Meisterrunden machen, dann reden wir immer darüber, wie es uns geht. In unserer Halbjahresauswertung haben wir einen Block gemacht, in dem wir alle reflektiert haben, was die Krise mit uns gemacht hat – persönlich und beruflich. Bei uns ist es nicht ungewöhnlich, zu kommunizieren, dass es einem gerade nicht gut geht oder dass man Ängste und Sorgen hat. Wenn so ein Umgang bereits etabliert ist, kann man natürlich in Krisenzeiten auch leichter darüber sprechen. Wenn du hingegen eine „Silicon-Valley-Wir-Sind-Die-Geilsten-Startup-Unternehmenskultur“ hast, würde ich anzweifeln, dass sich die Leute vors Team stellen und sagen würden: „Mir geht’s beschissen, ich hab Angst um meinen Job oder um die Unternehmung“. Die menschliche Ebene ist definitiv Teil unserer Unternehmenskultur und macht uns aus. Genau wie wir ein Social Business nach außen sind, sind wir auch nach innen sozial. Wir machen Business, wir sind keine Hippie-Klitsche, die nur über ihre Gefühle redet – aber eben auch. Wir haben Ambitionen und Ehrgeiz, versuchen aber gleichzeitig menschlich miteinander umzugehen. Wenn David und ich mal Trübsal geblasen haben, gabs auch Leute im Team, die dafür Gespür hatten und einen gewissen Gegenpol gesetzt haben. Das gehört für mich auch zu unserer Unternehmenskultur. Dass nicht alles von der Geschäftsführung kommt. Es gab uns gegenüber viel Vertrauen, aber auch innerhalb des Teams. Auch jenseits von David und mir ist viel gelaufen, was gut war.
Was ich tatsächlich krass finde, und was mir auch imponiert hat, ist der Fakt, dass – und das sagen wir in jedem Podcast, in jedem Interview, dass es um den Impact geht und um die Sache – dass alle im Team dazu standen und immer die Fahne hochgehalten haben. Corona ist ein krasser Einschnitt für alle. Ich hätte auch verstanden, wenn es in den letzten Wochen zu Unmut gekommen wäre und sich die Leute mehr um ihre eigenen Belange geschert hätten. Ich fand das wirklich imponierend, dass, obwohl es hart auf hart kam, alle zusammengehalten haben. Das ist ähnlich wie in einer Freundschaft oder in einer Beziehung: Wenn’s richtig scheiße läuft, dann sieht man, wie wichtig einem die Sache ist – oder dem anderen. Und ob man bereit ist, dafür zu kämpfen. Das hat mir sehr deutlich gezeigt, dass wir die richtigen Leute haben. Ich weiß nicht, ob das Unternehmenskultur ist oder einfach Überzeugung. Ich habe das Gefühl, das passt zu dem, was wir uns auf die Fahne schreiben. Ich glaube nicht, dass das überall so ist.
Würdest du rückblickend etwas anders machen oder anders entscheiden?
Das ist tatsächlich schwierig zu sagen. Ich habe mir vorgenommen, das alles am Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres noch einmal zu evaluieren. Sowohl quantitativ als auch inhaltlich. Ich glaube, am Ende haben wir versucht, uns daran aufzuhängen, was der Worst Case sein könnte und alles einzurichten, dass wir auch überleben, wenn dieser Fall eintritt. Das ist besser, als sich an einem Mittel-Case auszurichten. Ich würde da wahrscheinlich wieder so herangehen. Denn wenn man selbst überhaupt keinen Einfluss darauf hat, welcher Case eintritt, sollte man vom schlechtesten ausgehen, wenn es um die Existenz geht. Eine wirkliche gute Auswertung kann man aber sicherlich erst vornehmen, wenn die Krise vorbei ist. Während unserer Halbjahresauswertung wurde uns bereits der Blick geschärft, was passiert ist und dass das bislang schon extrem dramatisch war. Deswegen waren auch die Maßnahmen als Reaktion dramatisch.
Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?
Da musst du jetzt einen kleinen Ausbruch ertragen (lacht). Auch wenn ich bei uns den Ruf des Optimisten innehabe, kriege ich viele Artikel bzw. Antworten auf diese Frage in den falschen Hals, die sagen, dass diese Krise doch eine richtig geile Chance ist: „Jetzt machen wir alles neu. Voll geil. Jetzt setzen wir die Wirtschaft neu auf. Und ich kann jetzt sieben Mal am Tag Yoga machen und Spanisch lernen“. Ich denke dann, wie ignorant manche Leute eigentlich sind. Ich meine, Deutschland geht’s im Vergleich gut als Land. Und uns, die noch Jobs haben, die nicht arbeitslos sind, die psychisch stabil sind und nicht Hometeaching machen müssen. Aber die anderen gibt’s halt auch. Und die sind glaube ich in der Mehrheit. Deshalb regt es mich einfach auf, wenn Leute sagen, dass Corona doch eigentlich super geil ist. Das finde ich makaber und ignorant. Fast schon egoistisch bzw. selbstbezogen.
Wir sind in einer Zeit, in der Nationalismus wieder en vogue ist. Das höchste aller Gefühle – und da muss man schon ordentlich bohren – ist europäische Solidarität. Und die muss man schon in Klammern setzen. Darüber hinaus – who cares? Größte Hungersnot seit langem in den Startlöchern – egal! Ich hab meinen Job und mache mehr Sport. Polen, Israel, … - es gibt diverse Länder, die jetzt Notstandsgesetze auf den Weg bringen und ihre Demokratie abbauen. Ich glaube nicht, dass das nach Corona wieder zurückgenommen wird. Gesellschaftlich, im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit, wirft uns Corona gefühlt weit zurück. Der Staatshaushalt sinkt, weil die Wirtschaft nicht mehr funktioniert. Unzählige Menschen verlieren ihre Arbeit und somit auch ihr Einkommen aufgrund von Insolvenzen oder Entlassungen. Die häusliche Gewalt steigt extrem an. Die psychische Folgen für viele fallen sicherlich ebenfalls extrem aus, das ist aktuell noch gar nicht alles richtig abzusehen. Und es sterben sicherlich noch eine halbe bis eine Millionen Menschen dieses Jahr, wenn nicht mehr.
Es gibt mit Sicherheit auch Positives, aber ich sehe deutlich mehr negative Folgen. Und ich denke, dass Leute, die nur Positives sehen, privilegiert sind und nur auf ihr Leben bzw. ihr direktes Umfeld schauen. Die reden nur über sich statt über die globale Pandemie als solche.
Trotzdem bieten Krisen einen guten Moment, zu reflektieren, ob man zufrieden ist mit dem, was man macht und warum man das macht. Eine gewisse Reflektion gibt’s ja schon. Ich freue mich aber erst, wenn daraus etwas Systemisches wird.
Ich persönlich habe gemerkt, dass Quartiermeister viel resilienter und stärker ist, als ich dachte. Und dass wir als Team sehr stark sind. Die Krise ist in ihrem Ausmaß einmalig. Ich denke, dass wir für die Zukunft viel besser gewappnet sind. Ich hab für mich selbst gemerkt, was mir gut tut in Krisenzeiten und wie ich mich selbst am Laufen halte.
Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?
Ich denke, mir wäre inzwischen klarer, was ein zweiter Lockdown heißt. Ich könnte das Ausmaß besser einschätzen. Ich würde nicht mehr an das Bild eines Sprints, sondern an das eines Marathons denken, in dem wir uns nach wie vor befinden. Wir haben in den letzten Wochen viel gelernt, z.B. wie Kurzarbeit funktioniert und wir wären bei einer zweiten Welle viel schneller. Ich würde mich wahrscheinlich nicht ganz so ohnmächtig fühlen und nicht so verloren.
6. August 2020 09:43
NoneAnnika redet in ihrem Job bei Quartiermeister am liebsten über Positives, denn sie ist für die Good News zuständig. Gut war erstmal relativ wenig als sich Corona immer weiter ausbreitete. Welche Optionen sich für Quartiermeister dennoch aufgetan haben und wie es Annika in den letzten Wochen und Monaten ging, lest ihr hier.
Wie hast du über Corona gedacht als du zum ersten Mal in den Medien davon gehört hast?
Ehrlich gesagt habe ich Corona eine ganze Zeit lang überhaupt nicht ernst genommen. Ich erinnere mich, dass Corona anfangs von allen Seiten mit einer normalen Grippe verglichen wurde und lies mich dahingehend schnell überzeugen und war derselben Meinung. Eine lange Zeit habe ich mich persönlich überhaupt nicht betroffen gefühlt. Ich hatte keine Ahnung, welche Ausmaße das alles annehmen würde. Bis zu dem Zeitpunkt, als wir in unseren Meisterrunden angefangen haben, ernsthaft über Corona zu sprechen und es auch bei uns im Team zu Ängsten kam. Als wir dann – das war an einem Freitag Mitte März – in einem spontanen Krisen-Call beschlossen haben, dass wir alle zu Hause bleiben sollen, hat sich das Blatt ordentlich gewendet. Das war der Freitag vor dem Lockdown. Nach diesem Wochenende war alles anders.
Wie war denn die Stimmung während dieses Calls?
Ich erinnere mich, dass bei mir die Stimmung da ziemlich gekippt ist. Ich war total bedrückt und dachte mir, dass es tatsächlich sein kann, dass sich unser aller Leben nun gewaltig ändern wird und dass Corona für viele Menschen in einer richtigen Katastrophe enden kann. Niemand wusste, was passieren wird, das fand ich schon beängstigend. Ich glaube, so ging es den meisten. Normalerweise ist die Stimmung bei uns eher fröhlich-ausgelassen. An dem Tag waren wir alle super ernst. Das hat sich total surreal angefühlt. Ich glaube, dieser Skype-Call war eine der ernstesten Situationen, die ich bislang bei Quartiermeister erlebt habe.
David und Peter haben dann relativ zügig die Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen angekündigt. Wie gings dir mit dieser Entscheidung?
Nicht gut. Wir hatten so viele Pläne für dieses Jahr und echt viel vor. Allein für unser 10jähriges Jubiläum, das offiziell dieses Jahr stattgefunden hätte, musste noch so viel erledigt werden. Der erste Gedanke war also: Wie soll ich denn das alles machen, wenn ich nur noch 10% meiner Arbeitszeit habe? Erst dann habe ich realisiert, dass ein Großteil meiner Arbeit sowieso hinfällig sein wird. Einfach, weil nichts mehr so war, wie es war.
Kurzarbeit bedeutet natürlich auch weniger Gehalt. Dass bei uns niemand säckeweise die Kohle nach Hause schafft, ist ja klar. Da habe ich teilweise schon finanzielle Ängste entwickelt. Aber ehrlich gesagt war ich für jede Möglichkeit offen, die bedeutet hat, dass Quartiermeister überlebt und niemand seinen Job verlieren wird. Ich habe zu der Zeit viel mit David gesprochen und ich hatte immer das Gefühl, dass David und Peter ehrlich zum Team waren und uns nichts beschönigt oder dramatisiert haben. Die Situation war echt ernst. Und irgendwie sitzen wir ja alle im gleichen Boot. Wir haben also gemeinsam alles versucht, dieses Boot vorm Sinken zu retten. Da war es auch vollkommen ok, in der Runde sein Ängste zu thematisieren. Wir sind sehr offen damit umgegangen und haben uns gegenseitig supported. Das hat mir echt geholfen, mit der ganzen Sache besser klarzukommen.
Welche Auswirkungen hatte Corona auf deinen Arbeitsbereich Marketing & PR?
Einige! Im Prinzip konnte ich überall die Stopp-Taste drücken. Events fanden nicht mehr statt, Vorträge wurden abgesagt, unser eigenes Jubiläum, woran ich viel gearbeitet habe, drohte ins Wasser zu fallen und für happy Social Media Postings oder Pressemitteilungen war es auch nicht die richtige Zeit. Es hat sich irgendwie alles unangemessen angefühlt in Anbetracht der Tatsache, was gerade in der Welt passiert. Ich habe also erstmal gar nichts gemacht und in die Röhre geguckt. Ich habe dann versucht, mir die übrige Zeit mit strukturellen Dingen zu vertreiben, was aber ja auch erstmal niemandem was nützt. Das war gar nicht leicht, damit klarzukommen, dass man nichts machen kann.
Um den 20. März herum haben wir mit OSTMOST, Solidrinks und Querfeld den Stay Home Club gegründet. Das war tatsächlich ein Segen, weil ich endlich etwas Sinnvolles tun konnte. Ich habe dann in meiner verbleibenden Arbeitszeit ausschließlich an dem Projekt gearbeitet.
Hat Corona für Quartiermeister auch Marketing-Optionen oder -Potenzial geboten?
Ja, auf jeden Fall. Mit dem Stay Home Club haben wir etwas auf die Beine gestellt, was ansonsten so nicht passiert wäre. Die Idee ist ja aus der Krise geboren, weil wir – die Gründungsmitglieder – uns alle durch den Gastro-Lockdown hart in der Existenz bedroht gesehen haben. Nach dem Motto „Wenn du nicht zu uns kommen kannst, kommen wir zu dir“ haben wir mit dem Stay Home Club den direkten Kontakt zum*r Endverbraucher*in aufgebaut, den wir so im normalen Geschäft ja kaum haben. Das hat auch echt viel Spaß gemacht, daran zu arbeiten. Passiert ja auch nicht so häufig, dass man auf einmal mit Menschen aus anderen Unternehmen so eng zusammenarbeitet. Ich habe dann auf einmal mehr Zeit mit Lukas von OSTMOST und Roberta von Solidrinks verbracht als mit den anderen Quartiermeister*innen, weil wir zu dritt die Marketing-Taskforce für den Stay Home Club gebildet haben. Wir haben uns die Arbeit aufgeteilt, weil wir insgesamt ja viel weniger Zeit zur Verfügung hatten. Die Arbeit am Stay Home Club war auf jeden Fall cool und spannend. Niemand von uns hatte Ahnung von E-Commerce, aber es hat trotzdem ganz gut geklappt.
Wir haben außerdem mehr Bestellungen in unserem eigenen Online-Shop rein bekommen. Das war aber eher ein Selbstläufer. Ich denke, dass viele Menschen einfach versucht haben, Quartiermeister in der aktuellen Lage zu unterstützen – und wenn es nur bedeutet hat, ein Bierpaket im Shop zu bestellen. Teilweise haben Besteller*innen wirklich sehr liebe Nachrichten im Bemerkungsfeld hinterlassen. Es wurde uns viel Kraft und Durchhaltevermögen gewünscht. Das war wirklich sehr rührend. Wir konnten insgesamt also Wege gehen, die wir unter normalen Umständen vermutlich so nicht eingeschlagen hätten.
Kannst du etwas Positives aus der Krise ziehen?
Naja, zum einen habe ich festgestellt, dass ich nicht auf Dauer 40 Stunden arbeiten möchte. Nee, aber mal im Ernst: Der Lockdown hatte irgendwie etwas Entschleunigendes. Auf einmal stand einem so viel Zeit zur Verfügung, in der man durchaus grundliegende Dinge durchdenken und reflektieren konnte – persönlich wie beruflich. Gleichzeitig habe ich verstanden, dass man Signale ernst nehmen muss. Rückblickend finde ich es erschreckend, dass ich Corona so lange auf die leichte Schulter genommen habe. Das ist ähnlich wie mit Vorsorgeuntersuchungen. Die sollte man auch in Anspruch nehmen, seinen Körper achtsam betrachten und vielleicht doch einmal mehr zum Checkup gehen. Einfach, um Schlimmeres frühzeitig zu vermeiden. Ähnlich sehe ich das mit Corona und ich denke, dass wir als Gesellschaft in Zukunft sensibler auf solche Geschehnisse reagieren sollten. Ansonsten kann ich relativ wenig Positives aus der Krise ziehen. Unzählige Menschen sind gestorben, Viele sind durch die Isolation vereinsamt und noch mehr sind nahe am wirtschaftlichen Ruin. Und Corona ist noch längst nicht vorbei. Fast überall steigen die Fallzahlen rasant an. Das ist schon beängstigend.
Und für Quartiermeister?
Mal abgesehen davon, dass wir richtig hart einbüßen mussten? Ja, da gibt’s schon das ein oder andere. Ich finde, dass wir die gesamten letzten Monate innerhalb des Teams mega gut zusammengehalten haben. Auch mit dem Verein. Da kam auch viel Support. Als Unternehmen haben wir gesehen, dass wir super schnell und flexibel reagieren können und dass wir den Mut aufbringen, auch neue Wege einzuschlagen und andere Dinge auszuprobieren.
Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?
Anders machen würde ich wahrscheinlich nicht viel. Ich glaube, ich würde einfach gelassener mit der Situation umgehen. Einfach, weil sie nicht mehr so neu wäre. Ich hoffe sehr, sehr, sehr, dass es nicht zu einem zweiten Lockdown kommt und dass sich die Leute an die Empfehlungen halten. Immerhin haben wir die Ausbreitung ein stückweit selbst in der Hand. Wenn ich dann diese ganzen Vorfälle lesen, dass sich Menschen in Kneipen und Restaurants infizieren und die Hälfte aller Menschen falsche Kontaktdaten angeben und Infektionsketten somit nicht nachvollzogen werden können, dann fällt mir dazu echt nichts ein. Ich kann nur hoffen, dass diese Menschen irgendwann mal ihr Gehirn einschalten und verstehen, dass es nicht nur um sie geht.
3. August 2020 09:20
annika.bruemmerQuartiermeister wäre nicht Quartiermeister ohne den ehrenamtlichen Verein, der sich um die Vergabe der Fördergelder kümmert, die all die fleißigen Menschen Jahr für Jahr zusammentrinken, denn 10 Cent pro Liter fließen in unseren Spendentopf. Wir haben mit Vivi, Kati und Roman vom Vorstand gesprochen, was Corona für Auswirkungen auf unsere Projektförderung hat.
Alex, Kati, Roman, Thomas & Vivi (Vorstand Quartiermeister e.V.)
Der Verein generiert einen Großteil seiner Einnahmen durch Events, wie z. B. den Karneval der Kulturen. Wie wirkt sich der Wegfall aller Veranstaltungen auf die finanzielle Situation des e.V. aus?
Vivi: Jedes Jahr im Februar oder März planen wir auf der Jahreshauptversammlung die Budgets für das folgende Jahr. Das war dieses Jahr zwei Wochen vor dem großen Lockdown. Da haben wir sämtliche Einnahmen und Ausgaben einbudgetiert. Einnahmen für den Verein sind einerseits die Einnahmen der GmbH, die dann in Teilen von uns als Fördergelder verwendet werden. Dann haben wir interne Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Veranstaltungen, die wir auch nur für interne Ausgaben verwenden. In diesem Jahr mussten wir alle Veranstaltungen absagen. Der Einnahmebatzen fällt komplett weg. Wir haben mit 2.500 € gerechnet, die wir durch den Bierverkauf auf Veranstaltungen einnehmen würden. Das ist relativ viel und deutlich mehr als wir durch die Mitgliedschaften generieren.
Die Mitgliedsbeiträge bleiben natürlich erhalten. Da haben wir zugesehen, dass die stabil bleiben und eventuell sogar gesteigert werden können, z.B. durch neue Mitgliedschaften, neue Zahlungsformen oder durch ein Spenden-Tool auf der Homepage, weil wir natürlich gewisse Fixkosten haben, die wir jedes Jahr zahlen müssen, wie Versicherung oder Kontoführung. Gleichzeitig können wir viele andere Kosten reduzieren. Das sind sämtliche zellbezogenen Kosten, wie die Verpflegung auf unseren Vereinstreffen in den verschiedenen Zellen oder vereinsinterne Aktivitäten. Das fiel dieses Jahr zum größten Teil alles weg durch Corona, deshalb haben wir da keine Ausgaben.
Dann haben wir einmal im Jahr ein Retreat, der den größten Kostenblock darstellt. Glücklicherweise haben wir aber Roman, der uns mit seiner Ferienunterkunft eine kostenfreie Location stellen kann. Der Verein hat jetzt einen Teil der Kosten für die Vereinskoordination, also für Lisas Stelle, übernommen. Das liegt daran, dass das Unternehmen alle Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit schicken musste, Werkstudent*innen aber kein Kurzarbeitergeld bekommen, worunter Lisa, unsere Vereinskoordination, fällt. Deshalb haben wir das fehlende Gehalt von Lisa von unseren internen Vereinsbudget aufgestockt. Das bezahlen wir aus Erspartem aus den letzten Jahren. Wir schauen dann nächstes Jahr, wie wir da weiter verfahren. Dieses Jahr passt das.
Quartiermeister sah sich zum Anfang des Lockdowns in seiner Existenz bedroht und musste unmittelbar alle Ausgaben auf ein Minimum schrauben. Was bedeutet das für die Projektförderung?
Kati: Da Quartiermeister hart vom Lockdown und der Schließung der Gastronomie getroffen war, war sofort klar, dass die Förderung eingefroren werden muss. Die Förderung ist natürlich eines der Kernanliegen von Quartiermeister. Aber die GmbH und der Verein gehen Hand in Hand. Das heißt: Wenn kein Umsatz generiert werden kann, kann keine Förderung stattfinden. Es fließt immer ein fester Satz von 10 Cent pro Liter in unseren Fördertopf. Am Ende des Jahres wird ermittelt, wie viele Liter Bier verkauft wurden und wir erhalten dann die 10 Cent pro Liter. Letztes Jahr liefs echt gut. Es wurden 560.000 Liter verkauft, das heißt, wir hätten 56.000 € für die Förderung gehabt. Wir haben besprochen, dass wir diese Summe ausschütten werden, sobald es dem Unternehmen wieder besser geht. Es war klar, dass der Grundsatz der Projektförderung auch durch Corona nicht angegriffen werden soll.
Wie steht ihr zu der Entscheidung, dass die Projektförderung zunächst eingefroren wurde?
Kati: Es hat sich auf jeden Fall richtig angefühlt, die Förderung einzufrieren, um sicherzustellen, dass das Unternehmen überlebt und somit das Grundprojekt Quartiermeister bestehen bleiben kann. Retrospektiv sind wir sehr zufrieden mit der Entscheidung. Wir standen die ganze Zeit im engen Austausch mit dem Unternehmen. Wir haben mit der Entscheidung den sicheren Weg gewählt. Klar waren wir wehmütig, gar keine Förderung ausschütten zu können. Gerade in dieser Zeit, wo natürlich auch viele soziale Projekte an ihre Grenzen kommen. Wir hatten zu Beginn des Jahres sogar noch überlegt, einen Soli-Topf einzurichten. Dieser Topf sollte genau solchen Projekten unter die Arme greifen, die ganz dringend Support brauchen. Dennoch haben wir die Entscheidung, die Projektförderung zunächst auszusetzen, gemeinsam mit dem Unternehmen gefällt. Das war auf jeden Fall der vernünftigste Weg.
Gibt es schon Lichtblicke, ab wann der Verein erneut fördern kann?
Kati: Wir sind gerade dabei, ein System zu entwickeln, wie wir die Förderung perspektivisch langsam wieder hochfahren zu können – parallel zum Unternehmen, das ja auch langsam etwas besser auf die Beine kommt. Wenn abzusehen ist, dass der Umsatz wieder steigt, möchten wir gleichzeitig die Förderung langsam wieder anziehen. Wir werden versuchen, stufenweise die Gelder auszuschütten, die für dieses Jahr vorgesehen waren. Unser Anspruch und Wunsch ist es definitiv, die vorgesehene Förderung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Aber nur so, wie es möglich ist, ohne dass es zu finanziellen Problemen für das Unternehmen kommt.
Habt ihr da schon einen Zeitpunkt ins Auge gefasst, ab wann es wieder losgeht mit der Förderung?
Kati: Wir haben mit dem Unternehmen bestimmte Grenzwerte festgelegt. Wenn im dritten Quartal ein gewisser Umsatz, und eine damit verbundene Sicherheit für das Unternehmen erzielt werden kann, soll im vierten Quartal die erste Förderung stattfinden. Das werden wir aber situativ entscheiden.
Hat sich eure Arbeit als Vorstand des Quartiermeister e.V. in den letzten Monaten durch Corona verändert? Und wenn ja, inwiefern?
Roman: Die Arbeit im Vorstand hat sich definitiv intensiviert. Normalerweise haben wir monatliche Meetings. Durch die Krise haben wir regelmäßigere Calls mit der Firma gehabt, weil wir uns viel effektiver und schneller austauschen mussten, um schnelle Entscheidungen zu treffen. Das hat die Zusammenarbeit mit der GmbH noch einmal intensiviert. Dadurch, dass wir im Verein an verschiedenen Orten Deutschlands organisiert sind, haben wir eh schon immer viel digital gearbeitet.
Fielen in den letzten Monaten zusätzliche Aufgaben für euch als Vorstand an?
Roman: Naja, wir sind im Prinzip genau wie die Firma mit einer Art Krisenmanagement beschäftigt. Einerseits mussten wir mit der GmbH besprechen, wie wir als Verein auf Corona reagieren. Zwischen dem Verein und der GmbH ist es ja wie in einer Ehe: Wenn’s bei dem einen Partner kriselt, muss der andere reagieren. So war das als Corona begann. Wir mussten schnell reagieren und schnelle Entscheidungen treffen. Und da wir auch als Verein transparent arbeiten, war es uns sehr wichtig, alle getroffenen Entscheidungen schnell und transparent an alle Vereinsmitglieder zu kommunizieren. Da haben wir als Vorstand sehr gute Arbeit geleistet. Das war gutes Teamwork!
Gibt es Dinge, die ihr als Verein tun konntet, um Quartiermeister zu unterstützen?
Roman: Wir haben uns natürlich Gedanken darüber gemacht, was wir als Verein tun können. Wir wollten Quartiermeister so gut es geht unterstützen und mehr tun, als uns hin und wieder einen Kasten über den Stay Home Club nach Hause zu bestellen. Wir wollten mehr helfen! Wir haben dann alle Mitglieder dazu aufgerufen, bei jedem Einkauf zu schauen, dass Quartiermeister im Supermarkt-Regal gut platziert ist. Wir haben die Etiketten nach vorne gedreht und wenn wir Quartiermeister im Handel vermisst haben, auch einfach das Personal vor Ort drauf angesprochen. Das schafft Nachfrage. Das war unser kleiner Beitrag als Verein, um die Firma zu unterstützen.
Normalerweise treffen sich die verschiedenen Vereinszellen regelmäßig zu Vereinstreffen oder für die Auswertung der Anträge auf unsere Projektförderung. Habt ihr euch in den letzten Wochen und Monaten überhaupt zu Gesicht bekommen?
Roman: Nicht so wirklich. Als die Pandemie ausgebrochen ist, war das wie eine Art Innehalten. Jede*r musste erst mal selbst schauen, wie er oder sie mit der Krise umgeht. Wir alle haben unser persönliches Umfeld und unterschiedliche Jobs, unterschiedliche familiäre Situationen. Uns ist dann aber schnell klargeworden, dass wir schon den Kontakt wiederhaben wollen. Lisa hatte dann die Idee der „Wertuellen Kneipenabende“. Das war etwas ganz Besonderes. Jede*r hatte das Bedürfnis, mal wieder rauszugehen und sich auszutauschen, aber auch Gelegenheiten zu nutzen, um an interessante Informationen zu kommen. Mit den Wertuellen Kneipenabenden hatten wir wirklich schöne Treffen, die auch oft lustig waren. Wir haben immer ein bestimmtes Thema besprochen, was wir als Verein nach außen tragen wollten. Trotzdem fehlt uns der persönliche Umgang. Das möchten wir als Vorstand schnellstmöglich wieder aktivieren.
Es gab doch auch mal einen digitalen Bierworkshop mit David, oder?
Roman: Oh, da war ich leider nicht dabei. Ich habe aber gehört, dass es an Bier nicht gemangelt hat.
Vivi: Ich war dabei! Das war sehr schön. Das war ziemlich am Anfang von Corona. Da sind Leute aus allen Zellen zusammengekommen. Auch Leute, die man schon ewig nicht mehr gesehen hat oder die vor Ort auch gar nicht so aktiv sind. Das war wirklich ein tolles Gefühl, alle zu sehen. Das hat man in dieser Form eigentlich nur auf unserem Jahres-Retreat.
Habt ihr auch etwas über Bier gelernt?
Vivi: Ich habe das erste Mal ein paar Dinge verstanden, die ich nach zehn Bierworkshops noch nicht verstanden hatte, z. B. was obergärige Hefe bedeutet (lacht). Die meisten von uns waren echt gut vorbereitet und hatten verschiedene Sorten da. In Dresden haben sich die Leute im Park getroffen und zusammen getrunken. Es war echt schön.
Wie war aus eurer Sicht die Kommunikation mit der GmbH während Corona?
Roman: Sehr besonders. Wir haben auch in den Monaten vor Corona sehr gut zusammengearbeitet. Es gab viele Veränderungen in der Struktur, z. B. was Professionalität angeht. Wir haben also bereits intensiv an unserer Kommunikation gearbeitet und waren eigentlich schon alle happy. In der Krise hat sich dann gezeigt, dass wir ein sehr gutes Fundament haben. Da muss die Kommunikation schon sehr gut laufen. Man muss sich in gewissen Situationen auch mal zurücknehmen können und im Interesse der anderen denken. Es gab es kein einziges Treffen, in dem wir nicht auf einen Nenner gekommen sind. Und wir haben echt über strenge und harte Themen gesprochen. Ich mein, wenn wir über die Verwendung von Fördergeldern sprechen, haben wir als Vorstand eine große Verantwortung. David und Peter haben sich viel Mühe gegeben, uns die Zahlen 100% transparent offenzulegen und haben sehr offen über ihre Gedanken, ihre Ängste, ihre Hoffnungen gesprochen. Wir als Vorstand waren uns sicher, dass alle Entscheidungen sowohl im Interesse der Firma als auch des Vereins getroffen wurden. Da hatten David und Peter unsere 100%ige Rückendeckung.
Hattet ihr jemals Angst, dass Quartiermeister an Corona zugrunde gehen könnte?
Roman: Bei mir sind relativ schnell die Alarmglocken losgegangen, da ich weiß, dass Quartiermeister in der Gastronomie sehr stark ist und im Handel gerade die ersten Schritte geht. Durch den Lockdown der Gastronomie war das eine sehr ernste Lage. Es wusste ja niemand, wie lange der Lockdown dauern würde. Quartiermeister ist mit ca. 80 % seines Umsatzes von der Gastro abhängig. Mal abgesehen davon, dass ein Laden zumacht, ist ja die nächste Frage, ob er überhaupt wieder aufmacht und wie er aufmacht. Tische mussten auseinandergestellt werden, die Läden konnten nur zu 60% ausgelastet werden, was dann wiederum nur 60% des Umsatzes bedeutet. Was ist mit den Clubs, wie z.B. dem YAAM, was ein sehr enger Partner von Quartiermeister ist? Kommen die jemals wieder an den Start? Überleben diese Clubs? Die Frage ist, ob der Handel diese Umsatzeinbußen überhaupt auffangen kann. Deswegen habe ich mir sehr viele Sorgen gemacht, ob das funktioniert. Wir können nur froh sein, dass die Regierung eine gute Unterstützung geleistet hat und wir auch davon profitiert haben. Aber meiner Meinung nach war das eine extrem kritische Situation.
Kati: David und Peter haben eine sehr sichere Ausstrahlung gehabt in ihrer Kommunikation, was die Sicherheit und das Unternehmen angeht. Deshalb habe ich mir eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirkliche Sorgen gemacht. Ihre Aussagen klangen immer vollkommen fundiert und waren mit Zahlen belegbar. Deshalb kamen bei mir nie Zweifel auf. Ich habe mir eigentlich nur über die Mitarbeiter*innen von Quartiermeister Gedanken gemacht und gehofft, dass niemand seinen Job verliert und dass alle mit dem Kurzarbeitergeld gut über die Runden kommen. Deshalb war ich auch froh, dass wir als Verein die Möglichkeit hatten, Lisa, unsere Vereinskoordination, zusätzlich zu supporten und zumindest hier unseren Beitrag leisten konnten. Meine Sorgen galten also eher den Menschen hinter Quartiermeister als dem Projekt an sich.
Vivi: Ich habe mir eigentlich nur zum Anfang, also Mitte März, Sorgen gemacht, weil es bei Quartiermeister – im Vergleich zu anderen Unternehmen – keine großen Kredite gibt. Keine Investoren oder sonst jemanden, der schnell aufspringen kann, um Geld ins Unternehmen zu pumpen, so wie es bei sehr vielen anderen Start-ups der Fall ist. Die Unabhängigkeit von Quartiermeister wurde also kurzfristig zu einem gefühlten Nachteil. Die Sorgen sind aber relativ schnell wieder verflogen. Einfach, weil wir so viel miteinander gesprochen haben. David und Peter, und auch das gesamte Team, haben sehr konzentriert und gut daran gearbeitet, dass wir irgendwie zusammen überleben.
Gibt es etwas, was ihr noch loswerden wollt?
Kati: Für mich als neues Vorstandsmitglied war es sehr schön, einen Ort zu haben, an dem man sich austauschen kann. Wir haben uns im Vorstand fast wöchentlich digital gesehen. Vielleicht ist die Gruppe des Vorstands sogar die Gruppe, die mich im letzten halben Jahr am regelmäßigsten begleitet hat. Ich habe auch gemerkt, dass ein Social Business doch sehr belastbar ist, weil wir einfach an den ideellen Werten so sehr festhalten und das mehr bedeutet, als einfach nur Umsatz. Ich schaue jetzt sehr positiv in die Zukunft und freue mich, wenn wir dieses Interview irgendwann wiederholen und über die Zukunftsperspektiven reden (lacht).
Roman: Es ist ein tolles Gefühl, ein Teil von Quartiermeister zu sein. Man ist einfach mehr als nur der Einzelne. Die Vision von Quartiermeister steht so weit oben und wird mit so viel Leidenschaft getragen – auch in so einer Krise. Peter und David hätten wirklich kopflos durch die Gegend rennen können. Aber die beiden waren immer transparent und haben zu jeder Zeit ein gutes Gefühl vermittelt. Das hat uns als Verein sehr motiviert, dieses Gefühl weiterzutragen. Meiner Meinung nach werden wir gestärkt aus der Krise hervorgehen. Wir sind noch enger zusammengewachsen. Und trotzdem: Die Situation ist nicht beendet.
Vivi: Ich denke, dass die Zeit gezeigt hat, dass es viel mehr Sinn für die ganze Gesellschaft macht, wenn alle Unternehmen nachhaltig wirtschaften würden und sich an Quartiermeister ein Beispiel nehmen würden. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die gesund arbeiten und nicht ausbeutend, zukunftsfähig sind. Und ich wünsche mir, dass es mehr Unternehmen gibt, die so sind.
Roman: Wir sind die einzige Biermarke, die systemrelevant ist (lacht).
Vivi: Das ist ein guter Abschluss!