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Corona-Talk mit Marko: „Ich bin nach wie vor mit meiner Arbeit weit entfernt von dem, was ich kann und was ich machen möchte“

13. August 2020 08:06

annika.bruemmer

Marko ist unsere Vertriebsrakete in der Berliner Gastronomie. Durch den Lockdown standen die Uhren auf unbestimmte Zeit still. Dennoch hat Marko den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Wie es ihm in den letzten Monaten ergangen ist, erfahrt ihr im Interview.

Wie hast du dich gefühlt als du zum ersten Mal von Corona gehört hast?

Ich möchte es jetzt nicht so darstellen, als hätte ich das Ganze ignoriert. Zum Teil aber schon, weil es zum einen für mich ein komplett neues Thema war. Zum anderen bin ich nicht der Typ, der sofort durchdreht oder überreagiert. Für mich gilt: Erst mal schauen und beobachten. Deshalb war ich da eher entspannt.

 

Kannst du dich erinnern, ab wann du Corona als ernstes Thema betrachtet hast?

Ernst wurde es, als es bei uns im Unternehmen und auch in Kundengesprächen mehr thematisiert wurde. Ab dem Zeitpunkt wurde das Thema auch wichtiger für mich und dann habe ich mich selbst auch mit Corona befasst.

 

Als Gastro-Vertriebler bist du ausschließlich in Bars, Kneipen, Restaurants und für Festivals unterwegs. Wie ging es dir als klar war, dass die gesamte Gastro nun erst mal schließen wird und alle Veranstaltungen abgesagt wurden?

Ich habe mich gefragt, was das alles zu bedeuten hat, ob das wirklich sein kann. Passiert das jetzt wirklich? Ich habe anfangs ja nur über Corona gelesen. Auf einmal habe ich miterlebt, was für Ausmaße das annehmen kann. Das Ganze irritierte mich schon ein wenig. Aber wie geht man mit solchen Dingen um? Das war ja komplett neu. Ich nehme mir immer zunächst Zeit, um dann entsprechend zu reagieren.

 

Aber du warst mit deiner Arbeit ja unmittelbar vom Lockdown betroffen.

Ja, stimmt.

 

Aber dennoch bist du ruhig geblieben und wolltest erst mal die Lage beobachten?

Ja, beobachten und dann richtig handeln. Vielleicht bin ich zu lösungsorientiert. Ich gehe einfach davon aus, dass ich das in meiner Position bei Quartiermeister hinbekomme bzw. wir als Unternehmen. Wir haben unsere Maßnahmen bestimmt. Ich habe von Anfang an versucht, das alles nicht so sehr an mich heranzulassen, sondern mich davor zu schützen und auch andere nicht mit reinzuziehen. Gucken und dann richtig drauf zu reagieren.

 

Wie hat sich deine Arbeit verändert? Konntest du in Corona-Höchstzeiten überhaupt noch arbeiten?

Für mich galt herauszufinden, was wir bei Quartiermeister tun können und da haben wir alle schnell reagiert. Wir sind alle in Kurzarbeit gegangen. Dadurch konnte ich ja automatisch weniger tun. Wir wussten ja auch nicht, wie lange der Lockdown dauern würde. Ich habe in der Zeit viel nachgedacht: über meine Kolleg*innen und Kund*innen. Es gibt Menschen, mit denen man schon so lange zusammenarbeitet. Mit diesen Leuten habe ich Gespräche gesucht. Besuche waren ja leider nicht möglich. Das Verkaufsthema habe ich dabei nie in den Vordergrund gestellt. Das war total uninteressant. Es ging mehr um das Persönliche: Wie geht’s den Menschen auf der anderen Seite, unseren Partnern?

Ich konnte mich auf einmal um mich kümmern, ich konnte meine Arbeitsstruktur überdenken. Das Thema Coaching ist nach vorne gerutscht, dafür hatte ich Zeit. Und der Austausch zwischen uns Kolleg*innen war auch immer da. 

 

Hattest du jemals Angst um deinen Job?

Das ist eine gute Frage. Ich bin prinzipiell kein ängstlicher Typ. Es muss schon richtig bedrohlich sein, damit ich Angst habe. Da muss es schon fast keinen Ausweg mehr geben. Kurzzeitig war dieses Gefühl da. Wir haben im Team offen über alles gesprochen. Auch über die finanzielle Situation und über das Loch, das entsteht und natürlich darüber, wo wir Geld herbekommen. Das hat mich schon bedenklich gestimmt und mich auch kurzzeitig in eine andere Stimmung versetzt. Konkrete Angst hatte ich aber nie. Ich bin davon ausgegangen, dass wir alle Ausgaben soweit reduzieren, wie wir müssen und uns entsprechend der Lage anpassen. Ich habe versucht, optimistisch zu bleiben und an den Zeitpunkt zu denken, wenn es wieder losgehen kann und dass wir wieder dahin kommen werden, wo wir vorher waren. Dann werde ich gebraucht werden. Ich habe nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich Angst haben muss. Ich war mir immer sicher, dass es weitergehen wird – wie auch immer es laufen wird.

 

Wie haben Kund*innen reagiert, wenn du dich bei ihnen gemeldet hast?

Die haben sich gefreut. Dadurch gab es weiterhin eine Verbindung. Da die Gespräche ganz anders liefen – sehr persönlich – waren das immer gute und lange Gespräche. Ich denke, es war wichtig, dass wir immer die Verbindung gehalten haben, auch wenn es schwer war. Ich konnte natürlich nicht immer alle Leute erreichen. Gewohnte Rückrufe gab es auch nicht. Da musste man anders dranbleiben. Dieses Feingefühl musste man schon mitbringen: Wann redet man mit wem? Über welche Themen? Aber ich denke, das ist mir gut gelungen.

 

Hast du von Kund*innen gehört, die Corona nicht überlebt haben? Und wie geht es dir dabei?

Ja, die gibt es. Einige wissen nach wie vor nicht, wie es ausgehen wird. Andere sagen klar: Marko, wir schaffen’s nicht. Wir müssen schließen. Das macht mich traurig und solche Gespräche führen dazu, dass man noch mal anders über die gesamte Situation nachdenkt. Was machen die Leute jetzt? Z.B. wenn es sich um Angestellte handelt. Wenn es der Unternehmer selbst ist, dann stellt man sich wiederrum ganz andere Fragen.

 

Du bist immer unterwegs und kennst dich in der Gastro-Szene ziemlich gut aus, die in Berlin unglaublich vielfältig ist. Glaubst du, dass sich Berlin langfristig durch Corona verändern wird?

Da gehe ich stark von aus. Gastronomen versuchen, andere Wege zu gehen. Es wird neue Ideen geben. Vielleicht wird das nicht unmittelbar spürbar sein, aber es wird sicherlich anders werden. Momentan befinden wir uns ja nach wie vor in der Corona-Situation. Und das wird auch noch lange so bleiben.

 

Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine Arbeit ein?

Ich versuche, den Ausdruck „zweite Welle“ in meinen Gesprächen zu vermeiden, aber man kommt nicht dran vorbei. Und vielleicht komme ich durch diese Frage jetzt nicht dran vorbei. Wenn die zweite Welle nun kommt, dann wissen wir alle nicht, wo sie uns hinspülen wird. Wenn sich die Situation hingegen schleichend verbessert, dann wird sich an meiner Arbeit nicht viel ändern. Gastronomie ist sehr vielfältig. Die wird es weiterhin geben. Vielleicht in einer anderen Form, aber Berlin ist darauf vorbereitet. Berlin ist dafür bekannt, dass es sich immer wieder neu findet.

 

Die Gastronomie hat seit Juni unter strengen Auflagen wieder geöffnet. Würdest du sagen, dass du mit deiner Arbeitsauslastung wieder dahin kommen kannst, wo du vor Corona warst?

Bei weitem nicht. Das ist auch gar nicht möglich. Zum einen, weil wir immer noch alle in Kurzarbeit sind. Zum anderen kann ich mit jedem Kunden nur dosiert arbeiten. Keiner kennt den genauen Bedarf an Bier, niemand weiß, wie sein oder ihr Laden oder Veranstaltung angenommen wird. Also an dem Punkt, wo ich vor Corona war, bin ich bei weitem nicht. Was auch komplett wegfällt, was ich an meiner Arbeit liebe, ist die Akquise. Neue Sachen entdecken. Die Euphorie, neue Dinge am Mark anzugehen, wo wir mit Quartiermeister eine Rolle spielen können, gibt es nicht. Ich bin auf jeden Fall weit entfernt von dem, was ich kann und was ich machen möchte. 

 

Quartiermeister ist nicht das allerbilligste Bier am Markt. Gibt es Kunden, die auf eine günstigere Variante umstellen müssen?

Erstmal vorne weg: Wir wollen nicht das billigste Bier sein – auf keinen Fall! Aber ja, das ist vorgekommen. Deshalb sind aber auch die Gespräche wichtig, um solche Dinge herauszubekommen. Ich fordere bei meinen Kunden Ehrlichkeit ab. Ich verstehe aber natürlich die Situation. Ich bin ja nicht nur Quartiermeister, sondern ein Mensch mit Gefühlen. Ich kann mich auch in die Situation unserer Kunden und Partner hineinversetzen. Und wenn ein Kunde zu mir sagt, dass er oder sie kurzzeitig das Bier wechseln muss, dann gehe ich mit dem Kunden eine Vereinbarung ein. Ich sage dann, dass ich das absolut verstehen kann, dass er oder sie den Laden retten muss, aber auch, dass wir wieder am Start sind, wenn hoffentlich wieder alles gut ist. Das ist das wichtigste für mich, dass wir da gemeinsam raus gehen. Dass der Kunde mein Verständnis spürt, ich aber auch die Sicherheit habe, dass ich dort wieder ansetzen kann.

 

Wenn du die letzten Monate Revue passieren lässt: Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Trotz der komischen Zeiten, in denen wir gerade leben, geht trotzdem irgendwie alles weiter. Und ich kann mein eigenes Leben trotzdem weiterführen. Ich kann einige Dinge überdenken. Das ist schon positiv für mich. Alle sind von Corona betroffen und trotzdem geht es weiter. Das ist doch ein stückweit bewundernswert und vielleicht sogar schön.

Innerhalb von Quartiermeister haben wir definitiv gesehen, dass wir als Team sehr gut funktionieren. Es sind nach wie vor alle da. Niemand musste gehen. Wir sitzen alle in den Startlöchern. Wir haben im Unternehmen Dinge gemacht, die wir sonst nicht machen. Das war stückweit eine Bestätigung, dass wir sehr gut zusammenarbeiten. Wir haben gesehen, dass wir in der Lage sind, so eine Krise durchzustehen. Wir scheinen alles richtig gemacht zu haben. Davids und Peters Entscheidungen aus den letzten Jahren haben sich ausgezahlt. Das ist richtig geil, dass wir ne fette Chance haben, da durch zu kommen.

 

Corona-Talk mit Peter: "Als es hart auf hart kam, haben wir alle zusammengehalten"

10. August 2020 09:47

annika.bruemmer

Heute im Gespräch: Peter – unser zweiter Geschäftsführer und Mitgründer von Quartiermeister. Peter leitet den Vertrieb und kümmert sich mit David um die Bereiche Strategie und Personal. Als Corona ausbrach, war Peter dabei, voller Tatendrang die Expansion nach Hamburg einzuleiten, die sofort auf Eis gelegt wurde. Wie sich Peters (Berufs-) Leben von einen Tag auf den anderen geändert hat, lest ihr im Interview.

 

Ab welchem Zeitpunkt hast du angefangen, Corona für dich, deine Familie und Freunde und Quartiermeister als Bedrohung wahrzunehmen?

Ehrlicherweise relativ spät. Ich habe den Corona-Verlauf in China immer beobachtet, aber nie mit meinem Berufs- oder Privatleben zusammengebracht. Als das Virus dann in Italien ausgebrochen ist, dachte ich mir, dass es der deutschen Wirtschaft schaden wird. Ich hatte aber keinen blassen Schimmer, in welchem Ausmaß. Am 13. März haben wir bei Quartiermeister beschlossen, dass wir von jetzt an alle zu Hause bleiben. Für diese Woche hatte ich noch Tickets für ein Slime-Konzert im SO36. Ich erinnere mich, dass ich am Montag noch drüber diskutiert habe, ob ich dort hingehen würde. Das war die Woche, in der alles super schnell ging. Auch der mediale Shift war zu spüren. Mir war dann relativ schnell klar, dass ich nicht auf dieses Punk-Konzert gehen würde. Es wurde dann auch offiziell abgesagt – so wie alles andere.

Auch privat habe ich die Auswirkungen dann sehr plötzlich, sehr stark gespürt. Eine Arbeitskollegin meiner Freundin war in der Trompete, was damals mit 25 Infizierten der absolute Corona-Hotspot war. Die Kollegin hatte anschließend Symptome. Ich bin dann mit meiner Freundin in Quarantäne geblieben und habe in der Zeit wirklich alles über Corona gelesen, was es zu lesen gab. Da wurde mir sehr klar, dass es mich privat und beruflich trifft.

 

Was ging dir als Geschäftsführer und Vertriebsleiter durch den Kopf, als am Wochenende vom 13.-15. März der Lockdown verhängt wurde?

Als Geschäftsführer habe ich mir extrem große Sorgen gemacht, was die weitere Existenz von Quartiermeister angeht. Ich fühlte mich ohnmächtig, da wir überhaupt keinen Einfluss auf die Entwicklungen hatten. Von einem Tag auf den anderen war durch die Schließung der Gastronomie unser erster und wichtigster Vertriebskanal dicht. Dass wir irgendwann mal eine Wirtschaftskrise erleben werden, war mir eigentlich klar. Jeder, der Wirtschaft macht, erlebt auch Krisen. Ich konnte mir bis zu dem Zeitpunkt aber nicht vorstellen, dass es Krisen gibt, in denen man innerhalb von einem Tag von 100 auf 0 fällt. Das hat mich mental hart getroffen.

Auch als Vertriebsleiter ist das richtig bitter. Wir haben Leute, die richtig guten Vertrieb machen, den ich sagen musste, dass ich auch nicht weiß, was sie tun sollen. Zu wissen, dass Dreiviertel unseres Vertriebs-Teams zu Hause sitzt und ihnen die Hände gebunden sind, ist ein komisches Gefühl. Eigentlich hat man im Vertrieb immer was zu tun, weil man sich die Arbeit selbst macht. Und wenn man das eine nicht machen kann, macht man halt das andere. Es gibt so viele potenzielle Kunden da draußen, die noch nie von uns gehört haben. Auf einmal dann die Füße still zu halten, hat mir überhaupt nicht gefallen im ersten Moment. Die Leute bei uns im Vertrieb sind alle total motiviert und wollen was reißen.

Ich habe mir auch große Sorgen gemacht – und das mache ich immer noch – wie Berlin nach Corona aussehen wird, weil die Gastronomie und die Kultur in Berlin doch sehr von kleinen, unabhängigen Läden lebt. Das macht Berlin aus. Ich dachte schnell, dass genau diese coolen Läden, die ich persönlich auch sehr gerne mag, als erstes betroffen sein werden.

 

Wie war denn das Vertriebs-Team drauf?

Die waren schon bedrückt. Meine Rolle als Vertriebsleiter beinhaltet häufig, Leuten zu spiegeln, was sie machen oder Vorgehensweisen zu verstärken oder in Frage zu stellen. Häufig sieht die Erwartungshaltung so aus, dass ich irgendeine Meinung habe oder sage: Wir machen jetzt das! Oder: Wenn das nicht geht, machen wir das! Wie nun eine Pandemie verläuft, kann ich jedoch genauso wenig vorhersagen wie irgendjemand anders bei uns im Team. Ich konnte keine neuen Vertriebsstrategien entwickeln, weil es einfach nicht viel gab. Wir haben uns dann mit dem Stay Home Club mit anderen Möglichkeiten beschäftigt und was auf die Beine gestellt.

Bei Tcuni hat sich abgezeichnet, dass sie zumindest telefonisch arbeiten kann, weil der Handel ja nicht wie die Gastro gestorben ist. Aber in den Gesprächen mit Benni, Marko und Andre war ich tatsächlich das erste Mal ein bisschen sprachlos in meiner Rolle. Das war auf jeden Fall eine neue Erfahrung (lacht).   

 

Hast du Beispiele von uns nahestehenden Kunden, die durch die Pandemie hart getroffen wurden?

Ja. Eigentlich alle wichtigen Kunden haben oder hatten große Probleme. Das YAAM, Zum Franziskaner oder SO36 haben direkt angefangen, Crowdfunding-Kampagnen zu machen. Einige Kunden haben bereits dicht gemacht. Wie das schlussendlich alles ausgeht, weiß aber keiner, weil sich gerade das Insolvenzrecht verschoben hat. Man muss eine Insolvenz aktuell nicht anzeigen – bis Ende September. Das heißt, dass im September/Oktober viele Insolvenzen kommen könnten.

 

Was hat der Gastro-Lockdown in Zahlen für Quartiermeister bedeutet?

Im ersten Quartal hatten wir im Vergleich zum ersten Quartal 2019 über 40% Wachstum. Das hätte für uns ein sehr gutes Jahr werden können. Ich habe angenommen, dass es so weitergeht wie in den ersten Monaten. Nach einem sehr guten ersten Quartal kam dann das katastrophal schlechte zweite Quartal. Da haben wir mehr als 60% unserer Umsätze verloren, die wir letztes Jahr hatten. Was wir uns im ersten Quartal erarbeitet haben, wurde durch die Krise komplett eingerissen. Die Getränkebranche ist sehr frühlings- und sommerlastig. Q2 und Q3 sind die Quartale, in denen wir Geld verdienen. Deshalb war es zeitlich gesehen der denkbar schlechteste Augenblick für uns. Zum Anfang dachten wir, dass wir mit dem Handel und dem Online-Geschäft nur ein Viertel unserer Umsätze auffangen können. Wir haben dann im konventionellen Handel Gas gegeben und auch im Bio-Handel viele Aktionen gestartet – also alles getan, was ging, um möglichst viel rauszuholen. Dadurch konnten wir knapp 40% unseres Vorjahres-Umsatzes reinholen.

 

Also lief es besser als erwartet?

Ja. Jede Kiste oder Flasche, die wir über den Handel, über unseren Shop oder den Stay Home Club verkauft haben, hat uns gutgetan. Alles, was das Loch ein bisschen kleiner gemacht hat, hat geholfen. 

 

Auf Festivals und anderen Events wird normalerweise relativ viel Quartiermeister getrunken. Was bedeutet es für das Unternehmen, dass alle Veranstaltungen abgesagt wurden?

Alleine für ein großes Festival war ein LKW Quartiermeister vorgesehen, also so 1.400 Kisten. Das ist alles Absatz und Geld, das uns jetzt fehlt. Und es sind Kunden, die wir lange aufgebaut haben. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass die 40%, die wir machen konnten, sehr positiv sind. Vor drei bis vier Jahren hätten wir mit dem Handel ca. 10% Umsatz aufgefangen, weil wir kaum in Supermärkten standen. Dass wir in den letzten Jahren versucht haben, nicht nur von der Gastro und Events abhängig zu sein, zahlt sich jetzt aus. Für reine Gastro-Marken ist es wie für die Gastronomen: Denen wurde der Geldhahn von heute auf morgen zugedreht. Uns fehlt nun knapp die Hälfte, aber wir haben zumindest noch die andere Hälfte. Ich bin zwar weit davon entfernt zu sagen, dass es uns nicht hart getroffen hat – es hat uns schon richtig hart getroffen – aber vor ein paar Jahren hätte uns Corona wahrscheinlich komplett den Stecker gezogen. Wir hatten zumindest ein bisschen, was wir dagegenhalten konnten.

 

Gab es trotzdem Momente, in dem du Angst hattest, dass Quartiermeister Corona nicht überleben würde?

Ja, schon. Die ersten ein bis zwei Wochen nach dem Lockdown war das eine reale Angst, dass wir das nicht überleben. Man muss dazu auch sagen, dass David und ich keine Erfahrungen mit Kurzarbeit hatten. Wir sind eigentlich immer gewachsen seit es Quartiermeister gibt. Es war völlig unklar, ob, wann und in welcher Summe man Zuschüsse bekommt. Es war unklar, ob wir Kredite bekommen und wenn ja, in welcher Höhe. In den ersten Wochen habe ich nur gesehen, was alles einbricht und verloren geht, ohne dagegen halten zu können.

Ich habe dann angefangen, hochzurechnen, wie sich die Infektionszahlen weiterentwickeln würden. Der Reproduktionswert lag dann irgendwann über 3. Ich habe mit diesem Wert mal einen Monat vorkalkuliert, und dachte: Scheiße, wenn sich das jetzt so weiterentwickelt – keine Ahnung, wann dann der Lockdown vorbei sein wird. Ich war mir anfangs wirklich sehr unsicher, ob wir das überstehen. Wobei es darauf ankommt, was man unter Überstehen versteht. David und ich wollten natürlich alles dafür tun, das Unternehmen zu sichern. Zeitgleich wollten wir unbedingt das bestehende Team durch die Krise bekommen. Man kann das natürlich wie andere Unternehmen machen: Krise – Sorge – wir entlassen alle. Und stellen irgendwann wieder ein. Nach dem Motto: Wenn man keine Ausgaben hat, braucht man auch keine Einnahmen. Das war für uns keine Option.

 

Wie hat sich deine Arbeit als Geschäftsführer und Vertriebsleiter in den letzten Wochen und Monaten verändert?

Fundamental. Vor Corona steckte ich mitten in den Vorbereitungen für die Expansion in den Norden und nach Hamburg: Partner gewinnen, ich wollte hinfahren und Personalgespräche führen, ich wollte jemanden einstellen. Mein Fokus lag voll auf Expansion. In den ersten Wochen habe ich mich fast nur mit David ausgetauscht, um zu schauen, was wir machen können, um Corona zu überstehen. Ich habe Zahlen gewälzt, um herauszufinden, wie viel Geld wir brauchen, welche Maßnahmen wir ergreifen und wie wir das nach innen und außen kommunizieren. Und im Vertrieb habe ich versucht, alles, wo man noch irgendwie Bier verkaufen kann, zu pushen. Im März haben wir mit dem Stay Home Club angefangen und im April hatten wir die ersten Handels-Aktionen.

Ich habe viel mehr Geschäftsführer-Tätigkeiten ausgeübt als vorher. Da lief ja alles. Und im Vertrieb gabs für mich auch eine 180 Grad Wende. Die Sachen, die ich vorher gemacht habe, sind gar nicht mehr auf dem Tisch. Und die Sachen, die ich jetzt mache, gab‘s nicht davor. Ich war voller Arbeit. Eigentlich kann ich ganz gut abschalten und trenne Freizeit und Beruf. Das ist mir zum Anfang gar nicht gelungen. Ich habe schlecht geschlafen, das ganze Wochenende mit David telefoniert, ständig Quartiermeister und die Krise im Kopf gehabt.

 

Wie hat sich die Arbeit der anderen Vertriebsmitarbeiter*innen verändert?

Wir haben direkt Kurzarbeit eingeführt. Daher hatten alle viel weniger Zeit, um überhaupt Vertrieb zu machen. Die meisten hatten aber ohnehin zum Anfang keine Kunden, die sie hätten ansprechen können. Deshalb hat sich deren Arbeit radikal geändert: viel weniger Zeit und viel weniger bis kein Potenzial, überhaupt was zu reißen. Teilweise haben wir Kunden angerufen, einfach nur um zu fragen, wie es ihnen geht und wie sie klarkommen.

 

Hatten die Kunden für solche Gespräche überhaupt einen Kopf?

Ich hatte schon das Gefühl, dass es fast allen Leuten guttat, sich auszutauschen. Teilweise wussten sie auch nicht, was sie jetzt beantragen oder dass sie überhaupt Sachen beantragen können. Oder wir haben angeboten, z.B. Crowdfunding Kampagnen zu teilen. Das ist natürlich kein Gamechanger, aber es setzt zumindest ein Zeichen.

 

Wie hat sich Quartiermeister im Vergleich zu anderen vergleichbaren und befreundeten Unternehmen geschlagen?

Es ist schwer, Vergleiche zu ziehen. Das ist total abhängig davon, in welcher Branche man unterwegs ist. Auch, ob ein Unternehmen finanziert ist oder nicht, wie viele Mitarbeiter*innen man hat, ob man kreditwürdig ist etc. Mir fallen viele Unternehmen ein, mit denen ich während der Krise gesprochen habe, aber eigentlich ist keins 1:1 vergleichbar mit unserem. Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir uns gut geschlagen haben. Wir haben gelernt, dass wir kreditwürdig sind bei der Bank. Es gab eine Umfrage von SEND e.V. Ich glaube, da lag der Anteil unter 5% der Sozialunternehmen, die einen KfW Kredit bekommen haben. Wir gehören also zu den wenigen, die diesen Kredit bekommen. Ich glaube, das Krisenmanagement war gut. Ich habe das Gefühl, dass wir es mit allen Stakeholdern – Verein, Mitarbeitenden, Geldgebern – so hinbekommen haben, dass wir gut miteinander umgegangen sind und es nicht zu großen Konflikten kam. Es gab Verständnis in alle Richtungen. Es hat sich so angefühlt, als würden alle mitziehen. Das hat es auch für mich einfacher gemacht. Es ist schön, Unternehmer zu sein, wenn es nur darum geht, dass man wächst und es drum geht, ob man mehr Leute einstellt oder das bestehende Team besser bezahlt oder beides und sich überlegt, was man sich als nächstes vornimmt. Aber wenn man seinen Leuten sagen muss, dass sie jetzt weniger verdienen und man nicht weiß, wie und ob es weitergeht, dann ist das kein schöner Unternehmer-Moment. David und ich waren schon sehr mitgenommen von der Situation. Deswegen hat es mir sehr gutgetan, zu merken, dass uns viel Vertrauen ausgesprochen wird und alle mitziehen, sodass es auch nicht so ein internes Ding gibt, wie: Ich mach aber viel mehr als A! Oder: B macht nichts! Es gab keine Konflikte mit uns oder im Team untereinander. Wir konnten die Werte und die Unternehmenskultur, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, aufrechterhalten. Die Unternehmenskultur ist krisenfest. Das fand ich außergewöhnlich und das hat mich sehr bestärkt.

Lustig, ich habe dann auch viel gelesen, wie man als Führungskraft mit der Krise umgehen soll und wie man es schafft, dass die Leute einem vertrauen und wie man Transparenz einführt. Teilweise klang dann so durch: Ok, ihr wart bislang nicht transparent, ihr habt kein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut und jetzt ist Krise und ihr fordert es ein. Da gabs wohl nie die Unternehmenskultur und auf einmal wurde es wegen der Krise eingefordert, dass die Leute so miteinander umgehen. Da habe ich gemerkt, dass Unternehmenskultur schon ein robustes Ding ist – ein gutes Fundament, um, wenn es mal scheiße läuft, trotzdem gut klarzukommen.

 

Wie würdest du Quartiermeisters Unternehmenskultur beschreiben?

Ein großer Wert, den wir auch nach außen kommunizieren, ist Transparenz. David und ich waren uns immer einig, dass wir nicht so tun werden, als sei nichts, sondern die Dinge aussprechen und auch sagen, dass es im worst case dazu kommen kann, dass wir nicht alle weiter beschäftigen können. Dinge, die eintreten können, zu verschwiegen, ist nicht so geil. Das ist schlechtes Erwartungsmanagement. Natürlich haben David und ich haben uns nicht wirklich auf diese Gespräche gefreut, in denen man seinen Mitarbeiter*innen sagen muss, dass – wenn‘s hart auf hart kommt – einige ihre Jobs verlieren könnten. Aber es tat gut, ehrlich zu sein. Und ich hatte auch immer das Gefühl, dass wir damit ans Team gehen konnten. Solche Gespräche können auch anders verlaufen.

Was wir auch versuchen, ist, dass wir uns nicht immer nur auf Business-Ebene unterhalten. Wenn wir unsere Meisterrunden machen, dann reden wir immer darüber, wie es uns geht. In unserer Halbjahresauswertung haben wir einen Block gemacht, in dem wir alle reflektiert haben, was die Krise mit uns gemacht hat – persönlich und beruflich. Bei uns ist es nicht ungewöhnlich, zu kommunizieren, dass es einem gerade nicht gut geht oder dass man Ängste und Sorgen hat. Wenn so ein Umgang bereits etabliert ist, kann man natürlich in Krisenzeiten auch leichter darüber sprechen. Wenn du hingegen eine „Silicon-Valley-Wir-Sind-Die-Geilsten-Startup-Unternehmenskultur“ hast, würde ich anzweifeln, dass sich die Leute vors Team stellen und sagen würden: „Mir geht’s beschissen, ich hab Angst um meinen Job oder um die Unternehmung“. Die menschliche Ebene ist definitiv Teil unserer Unternehmenskultur und macht uns aus. Genau wie wir ein Social Business nach außen sind, sind wir auch nach innen sozial. Wir machen Business, wir sind keine Hippie-Klitsche, die nur über ihre Gefühle redet –  aber eben auch. Wir haben Ambitionen und Ehrgeiz, versuchen aber gleichzeitig menschlich miteinander umzugehen. Wenn David und ich mal Trübsal geblasen haben, gabs auch Leute im Team, die dafür Gespür hatten und einen gewissen Gegenpol gesetzt haben. Das gehört für mich auch zu unserer Unternehmenskultur. Dass nicht alles von der Geschäftsführung kommt. Es gab uns gegenüber viel Vertrauen, aber auch innerhalb des Teams. Auch jenseits von David und mir ist viel gelaufen, was gut war.

Was ich tatsächlich krass finde, und was mir auch imponiert hat, ist der Fakt, dass – und das sagen wir in jedem Podcast, in jedem Interview, dass es um den Impact geht und um die Sache – dass alle im Team dazu standen und immer die Fahne hochgehalten haben.  Corona ist ein krasser Einschnitt für alle. Ich hätte auch verstanden, wenn es in den letzten Wochen zu Unmut gekommen wäre und sich die Leute mehr um ihre eigenen Belange geschert hätten. Ich fand das wirklich imponierend, dass, obwohl es hart auf hart kam, alle zusammengehalten haben. Das ist ähnlich wie in einer Freundschaft oder in einer Beziehung: Wenn’s richtig scheiße läuft, dann sieht man, wie wichtig einem die Sache ist – oder dem anderen. Und ob man bereit ist, dafür zu kämpfen. Das hat mir sehr deutlich gezeigt, dass wir die richtigen Leute haben. Ich weiß nicht, ob das Unternehmenskultur ist oder einfach Überzeugung. Ich habe das Gefühl, das passt zu dem, was wir uns auf die Fahne schreiben. Ich glaube nicht, dass das überall so ist.

 

Würdest du rückblickend etwas anders machen oder anders entscheiden?

Das ist tatsächlich schwierig zu sagen. Ich habe mir vorgenommen, das alles am Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres noch einmal zu evaluieren. Sowohl quantitativ als auch inhaltlich. Ich glaube, am Ende haben wir versucht, uns daran aufzuhängen, was der Worst Case sein könnte und alles einzurichten, dass wir auch überleben, wenn dieser Fall eintritt. Das ist besser, als sich an einem Mittel-Case auszurichten. Ich würde da wahrscheinlich wieder so herangehen. Denn wenn man selbst überhaupt keinen Einfluss darauf hat, welcher Case eintritt, sollte man vom schlechtesten ausgehen, wenn es um die Existenz geht. Eine wirkliche gute Auswertung kann man aber sicherlich erst vornehmen, wenn die Krise vorbei ist. Während unserer Halbjahresauswertung wurde uns bereits der Blick geschärft, was passiert ist und dass das bislang schon extrem dramatisch war. Deswegen waren auch die Maßnahmen als Reaktion dramatisch.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Da musst du jetzt einen kleinen Ausbruch ertragen (lacht). Auch wenn ich bei uns den Ruf des Optimisten innehabe, kriege ich viele Artikel bzw. Antworten auf diese Frage in den falschen Hals, die sagen, dass diese Krise doch eine richtig geile Chance ist: „Jetzt machen wir alles neu. Voll geil. Jetzt setzen wir die Wirtschaft neu auf. Und ich kann jetzt sieben Mal am Tag Yoga machen und Spanisch lernen“. Ich denke dann, wie ignorant manche Leute eigentlich sind. Ich meine, Deutschland geht’s im Vergleich gut als Land. Und uns, die noch Jobs haben, die nicht arbeitslos sind, die psychisch stabil sind und nicht Hometeaching machen müssen. Aber die anderen gibt’s halt auch. Und die sind glaube ich in der Mehrheit. Deshalb regt es mich einfach auf, wenn Leute sagen, dass Corona doch eigentlich super geil ist. Das finde ich makaber und ignorant. Fast schon egoistisch bzw. selbstbezogen.

Wir sind in einer Zeit, in der Nationalismus wieder en vogue ist. Das höchste aller Gefühle – und da muss man schon ordentlich bohren – ist europäische Solidarität. Und die muss man schon in Klammern setzen. Darüber hinaus – who cares? Größte Hungersnot seit langem in den Startlöchern – egal! Ich hab meinen Job und mache mehr Sport. Polen, Israel, … - es gibt diverse Länder, die jetzt Notstandsgesetze auf den Weg bringen und ihre Demokratie abbauen. Ich glaube nicht, dass das nach Corona wieder zurückgenommen wird. Gesellschaftlich, im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit, wirft uns Corona gefühlt weit zurück. Der Staatshaushalt sinkt, weil die Wirtschaft nicht mehr funktioniert. Unzählige Menschen verlieren ihre Arbeit und somit auch ihr Einkommen aufgrund von Insolvenzen oder Entlassungen. Die häusliche Gewalt steigt extrem an. Die psychische Folgen für viele fallen sicherlich ebenfalls extrem aus, das ist aktuell noch gar nicht alles richtig abzusehen. Und es sterben sicherlich noch eine halbe bis eine Millionen Menschen dieses Jahr, wenn nicht mehr.

Es gibt mit Sicherheit auch Positives, aber ich sehe deutlich mehr negative Folgen. Und ich denke, dass Leute, die nur Positives sehen, privilegiert sind und nur auf ihr Leben bzw. ihr direktes Umfeld schauen. Die reden nur über sich statt über die globale Pandemie als solche.

Trotzdem bieten Krisen einen guten Moment, zu reflektieren, ob man zufrieden ist mit dem, was man macht und warum man das macht. Eine gewisse Reflektion gibt’s ja schon. Ich freue mich aber erst, wenn daraus etwas Systemisches wird.

Ich persönlich habe gemerkt, dass Quartiermeister viel resilienter und stärker ist, als ich dachte. Und dass wir als Team sehr stark sind. Die Krise ist in ihrem Ausmaß einmalig. Ich denke, dass wir für die Zukunft viel besser gewappnet sind. Ich hab für mich selbst gemerkt, was mir gut tut in Krisenzeiten und wie ich mich selbst am Laufen halte.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Ich denke, mir wäre inzwischen klarer, was ein zweiter Lockdown heißt. Ich könnte das Ausmaß besser einschätzen. Ich würde nicht mehr an das Bild eines Sprints, sondern an das eines Marathons denken, in dem wir uns nach wie vor befinden. Wir haben in den letzten Wochen viel gelernt, z.B. wie Kurzarbeit funktioniert und wir wären bei einer zweiten Welle viel schneller. Ich würde mich wahrscheinlich nicht ganz so ohnmächtig fühlen und nicht so verloren.

 

 

Corona-Talk mit Annika: "Wir konnten Wege gehen, die wir unter normalen Umständen vermutlich so nicht eingeschlagen hätten"

6. August 2020 09:43

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Annika redet in ihrem Job bei Quartiermeister am liebsten über Positives, denn sie ist für die Good News zuständig. Gut war erstmal relativ wenig als sich Corona immer weiter ausbreitete. Welche Optionen sich für Quartiermeister dennoch aufgetan haben und wie es Annika in den letzten Wochen und Monaten ging, lest ihr hier.

 

Wie hast du über Corona gedacht als du zum ersten Mal in den Medien davon gehört hast?

Ehrlich gesagt habe ich Corona eine ganze Zeit lang überhaupt nicht ernst genommen. Ich erinnere mich, dass Corona anfangs von allen Seiten mit einer normalen Grippe verglichen wurde und lies mich dahingehend schnell überzeugen und war derselben Meinung. Eine lange Zeit habe ich mich persönlich überhaupt nicht betroffen gefühlt. Ich hatte keine Ahnung, welche Ausmaße das alles annehmen würde. Bis zu dem Zeitpunkt, als wir in unseren Meisterrunden angefangen haben, ernsthaft über Corona zu sprechen und es auch bei uns im Team zu Ängsten kam. Als wir dann – das war an einem Freitag Mitte März – in einem spontanen Krisen-Call beschlossen haben, dass wir alle zu Hause bleiben sollen, hat sich das Blatt ordentlich gewendet. Das war der Freitag vor dem Lockdown. Nach diesem Wochenende war alles anders.

 

Wie war denn die Stimmung während dieses Calls?

Ich erinnere mich, dass bei mir die Stimmung da ziemlich gekippt ist. Ich war total bedrückt und dachte mir, dass es tatsächlich sein kann, dass sich unser aller Leben nun gewaltig ändern wird und dass Corona für viele Menschen in einer richtigen Katastrophe enden kann. Niemand wusste, was passieren wird, das fand ich schon beängstigend. Ich glaube, so ging es den meisten. Normalerweise ist die Stimmung bei uns eher fröhlich-ausgelassen. An dem Tag waren wir alle super ernst. Das hat sich total surreal angefühlt. Ich glaube, dieser Skype-Call war eine der ernstesten Situationen, die ich bislang bei Quartiermeister erlebt habe.

 

David und Peter haben dann relativ zügig die Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen angekündigt. Wie gings dir mit dieser Entscheidung?

Nicht gut. Wir hatten so viele Pläne für dieses Jahr und echt viel vor. Allein für unser 10jähriges Jubiläum, das offiziell dieses Jahr stattgefunden hätte, musste noch so viel erledigt werden. Der erste Gedanke war also: Wie soll ich denn das alles machen, wenn ich nur noch 10% meiner Arbeitszeit habe? Erst dann habe ich realisiert, dass ein Großteil meiner Arbeit sowieso hinfällig sein wird. Einfach, weil nichts mehr so war, wie es war.

Kurzarbeit bedeutet natürlich auch weniger Gehalt. Dass bei uns niemand säckeweise die Kohle nach Hause schafft, ist ja klar. Da habe ich teilweise schon finanzielle Ängste entwickelt. Aber ehrlich gesagt war ich für jede Möglichkeit offen, die bedeutet hat, dass Quartiermeister überlebt und niemand seinen Job verlieren wird. Ich habe zu der Zeit viel mit David gesprochen und ich hatte immer das Gefühl, dass David und Peter ehrlich zum Team waren und uns nichts beschönigt oder dramatisiert haben. Die Situation war echt ernst. Und irgendwie sitzen wir ja alle im gleichen Boot. Wir haben also gemeinsam alles versucht, dieses Boot vorm Sinken zu retten. Da war es auch vollkommen ok, in der Runde sein Ängste zu thematisieren. Wir sind sehr offen damit umgegangen und haben uns gegenseitig supported. Das hat mir echt geholfen, mit der ganzen Sache besser klarzukommen.

 

Welche Auswirkungen hatte Corona auf deinen Arbeitsbereich Marketing & PR?

Einige! Im Prinzip konnte ich überall die Stopp-Taste drücken. Events fanden nicht mehr statt, Vorträge wurden abgesagt, unser eigenes Jubiläum, woran ich viel gearbeitet habe, drohte ins Wasser zu fallen und für happy Social Media Postings oder Pressemitteilungen war es auch nicht die richtige Zeit. Es hat sich irgendwie alles unangemessen angefühlt in Anbetracht der Tatsache, was gerade in der Welt passiert. Ich habe also erstmal gar nichts gemacht und in die Röhre geguckt. Ich habe dann versucht, mir die übrige Zeit mit strukturellen Dingen zu vertreiben, was aber ja auch erstmal niemandem was nützt. Das war gar nicht leicht, damit klarzukommen, dass man nichts machen kann.

Um den 20. März herum haben wir mit OSTMOST, Solidrinks und Querfeld den Stay Home Club gegründet. Das war tatsächlich ein Segen, weil ich endlich etwas Sinnvolles tun konnte. Ich habe dann in meiner verbleibenden Arbeitszeit ausschließlich an dem Projekt gearbeitet.

 

Hat Corona für Quartiermeister auch Marketing-Optionen oder -Potenzial geboten?

Ja, auf jeden Fall. Mit dem Stay Home Club haben wir etwas auf die Beine gestellt, was ansonsten so nicht passiert wäre. Die Idee ist ja aus der Krise geboren, weil wir – die Gründungsmitglieder – uns alle durch den Gastro-Lockdown hart in der Existenz bedroht gesehen haben. Nach dem Motto „Wenn du nicht zu uns kommen kannst, kommen wir zu dir“ haben wir mit dem Stay Home Club den direkten Kontakt zum*r Endverbraucher*in aufgebaut, den wir so im normalen Geschäft ja kaum haben. Das hat auch echt viel Spaß gemacht, daran zu arbeiten. Passiert ja auch nicht so häufig, dass man auf einmal mit Menschen aus anderen Unternehmen so eng zusammenarbeitet. Ich habe dann auf einmal mehr Zeit mit Lukas von OSTMOST und Roberta von Solidrinks verbracht als mit den anderen Quartiermeister*innen, weil wir zu dritt die Marketing-Taskforce für den Stay Home Club gebildet haben. Wir haben uns die Arbeit aufgeteilt, weil wir insgesamt ja viel weniger Zeit zur Verfügung hatten. Die Arbeit am Stay Home Club war auf jeden Fall cool und spannend. Niemand von uns hatte Ahnung von E-Commerce, aber es hat trotzdem ganz gut geklappt.

Wir haben außerdem mehr Bestellungen in unserem eigenen Online-Shop rein bekommen. Das war aber eher ein Selbstläufer. Ich denke, dass viele Menschen einfach versucht haben, Quartiermeister in der aktuellen Lage zu unterstützen – und wenn es nur bedeutet hat, ein Bierpaket im Shop zu bestellen. Teilweise haben Besteller*innen wirklich sehr liebe Nachrichten im Bemerkungsfeld hinterlassen. Es wurde uns viel Kraft und Durchhaltevermögen gewünscht. Das war wirklich sehr rührend. Wir konnten insgesamt also Wege gehen, die wir unter normalen Umständen vermutlich so nicht eingeschlagen hätten.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise ziehen?

Naja, zum einen habe ich festgestellt, dass ich nicht auf Dauer 40 Stunden arbeiten möchte. Nee, aber mal im Ernst: Der Lockdown hatte irgendwie etwas Entschleunigendes. Auf einmal stand einem so viel Zeit zur Verfügung, in der man durchaus grundliegende Dinge durchdenken und reflektieren konnte – persönlich wie beruflich. Gleichzeitig habe ich verstanden, dass man Signale ernst nehmen muss. Rückblickend finde ich es erschreckend, dass ich Corona so lange auf die leichte Schulter genommen habe. Das ist ähnlich wie mit Vorsorgeuntersuchungen. Die sollte man auch in Anspruch nehmen, seinen Körper achtsam betrachten und vielleicht doch einmal mehr zum Checkup gehen. Einfach, um Schlimmeres frühzeitig zu vermeiden. Ähnlich sehe ich das mit Corona und ich denke, dass wir als Gesellschaft in Zukunft sensibler auf solche Geschehnisse reagieren sollten. Ansonsten kann ich relativ wenig Positives aus der Krise ziehen. Unzählige Menschen sind gestorben, Viele sind durch die Isolation vereinsamt und noch mehr sind nahe am wirtschaftlichen Ruin. Und Corona ist noch längst nicht vorbei. Fast überall steigen die Fallzahlen rasant an. Das ist schon beängstigend.

 

Und für Quartiermeister?

Mal abgesehen davon, dass wir richtig hart einbüßen mussten? Ja, da gibt’s schon das ein oder andere. Ich finde, dass wir die gesamten letzten Monate innerhalb des Teams mega gut zusammengehalten haben. Auch mit dem Verein. Da kam auch viel Support. Als Unternehmen haben wir gesehen, dass wir super schnell und flexibel reagieren können und dass wir den Mut aufbringen, auch neue Wege einzuschlagen und andere Dinge auszuprobieren.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Anders machen würde ich wahrscheinlich nicht viel. Ich glaube, ich würde einfach gelassener mit der Situation umgehen. Einfach, weil sie nicht mehr so neu wäre. Ich hoffe sehr, sehr, sehr, dass es nicht zu einem zweiten Lockdown kommt und dass sich die Leute an die Empfehlungen halten. Immerhin haben wir die Ausbreitung ein stückweit selbst in der Hand. Wenn ich dann diese ganzen Vorfälle lesen, dass sich Menschen in Kneipen und Restaurants infizieren und die Hälfte aller Menschen falsche Kontaktdaten angeben und Infektionsketten somit nicht nachvollzogen werden können, dann fällt mir dazu echt nichts ein. Ich kann nur hoffen, dass diese Menschen irgendwann mal ihr Gehirn einschalten und verstehen, dass es nicht nur um sie geht.

Corona-Talk mit Vivi, Kati & Roman vom Vorstand: "Zwischen dem Verein und der GmbH ist es wie in einer Ehe: Wenn’s bei dem einen Partner kriselt, muss der andere reagieren"

3. August 2020 09:20

annika.bruemmer

Quartiermeister wäre nicht Quartiermeister ohne den ehrenamtlichen Verein, der sich um die Vergabe der Fördergelder kümmert, die all die fleißigen Menschen Jahr für Jahr zusammentrinken, denn 10 Cent pro Liter fließen in unseren Spendentopf. Wir haben mit Vivi, Kati und Roman vom Vorstand gesprochen, was Corona für Auswirkungen auf unsere Projektförderung hat.

Alex, Kati, Roman, Thomas & Vivi (Vorstand Quartiermeister e.V.)

 

Der Verein generiert einen Großteil seiner Einnahmen durch Events, wie z. B. den Karneval der Kulturen. Wie wirkt sich der Wegfall aller Veranstaltungen auf die finanzielle Situation des e.V. aus?

Vivi: Jedes Jahr im Februar oder März planen wir auf der Jahreshauptversammlung die Budgets für das folgende Jahr. Das war dieses Jahr zwei Wochen vor dem großen Lockdown. Da haben wir sämtliche Einnahmen und Ausgaben einbudgetiert. Einnahmen für den Verein sind einerseits die Einnahmen der GmbH, die dann in Teilen von uns als Fördergelder verwendet werden. Dann haben wir interne Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Veranstaltungen, die wir auch nur für interne Ausgaben verwenden. In diesem Jahr mussten wir alle Veranstaltungen absagen. Der Einnahmebatzen fällt komplett weg. Wir haben mit 2.500 € gerechnet, die wir durch den Bierverkauf auf Veranstaltungen einnehmen würden. Das ist relativ viel und deutlich mehr als wir durch die Mitgliedschaften generieren.

Die Mitgliedsbeiträge bleiben natürlich erhalten. Da haben wir zugesehen, dass die stabil bleiben und eventuell sogar gesteigert werden können, z.B. durch neue Mitgliedschaften, neue Zahlungsformen oder durch ein Spenden-Tool auf der Homepage, weil wir natürlich gewisse Fixkosten haben, die wir jedes Jahr zahlen müssen, wie Versicherung oder Kontoführung. Gleichzeitig können wir viele andere Kosten reduzieren. Das sind sämtliche zellbezogenen Kosten, wie die Verpflegung auf unseren Vereinstreffen in den verschiedenen Zellen oder vereinsinterne Aktivitäten. Das fiel dieses Jahr zum größten Teil alles weg durch Corona, deshalb haben wir da keine Ausgaben.

Dann haben wir einmal im Jahr ein Retreat, der den größten Kostenblock darstellt. Glücklicherweise haben wir aber Roman, der uns mit seiner Ferienunterkunft eine kostenfreie Location stellen kann. Der Verein hat jetzt einen Teil der Kosten für die Vereinskoordination, also für Lisas Stelle, übernommen. Das liegt daran, dass das Unternehmen alle Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit schicken musste, Werkstudent*innen aber kein Kurzarbeitergeld bekommen, worunter Lisa, unsere Vereinskoordination, fällt. Deshalb haben wir das fehlende Gehalt von Lisa von unseren internen Vereinsbudget aufgestockt. Das bezahlen wir aus Erspartem aus den letzten Jahren. Wir schauen dann nächstes Jahr, wie wir da weiter verfahren. Dieses Jahr passt das.

 

Quartiermeister sah sich zum Anfang des Lockdowns in seiner Existenz bedroht und musste unmittelbar alle Ausgaben auf ein Minimum schrauben. Was bedeutet das für die Projektförderung?

Kati: Da Quartiermeister hart vom Lockdown und der Schließung der Gastronomie getroffen war, war sofort klar, dass die Förderung eingefroren werden muss. Die Förderung ist natürlich eines der Kernanliegen von Quartiermeister. Aber die GmbH und der Verein gehen Hand in Hand. Das heißt: Wenn kein Umsatz generiert werden kann, kann keine Förderung stattfinden. Es fließt immer ein fester Satz von 10 Cent pro Liter in unseren Fördertopf. Am Ende des Jahres wird ermittelt, wie viele Liter Bier verkauft wurden und wir erhalten dann die 10 Cent pro Liter. Letztes Jahr liefs echt gut. Es wurden 560.000 Liter verkauft, das heißt, wir hätten 56.000 € für die Förderung gehabt. Wir haben besprochen, dass wir diese Summe ausschütten werden, sobald es dem Unternehmen wieder besser geht. Es war klar, dass der Grundsatz der Projektförderung auch durch Corona nicht angegriffen werden soll.

 

Wie steht ihr zu der Entscheidung, dass die Projektförderung zunächst eingefroren wurde?

Kati: Es hat sich auf jeden Fall richtig angefühlt, die Förderung einzufrieren, um sicherzustellen, dass das Unternehmen überlebt und somit das Grundprojekt Quartiermeister bestehen bleiben kann. Retrospektiv sind wir sehr zufrieden mit der Entscheidung. Wir standen die ganze Zeit im engen Austausch mit dem Unternehmen. Wir haben mit der Entscheidung den sicheren Weg gewählt. Klar waren wir wehmütig, gar keine Förderung ausschütten zu können. Gerade in dieser Zeit, wo natürlich auch viele soziale Projekte an ihre Grenzen kommen. Wir hatten zu Beginn des Jahres sogar noch überlegt, einen Soli-Topf einzurichten. Dieser Topf sollte genau solchen Projekten unter die Arme greifen, die ganz dringend Support brauchen. Dennoch haben wir die Entscheidung, die Projektförderung zunächst auszusetzen, gemeinsam mit dem Unternehmen gefällt. Das war auf jeden Fall der vernünftigste Weg.

 

Gibt es schon Lichtblicke, ab wann der Verein erneut fördern kann?

Kati: Wir sind gerade dabei, ein System zu entwickeln, wie wir die Förderung perspektivisch langsam wieder hochfahren zu können – parallel zum Unternehmen, das ja auch langsam etwas besser auf die Beine kommt. Wenn abzusehen ist, dass der Umsatz wieder steigt, möchten wir gleichzeitig die Förderung langsam wieder anziehen. Wir werden versuchen, stufenweise die Gelder auszuschütten, die für dieses Jahr vorgesehen waren. Unser Anspruch und Wunsch ist es definitiv, die vorgesehene Förderung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Aber nur so, wie es möglich ist, ohne dass es zu finanziellen Problemen für das Unternehmen kommt.

 

Habt ihr da schon einen Zeitpunkt ins Auge gefasst, ab wann es wieder losgeht mit der Förderung?

Kati: Wir haben mit dem Unternehmen bestimmte Grenzwerte festgelegt. Wenn im dritten Quartal ein gewisser Umsatz, und eine damit verbundene Sicherheit für das Unternehmen erzielt werden kann, soll im vierten Quartal die erste Förderung stattfinden. Das werden wir aber situativ entscheiden.

 

Hat sich eure Arbeit als Vorstand des Quartiermeister e.V. in den letzten Monaten durch Corona verändert? Und wenn ja, inwiefern?

Roman: Die Arbeit im Vorstand hat sich definitiv intensiviert. Normalerweise haben wir monatliche Meetings. Durch die Krise haben wir regelmäßigere Calls mit der Firma gehabt, weil wir uns viel effektiver und schneller austauschen mussten, um schnelle Entscheidungen zu treffen. Das hat die Zusammenarbeit mit der GmbH noch einmal intensiviert. Dadurch, dass wir im Verein an verschiedenen Orten Deutschlands organisiert sind, haben wir eh schon immer viel digital gearbeitet.

 

Fielen in den letzten Monaten zusätzliche Aufgaben für euch als Vorstand an?

Roman: Naja, wir sind im Prinzip genau wie die Firma mit einer Art Krisenmanagement beschäftigt. Einerseits mussten wir mit der GmbH besprechen, wie wir als Verein auf Corona reagieren. Zwischen dem Verein und der GmbH ist es ja wie in einer Ehe: Wenn’s bei dem einen Partner kriselt, muss der andere reagieren. So war das als Corona begann. Wir mussten schnell reagieren und schnelle Entscheidungen treffen. Und da wir auch als Verein transparent arbeiten, war es uns sehr wichtig, alle getroffenen Entscheidungen schnell und transparent an alle Vereinsmitglieder zu kommunizieren. Da haben wir als Vorstand sehr gute Arbeit geleistet. Das war gutes Teamwork!

 

Gibt es Dinge, die ihr als Verein tun konntet, um Quartiermeister zu unterstützen?

Roman: Wir haben uns natürlich Gedanken darüber gemacht, was wir als Verein tun können. Wir wollten Quartiermeister so gut es geht unterstützen und mehr tun, als uns hin und wieder einen Kasten über den Stay Home Club nach Hause zu bestellen. Wir wollten mehr helfen! Wir haben dann alle Mitglieder dazu aufgerufen, bei jedem Einkauf zu schauen, dass Quartiermeister im Supermarkt-Regal gut platziert ist. Wir haben die Etiketten nach vorne gedreht und wenn wir Quartiermeister im Handel vermisst haben, auch einfach das Personal vor Ort drauf angesprochen. Das schafft Nachfrage. Das war unser kleiner Beitrag als Verein, um die Firma zu unterstützen.

 

Normalerweise treffen sich die verschiedenen Vereinszellen regelmäßig zu Vereinstreffen oder für die Auswertung der Anträge auf unsere Projektförderung. Habt ihr euch in den letzten Wochen und Monaten überhaupt zu Gesicht bekommen?

Roman: Nicht so wirklich. Als die Pandemie ausgebrochen ist, war das wie eine Art Innehalten. Jede*r musste erst mal selbst schauen, wie er oder sie mit der Krise umgeht. Wir alle haben unser persönliches Umfeld und unterschiedliche Jobs, unterschiedliche familiäre Situationen. Uns ist dann aber schnell klargeworden, dass wir schon den Kontakt wiederhaben wollen. Lisa hatte dann die Idee der „Wertuellen Kneipenabende“. Das war etwas ganz Besonderes. Jede*r hatte das Bedürfnis, mal wieder rauszugehen und sich auszutauschen, aber auch Gelegenheiten zu nutzen, um an interessante Informationen zu kommen. Mit den Wertuellen Kneipenabenden hatten wir wirklich schöne Treffen, die auch oft lustig waren. Wir haben immer ein bestimmtes Thema besprochen, was wir als Verein nach außen tragen wollten. Trotzdem fehlt uns der persönliche Umgang. Das möchten wir als Vorstand schnellstmöglich wieder aktivieren.

 

Es gab doch auch mal einen digitalen Bierworkshop mit David, oder?

Roman: Oh, da war ich leider nicht dabei. Ich habe aber gehört, dass es an Bier nicht gemangelt hat.

Vivi: Ich war dabei! Das war sehr schön. Das war ziemlich am Anfang von Corona. Da sind Leute aus allen Zellen zusammengekommen. Auch Leute, die man schon ewig nicht mehr gesehen hat oder die vor Ort auch gar nicht so aktiv sind. Das war wirklich ein tolles Gefühl, alle zu sehen. Das hat man in dieser Form eigentlich nur auf unserem Jahres-Retreat.

 

Habt ihr auch etwas über Bier gelernt?

Vivi: Ich habe das erste Mal ein paar Dinge verstanden, die ich nach zehn Bierworkshops noch nicht verstanden hatte, z. B. was obergärige Hefe bedeutet (lacht). Die meisten von uns waren echt gut vorbereitet und hatten verschiedene Sorten da. In Dresden haben sich die Leute im Park getroffen und zusammen getrunken. Es war echt schön.

 

Wie war aus eurer Sicht die Kommunikation mit der GmbH während Corona?

Roman: Sehr besonders. Wir haben auch in den Monaten vor Corona sehr gut zusammengearbeitet. Es gab viele Veränderungen in der Struktur, z. B. was Professionalität angeht. Wir haben also bereits intensiv an unserer Kommunikation gearbeitet und waren eigentlich schon alle happy. In der Krise hat sich dann gezeigt, dass wir ein sehr gutes Fundament haben. Da muss die Kommunikation schon sehr gut laufen. Man muss sich in gewissen Situationen auch mal zurücknehmen können und im Interesse der anderen denken. Es gab es kein einziges Treffen, in dem wir nicht auf einen Nenner gekommen sind. Und wir haben echt über strenge und harte Themen gesprochen. Ich mein, wenn wir über die Verwendung von Fördergeldern sprechen, haben wir als Vorstand eine große Verantwortung. David und Peter haben sich viel Mühe gegeben, uns die Zahlen 100% transparent offenzulegen und haben sehr offen über ihre Gedanken, ihre Ängste, ihre Hoffnungen gesprochen. Wir als Vorstand waren uns sicher, dass alle Entscheidungen sowohl im Interesse der Firma als auch des Vereins getroffen wurden. Da hatten David und Peter unsere 100%ige Rückendeckung.

 

Hattet ihr jemals Angst, dass Quartiermeister an Corona zugrunde gehen könnte?

Roman: Bei mir sind relativ schnell die Alarmglocken losgegangen, da ich weiß, dass Quartiermeister in der Gastronomie sehr stark ist und im Handel gerade die ersten Schritte geht. Durch den Lockdown der Gastronomie war das eine sehr ernste Lage. Es wusste ja niemand, wie lange der Lockdown dauern würde. Quartiermeister ist mit ca. 80 % seines Umsatzes von der Gastro abhängig. Mal abgesehen davon, dass ein Laden zumacht, ist ja die nächste Frage, ob er überhaupt wieder aufmacht und wie er aufmacht. Tische mussten auseinandergestellt werden, die Läden konnten nur zu 60% ausgelastet werden, was dann wiederum nur 60% des Umsatzes bedeutet. Was ist mit den Clubs, wie z.B. dem YAAM, was ein sehr enger Partner von Quartiermeister ist? Kommen die jemals wieder an den Start? Überleben diese Clubs? Die Frage ist, ob der Handel diese Umsatzeinbußen überhaupt auffangen kann. Deswegen habe ich mir sehr viele Sorgen gemacht, ob das funktioniert. Wir können nur froh sein, dass die Regierung eine gute Unterstützung geleistet hat und wir auch davon profitiert haben. Aber meiner Meinung nach war das eine extrem kritische Situation.

Kati: David und Peter haben eine sehr sichere Ausstrahlung gehabt in ihrer Kommunikation, was die Sicherheit und das Unternehmen angeht. Deshalb habe ich mir eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirkliche Sorgen gemacht. Ihre Aussagen klangen immer vollkommen fundiert und waren mit Zahlen belegbar. Deshalb kamen bei mir nie Zweifel auf. Ich habe mir eigentlich nur über die Mitarbeiter*innen von Quartiermeister Gedanken gemacht und gehofft, dass niemand seinen Job verliert und dass alle mit dem Kurzarbeitergeld gut über die Runden kommen. Deshalb war ich auch froh, dass wir als Verein die Möglichkeit hatten, Lisa, unsere Vereinskoordination, zusätzlich zu supporten und zumindest hier unseren Beitrag leisten konnten. Meine Sorgen galten also eher den Menschen hinter Quartiermeister als dem Projekt an sich.

Vivi: Ich habe mir eigentlich nur zum Anfang, also Mitte März, Sorgen gemacht, weil es bei Quartiermeister – im Vergleich zu anderen Unternehmen – keine großen Kredite gibt. Keine Investoren oder sonst jemanden, der schnell aufspringen kann, um Geld ins Unternehmen zu pumpen, so wie es bei sehr vielen anderen Start-ups der Fall ist. Die Unabhängigkeit von Quartiermeister wurde also kurzfristig zu einem gefühlten Nachteil. Die Sorgen sind aber relativ schnell wieder verflogen. Einfach, weil wir so viel miteinander gesprochen haben. David und Peter, und auch das gesamte Team, haben sehr konzentriert und gut daran gearbeitet, dass wir irgendwie zusammen überleben.

 

Gibt es etwas, was ihr noch loswerden wollt?

Kati: Für mich als neues Vorstandsmitglied war es sehr schön, einen Ort zu haben, an dem man sich austauschen kann. Wir haben uns im Vorstand fast wöchentlich digital gesehen. Vielleicht ist die Gruppe des Vorstands sogar die Gruppe, die mich im letzten halben Jahr am regelmäßigsten begleitet hat. Ich habe auch gemerkt, dass ein Social Business doch sehr belastbar ist, weil wir einfach an den ideellen Werten so sehr festhalten und das mehr bedeutet, als einfach nur Umsatz. Ich schaue jetzt sehr positiv in die Zukunft und freue mich, wenn wir dieses Interview irgendwann wiederholen und über die Zukunftsperspektiven reden (lacht).

Roman: Es ist ein tolles Gefühl, ein Teil von Quartiermeister zu sein. Man ist einfach mehr als nur der Einzelne. Die Vision von Quartiermeister steht so weit oben und wird mit so viel Leidenschaft getragen – auch in so einer Krise. Peter und David hätten wirklich kopflos durch die Gegend rennen können. Aber die beiden waren immer transparent und haben zu jeder Zeit ein gutes Gefühl vermittelt. Das hat uns als Verein sehr motiviert, dieses Gefühl weiterzutragen. Meiner Meinung nach werden wir gestärkt aus der Krise hervorgehen. Wir sind noch enger zusammengewachsen. Und trotzdem: Die Situation ist nicht beendet.

Vivi: Ich denke, dass die Zeit gezeigt hat, dass es viel mehr Sinn für die ganze Gesellschaft macht, wenn alle Unternehmen nachhaltig wirtschaften würden und sich an Quartiermeister ein Beispiel nehmen würden. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die gesund arbeiten und nicht ausbeutend, zukunftsfähig sind. Und ich wünsche mir, dass es mehr Unternehmen gibt, die so sind.

Roman: Wir sind die einzige Biermarke, die systemrelevant ist (lacht).

Vivi: Das ist ein guter Abschluss!

Stell dir vor die Festivalsaison beginnt und keiner darf hin

31. Juli 2020 10:04

annika.bruemmer

Die Club- und Festivalkultur steht vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Denn die gesamte Branche steht seit dem Auftreten der Pandemie durch COVID-19 still. Die Zukunft ist und bleibt ungewiss. Viele Kulturschaffende stehen vor dem Aus.

Das Lusatia Festival lädt deshalb 5 Akteure der Festivallandschaft nach Brandenburg ein, um mit einer digitalen Festivaledition auf die Notlage der Festivals aufmerksam zu machen. 3000 Grad, Bucht der Träumer, Moyn Moyn Festival, Wilde Möhre, Kiezburn & Lusatia haben sich mit dem Streaming Team Birdhouse zusammengetan und streamen über 10 Wochen vom 01.08.2020 bis 03.10.2020 jeden Samstag 3 Folgen ihres „Digital Fundraiser Festivals“ über www.lusatiafestival.com!

Der Berliner Kulturdachgarten Klunkerkranich und das Wilde Möhre Festival begründeten dieses Jahr das neue Festival namens „Lusatia“. Die Planungen begannen bereits im Herbst 2019. Doch durch die COVID-19 Pandemie und die damit einhergehenden Veranstaltungsverbote & Einschränkungen hat sich das Lusatia Team entschieden, das Festival dieses Jahr im Internet stattfinden zu lassen. Lusatia möchte mit seinen 5 Festivalpartnern im digitalen Raum Aufmerksamkeit für die Notlage der Festivals schaffen.

Wenn Menschen aufgrund einer Pandemie nicht mehr zusammenkommen können und dadurch Großveranstaltungen untersagt werden, fällt ein ganzer Kulturkosmos in sich zusammen. Nicht nur die Veranstalter selbst, auch Musiker*innen, Künstler*innen, Workshopgebende, Bar- und Gastronomiepersonal, Lieferanten, Booker, Organisator*innen, Technikverleihe & Dienstleistende – alle beteiligten Gewerke dieser Kulturproduktionen stehen still.

Die Medienpartner Flux FM, Sunshine Live und die Lausitzer Rundschau begleiten das zehnwöchige Spektakel mit Live-Übertragungen, Interviews und Berichterstattung. Das Lusatia Festival hat auf Facebook ein großes Netzwerk mit über 50 Plattformen aufgebaut, die das Projekt unterstützen und die Staffeln gemeinsam übertragen werden um weltweit möglichst viele Menschen mit dem Projekt zu erreichen.

Das grundlegend solidarisch aufgebaute Projekt wurde von mehr als 100 ehrenamtlich Beteiligten aufgebaut und umgesetzt. Die Zuschauer werden über die Festivalwebsite www.lusatiafestival.com aufgerufen, ihre Lieblingsfestivals finanziell sowie anderweitig zu unterstützen und zu retten. Das Lusatia Festival ruft außerdem zu Spenden für das Aktionsbündnis Brandenburg auf. Denn das frisch gegründete Festival sitzt, wie der Name schon vermuten lässt, inmitten der Lausitz in Brandenburg. Die Lausitz steht kurz vor dem größten Strukturwandel, den sie jemals erlebt hat.

Die Kohle geht – und was kommt danach?

Das Lusatia Festival möchte die Kultur und nachhaltige Formen des Tourismus abseits des Mainstreams als Alternative zur Kohle anbieten. Die Energie aus der Erde, früher in Form von Kohle vorhanden, soll nun in Form von Kreativität und Begegnungen aufsteigen und die schöne Lausitz um weitere Faktoren bereichern. Das Projekt „Lusatia Festival“ möchte mit der Region gemeinsam Optionen erarbeiten, wie Kulturschaffende mit der Lausitz einen Ort erschließen können, den viele aus der Großstadt schon so lange vermissen. Die unglaubliche Natur, die sorbische Kultur, neu entstehende Landschaften als Folge des Strukturwandels, es gibt viel zu entdecken in der Lausitz.

Das digitale Festival beginnt am 01.08.2020. Es wird über die Website www.lusatiafestival.com zu sehen sein. Dort sind auch alle weiteren Informationen wie die Spendenkampagnen oder die auftretenden Künstler*innen zu finden.

Corona-Talk mit Johanna: "Ich habe alle mir bleibenden Kapazitäten in den Lebensmitteleinzelhandel gesteckt"

27. Juli 2020 10:29

annika.bruemmer

Johanna ist ehemalige Quartiermeister-Praktikantin und unterstützt als studentische Mitarbeiterin den Vertrieb mit ihrer charmanten Telefon-Stimme. Wie Johanna den ersten Lockdown empfunden hat, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen und wie sich ihre Arbeit verändert hat, erfahrt ihr im Interview.

Wie hast du über Corona gedacht als du zum ersten Mal in den Medien davon gehört hast?

Mein erster Gedanke war: Panikmache! Ist alles nicht so schlimm. Das kommt doch einmal im Jahr vor, dass eine Grippe oder ein Virus ausbricht. Das hat mich anfangs alles nicht so tangiert. Das war im Januar oder Dezember. Da fand ich das alles nicht so bedrohlich.

 

Hat sich dieses Gefühl mit zunehmender Zeit dann irgendwann verändert?

Ja, am 14. März, als dann alle Kneipen geschlossen haben. Aber auch schon 1-2 Wochen. Peter wollte zu dieser Zeit auf eine Messe, die dann abgesagt wurde. Auf einmal wurden Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Menschen verboten. Zwei Wochen später wurden Bars, Kneipen, Clubs und Restaurants geschlossen. Da kam mir dann auch das erste Mal der Gedanke, wie Quartiermeister denn nun eigentlich das Bier vertreiben soll.

 

Peter und David haben sehr schnell die Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen angekündigt. Studentische Hilfskräfte sind von der Kurzarbeit ausgeschlossen. Für dich konnte also kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Hattest du jemals Angst um deinen Job bei Quartiermeister?

Ja. Ich hatte zu der Zeit ja sogar nur einen Praktikumsvertrag. Der lief bis Ende April. Und ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich dann noch einmal einen Werkstudenten-Vertrag bekommen würde.

 

Und wie kam es dazu, dass du jetzt noch bei Quartiermeister bist?

Meine Stunden wurden gesenkt. Ich habe dann etwas weniger gearbeitet und auch weniger Lohn erhalten. Peter ist mit mir ins Gespräch gegangen und ich konnte sagen, was ich mindestens brauche im Monat, um mein Leben stemmen zu können. Wir haben gemeinsam eine gute Lösung gefunden, die für mich ok war, aber auch für Quartiermeister. Es mussten ja alle Ausgaben auf ein Minimum heruntergeschraubt werden. Ich fand es toll, dass ich bei dieser Entscheidung mitsprechen konnte. Das war dann natürlich eine Umstellung für mich. Ich hatte auf einmal mehr Freizeit und weniger Geld.

 

Als Vertriebsinnendienst-Mitarbeiterin bist du meistens damit beschäftigt, die Kund*innen von Quartiermeister per Telefon zu kontaktieren. Hatte Corona irgendwelche Auswirkungen auf deine Arbeit?

Zuerst ist ja die gesamte Gastro weggebrochen. Deshalb ist für mich die Zusammenarbeit mit Andre im Osten und auch mit Marko zunächst fast komplett weggefallen, da die beiden ja fast nur Gastro-Kunden betreuen. Die beiden konnte ich dann ja gar nicht mehr unterstützen. Außerdem waren sie ja, wie alle anderen auch, in Kurzarbeit. Auch dadurch ging nicht mehr viel.

In der Zusammenarbeit mit Tcuni war das natürlich ähnlich. Allerdings hat das gesamte Unternehmen das Potenzial für den Handel gesehen. Ich habe also meine mir bleibenden Kapazitäten in den Lebensmitteleinzelhandel gesteckt, was sich anfangs gar nicht so einfach dargestellt hat. Die Kommunikation mit den Handels-Kund*innen war echt schwierig, weil die überhaupt keine Zeit hatten und auch echt keinen Kopf dafür, mit mir am Telefon über Quartiermeister zu reden. Die mussten schließlich auch umdenken. Die mussten ihre Prioritäten neu ordnen. Vor allem, als dann die ganzen Hamsterkäufe stattfanden. Die meisten unserer Kund*innen haben anfangs nur noch Pasta, Klopapier und Konserven eingekauft. Bier stand da ganz weit unten auf der Liste. Außerdem wussten die Märkte auch nie, was sie in diesen verrückten Zeiten geliefert bekommen, weil die Logistik auch totale Engpässe hatte und die einfach annehmen mussten, was kam. Das war wie ein Überraschungs-Ei für die Märkte. Das hat ca. zwei Wochen angehalten. Dann haben die Kund*innen gemerkt, dass ihre Kund*innen, also die Endverbraucher*innen, durch den Gastro-Lockdown natürlich auch in ihren Märkten mehr Alkohol kaufen. Und natürlich auch mehr Bier. Dadurch hat sich dann Monat für Monat unser Absatz im Handel gesteigert. Die Märkte haben immer mehr Ware bei uns bestellt und mussten auch schneller aufstocken.

 

Du unterstützt hauptsächlich Tcuni beim Vertrieb im Handel. Hat sich der Absatz im Handel verändert? Ist er eventuell sogar gestiegen, weil Supermärkte eine ganze Zeit der einzige Bezugspunkt von Quartiermeister waren, als alle Bars und Kneipen geschlossen waren?

Ja, der Absatz im Handel ist – im Vergleich zum letzten Jahr – enorm gestiegen. Im Gegensatz zum Sommer letzten Jahres hatten wir doppelt so viel Absatz im Handel. Das hätten wir so, in Anbetracht der Tatsache, dass wir viel weniger Zeit hatten, nicht erwartet. Das liegt aber natürlich auch daran, dass im Laufe des letzten Jahres immer mehr Märkte dazu gekommen sind, die Quartiermeister verkaufen. Aber auch daran, dass wir gute Kunden noch weiter ausbauen konnten. Da hat man richtig gemerkt, dass in Corona-Zeiten einfach mehr eingekauft wurde.

 

Welche Learnings hast du für dich, Quartiermeister und deinen Job mitnehmen können?

Ich denke, für ein Unternehmen ist es super wichtig, immer agil zu bleiben, also nicht nur eine Strategie zu fahren, sondern sich breit aufzustellen. Ich glaube, das haben sehr viele Unternehmen in der Krise gelernt und diese Strategie ist Quartiermeister auch gefahren. Wenn kein Verkauf über die Gastronomie mehr möglich ist, was für Quartiermeister 80 % des Gesamtumsatzes ausgemacht hat, dann muss man schauen, auf welchen Wegen man das Bier noch unter die Leute bekommt. Quartiermeister hat sich dann auch direkt an die Endverbraucher*innen gerichtet, was schlau war. Und es wurde dann einfach die Energie in den Handel gesteckt.

 

Und für dich persönlich und deinen Job?

Durch das Homeoffice habe ich gemerkt, dass die Arbeit und mein Privatleben miteinander verschmelzen. Ich bin dann manchmal gar nicht in Feierabend-Stimmung gekommen, ich konnte nie so richtig abschalten. Das war nicht so gut. Wenn jetzt noch eine zweite Welle kommt, dann würde ich mir das in Zukunft besser einteilen.

Naja, und generell fand ich es sehr beeindruckend, was für eine große Solidarität unter den Menschen in Zeiten von Corona herrschte. Ich meine damit die Unterstützung, die für Infizierte oder auch Menschen aus Risikogruppen geleistet wurde, wie z.B. Einkäufe zu erledigen. Das hat mich sehr beeindruckt. Dass, wenn es hart auf hart kommt, die Leute dann doch zusammenhalten.

 

Gibt es etwas, was du noch loswerden möchtest?

Ja, ich möchte allen Märkten danken, die uns mit ihren Bestellungen in dieser Zeit unterstützt haben. Nur so konnten wir bereits im April bessere Zahlen erzielen als erwartet. Und natürlich auch allen Mitarbeiter*innen bei Quartiermeister. Dafür, dass wir alle zusammengehalten haben und das Beste aus einer schlimmen Situation gemacht haben.

 

Corona-Talk mit Tcuni: „Mir wurde bewusst, dass der Handel Quartiermeister den Arsch retten würde“

21. Juli 2020 05:07

annika.bruemmer

Heute sprechen wir mit Tcuni über Corona und darüber, was die Pandemie mit ihr persönlich, aber auch beruflich gemacht hat. Tcuni ist bei uns für den Vertrieb im Einzelhandel Berlin zuständig und seit 1,5 Jahren bei Quartiermeister am Start. Dank ihr findet ihr unser Bier in mittlerweile in vielen Berliner EDEKA- und REWE-Filialen. Das finden wir richtig nice, denn wo sonst hätten wir in Zeiten des Lockdowns unser Lieblings-Bier besorgen sollen? Tcuni, du rockst!

Was ging dir durch den Kopf, als sich im Februar/März die Corona-Situation zunehmend zugespitzt hat und wir am 14. März schlussendlich vor dem Lockdown standen?

Ich war total baff. Ich hatte Ohnmachts-Gefühle. Und als der Lockdown kam, war das wie der angekündigte Sturm, der von Italien nach Deutschland zieht. Ich hatte zu der Zeit viel Kontakt zu meinem ehemaligen Mitbewohner, der in Italien lebt. Durch ihn wusste ich genau, was in Italien los ist und was auf uns zukommen würde.

Ich hatte aber schon vorher mulmige Gefühle, bevor alles zugemacht hatte. Mir war da einfach schon eine ganze Zeit sehr unwohl. Ich habe diese Gefühle und Ängste auch im Team besprochen. Und als es dann im März richtig heftig wurde, konnte ich nichts anderes tun, als diese Tatsache zu akzeptieren. Es waren ja alle Menschen auf einmal davon betroffen. Ich erinnere mich, wie unwohl ich mich anfangs im Supermarkt gefühlt habe als die Hamsterkäufe losgingen. Der intensive Austausch im Team in unseres wöchentlichen, digitalen Meisterrunden hat mir allerdings sehr geholfen, meine Gefühle zu ordnen. Auch die Gespräche mit meinem eigenen Netzwerk.

Und in Bezug auf Quartiermeister?

Ich hatte große Angst um Quartiermeister. Wir hatten so ein erfolgreiches letztes Jahr und sind so gut in 2020 gestartet und auf einmal drohte dieses Kartenhaus zusammenzufallen. Ich habe es förmlich vor mir einstürzen sehen.  Ich hatte Angst, dass wir keine sozialen Projekte mehr fördern können, dass Mitarbeiter*innen entlassen werden müssen und dass auch mein Job auf der Kippe steht.

Dadurch, dass wir kein Industriebier, sondern ein alternatives, gutes Produkt sind und nicht so eine große Drehung haben, hatte ich dann Schiss, dass die Getränkeverantwortlichen im Handel Prioritäten setzen würden, was Getränke angeht. Ich habe stark verfolgt, was in den einzelnen Märkten so los war. Enorm nachgefragt waren Toilettenpapier, Mehl, Milch, Getreide und Wasser. Bier so gut wie gar nicht. Das hat mich irgendwie beruhigt. Denn es ging nicht um Quartiermeister – um unser Bier – sondern um das Bier-Segment im Allgemeinen. Die Endverbraucher*innen haben in den ersten Wochen einfach Prioritäten gesetzt, was ihre Einkäufe anging.

Ich erinnere mich, dass ich große Probleme hatte, unsere Kund*innen zu erreichen. Die erste Woche nach dem Lockdown war miserabel. Da ging niemand ans Telefon und wenn, dann wurde häufig einfach aufgelegt oder die Leute waren sehr angespannt. Dann habe ich für mich als Maßnahme festgelegt, unsere Kund*innen erst einmal in Ruhe zu lassen und abzuwarten bis die Sonne wieder scheint.

Der Handel macht eher kleineren Teil von Quartiermeisters Umsätzen. Nun war der Verkauf im Einzelhandel auf einmal die einzige Einnahme-Quelle neben dem Online-Geschäft. Wie hast du dich als Handels-Vertrieblerin mit dieser Tatsache gefühlt?

Tja, mir wurde auf einmal bewusst, dass der Handel Quartiermeister den Arsch retten würde. Nach dem anfänglichen Lähmungs-Gefühl bekam ich dann den Eindruck, dass der Handel doch ganz gut läuft. Die Leute gingen wieder ganz normal einkaufen. Sie hatten sich schnell daran gewöhnt, mit Maske einzukaufen. Für mich persönlich war es allerdings eine extreme Überforderung, die Märkte wieder zu besuchen. Anfangs wurde ja eine Außendienstsperre verhängt: Für alle Außendienstler*innen gab es von allen Supermärkten ein offizielles Schreiben, dass auf Grund von Corona, keine Außendienstbesuche gestattet sind. Als die Sperre aufgehoben wurde, hat mich Peter sehr unterstützt und meinen Zwiespalt gesehen: Auf der einen Seite möchte ich Quartiermeister verkaufen, auf der anderen Seite riskiere ich meine Gesundheit. Mir wurde jedoch zu jedem Zeitpunkt das Gefühl vom gesamten Team vermittelt: Mach einfach so, wie du denkst. Und ich wurde nach jedem Markt-Besuch mutiger.

Als Corona dann aber immer weiter ging, habe ich dann irgendwann trotzdem großen Druck gespürt. Nicht von Quartiermeister oder meinen Kolleg*innen, sondern von mir selbst. Auf einmal dachte ich: Alles hängt jetzt von mir ab. Der ganze Fokus lag auf einmal auf dem Handel, obwohl er eigentlich eher eine schwache Umsatzbeteiligung am Gesamtumsatz ausmacht. Gleichzeitig hatte ich wegen der Kurzarbeit kaum Zeit. Dann dachte ich mir: Corona ist nicht meine Verantwortung. Ich habe einfach keinen Einfluss darauf. Quartiermeister, und alle anderen Unternehmen, an denen Arbeitsplätze hängen, haben auch keinen Einfluss auf die Entwicklung. Das war ein Jonglieren zwischen Gasgeben und Zurückziehen. In der wenigen Zeit, die mir durch die reduzierten Arbeitsstunden blieben, musste ich klar Prioritäten setzen. Gleichzeitig empfand ich es als sehr belastend, zu wissen, dass meinen Kollegen aus dem Gastro-Vertrieb die Hände gebunden sind. Die konnten gar nichts tun, außer abzuwarten. Da habe ich schon oft an meine Männer gedacht (lacht).

Mit der Zeit war ich dann richtig stolz auf mich. Ich habe gemerkt, dass ich mit meinen Händen arbeite, dass ich wirklich etwas für unsere Situation tun kann. Und der Handel ist als Absatzkanal tatsächlich stabil geblieben. Das hat nicht nur mit meiner Arbeit, sondern mit der Arbeit aller Beteiligten zu tun. Ein Lichtblick war, als der Berliner Senat angekündigt hat, dass die Gastro wieder öffnen kann.

Gibt es Dinge, die du in deinem Job in den letzten Monaten anders gemacht hast?

Anfangs war ich zurückhaltender, weil die Situation so angespannt war. Gleichzeitig bin ich den Getränkeverantwortlichen aus den verschiedenen EDEKA und REWE-Filialen nähergekommen. Wir sind enger zusammengerückt. Wir haben viel telefoniert. Da hat mich auch Johanna aus dem Innendienst sehr unterstützt. Die Gespräche haben sich verändert. Wir haben in unseren Telefonaten viel mehr Privates besprochen, wie wir mit der Situation umgehen. Ich habe dann in diesen Gesprächen auch deutlich gemacht, dass wir als Quartiermeister darauf angewiesen sind, dass die Märkte unser Bier bestellen. Dass sie uns nicht vergessen dürfen. Ich habe häufig vom Stay Home Club berichtet, um das Verständnis zu schärfen, wie sehr wir in der Krise stecken durch die Gastro-Schließung. Alle waren erstaunt, dass Quartiermeister um die 80 % des Umsatzes durch die Gastronomie generiert.

Ich bin dann dazu übergegangen, eigene kleine Newsletter an die Märkte zu verschicken, in denen ich mich für die Unterstützung bedankt habe und ich habe klar gesagt, dass wir für unsere Kund*innen da sind. Außerdem habe ich meine „Kurzarbeit-Sprechzeiten“ durchgegeben.

Welche Learnings hast du für dich, Quartiermeister und deinen Job mitnehmen können?

Ich habe gemerkt, wie sehr es mir hilft, eine private und berufliche Struktur für mich aufzubauen und dass es sinnvoll ist, nicht zu sehr zu grübeln, sondern sich auf andere Dinge außerhalb des Jobs zu konzentrieren, wie z.B. auf das Thema Achtsamkeit. Ich habe meine Küche gestrichen, habe Dinge ausgemistet und es sogar endlich geschafft, meine letzten beiden Steuererklärungen zu machen.

Ich habe gelernt, dass die Verantwortung nicht bei mir liegt, weil ich, wie vorher beschrieben, keinen Einfluss auf die Situation habe. Man hat einfach nicht alles in der Hand. Und dass Ziele – und wir hatten viele Ziele, die wir jetzt korrigieren müssen – am Ende eine Utopie sind. Eine Richtung zu haben ist gut, aber das geht nicht auf Krampf. Das hat mein Bewusstsein verändert. Dass man mit Druck und Krampf nicht durchkommt im Leben und im Job.

Was glaubst du, was Quartiermeister aus der Krise gelernt hat?

Wir haben gelernt, flexibel zu sein und innerhalb kürzester Zeit zu reagieren. Wir sind im Team enger zusammengerückt. Und wir haben gesehen, dass wir viel stärker und resilienter sind als angenommen. Und wir sehen auch, dass nicht alles in unserer Verantwortung liegt und wir auch nicht alles beeinflussen können. Gelassenheit ist ein wichtiges Learning, was Quartiermeister aus den letzten Monaten zieht.

Gibt es etwas, was du noch loswerden möchtest?

In erster Linie möchte ich meinen Kolleg*innen danken für das entgegengebrachte Vertrauen und die Rückendeckung. Wenn ich irgendwas gebraucht habe, waren wirklich alle für mich da und haben mich unterstützt.

Dann möchte ich mich bei den Getränkeverantwortlichen und den Marktleitern der EDEKA- und REWE-Filialen bedanken, die uns im Sortiment haben. Die Plätze, die wir im Handel bekommen, laufen alle auf freiwilliger Basis. Wir haben keine Verträge, die uns Platzierungen zusichern. Ich finde es toll, dass viele Märkte kleine Firmen wie uns in dieser Zeit so gut unterstützen.

Und zu guter Letzt möchte ich mich bei allen Quartiermeister-Trinker*innen bedanken, denn die Rotation im Markt kriegen wir nur durch ihre Kaufentscheidungen hin. Wenn ich im Markt bin und unsere Flaschen ins Regal räume, geht mir jedes Mal das Herz auf, wenn jemand zu unserem Bier greift. Denn wenn niemand Quartiermeister kauft, dann bestellt auch keine Filiale nach. Das ist ein Kreislauf. Der Kreislauf geht noch weiter. Wenn weniger gekauft wird, wird weniger produziert und abgefüllt. Das wäre dann sehr schlecht für unsere Partnerbrauereien. Die Endverbraucher*innen sind die Held*innen, die unsere Arbeit möglich machen. Sie sind diejenigen, die unsere Unternehmens-DNA – die Projektförderung – ermöglichen. Also Leute: Tausend Dank, dass ihr Quartiermeister trinkt!

Und Leute: Falls es tatsächlich zu einer zweiten Welle kommen sollte, hoffe ich sehr, dass sich alle an die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) halten werden. Zum Wohle aller halt.

 

Corona-Talk mit David: "Seit Corona weiß ich, was es heißt, eine Führungskraft zu sein"

16. Juli 2020 09:53

annika.bruemmer

David ist einer der zwei Mitgründer und Geschäftsführer von Quartiermeister. Im Normalfall kümmert er sich um Produktion und den Innendienst und arbeitet gemeinsam mit Peter (Mitgründer & Geschäftsführer Nr. 2) an den Bereichen Strategie, Finanzen und Personal. Wie Corona Davids (Berufs-)Leben auf den Kopf gestellt hat, welche Ängste und Sorgen er hatte, und was Corona rückblickend für Quartiermeister bedeutet, erfahrt ihr im Interview.

Anfang des Jahres haben viele noch über Corona geschmunzelt. Wann hast du angefangen, Corona ernst zu nehmen und ab welchem Zeitpunkt als bedrohlich empfunden?

Ich lese sehr viele Nachrichten und habe schon anfangs, also Anfang Januar, Corona intensiv in China verfolgt. Anfangs dachte ich, das sei nichts Größeres. In meiner Rolle als Chef und Geschäftsführer habe ich angefangen, Corona ernst zu nehmen, als es die ersten Rückmeldungen aus dem Team gab, dass es Ängste und Sorgen gibt, dass Corona gesundheitliche Schwierigkeiten auslösen könnte. Da habe ich noch versucht, das Ganze zu beschwichtigen, aber diese Ängste natürlich auch sehr ernst genommen. Das war so ein bis zwei Wochen vor dem Lockdown Mitte März. Dann gings relativ schnell. Ich erinnere mich, dass wir vorher im Büro schon ein paar Hygieneregeln eingeführt haben, wie häufiges Händewaschen und Abstandsregelungen. Und als der Lockdown dann plötzlich kam – und das ging ja wirklich von Null auf Hundert in zwei oder drei Tagen – habe ich gemerkt, dass das richtig reinhauen kann. Das war das Wochenende, an dem ich mich mit Peter zusammengesetzt habe und besprochen habe, was das nun eigentlich für uns, für Quartiermeister, bedeutet. Da haben wir relativ früh den Ernst der Lage erkannt. Denn wenn keine Bars und Kneipen geöffnet sind und keiner mehr raus darf, bricht natürlich unser Geschäftsmodell zusammen.

 

Welche Maßnahmen haben Peter und du zum Schutz von Quartiermeister ergriffen?

Die Woche vor dem Lockdown hatten wir bereits freiwilliges Homeoffice angeordnet, damit alle, die sich nicht mehr wohl fühlen, zu Hause bleiben können. Und als der Lockdown kam, sollten dann wirklich alle zu Hause bleiben. Wir müssen mit unserer Arbeit nicht wirklich ins Büro, außer um vielleicht mal die Post abzuholen. Wir haben dann direkt mit unseren Partnern gesprochen, allen voran den Brauereien und teilweise mit Händlern, um zu besprechen, was für Auswirkungen Corona haben kann und welche Maßnahmen wir jetzt schon treffen können, um wirtschaftliche Schäden abzuwenden.

Unseren Kollegen und Kolleginnen gegenüber haben wir versucht, so offen und so transparent wie möglich zu kommunizieren und den Ernst der Lage zu schildern, gleichzeitig aber die Situation nicht zu bedrohlich wirken zu lassen. Zumindest haben wir das versucht.

Wir mussten uns zuerst natürlich orientieren und ganz genau auf unsere Liquidität schauen. Als Corona ausgebrochen ist, sollte unsere Saison losgehen. Wir waren gerade durch mit den sechs schwachen Monaten, die wir immer im letzten und ersten Quartal haben. Unser Konto war so leer, wie es ging. Es sollte gerade wieder losgehen. Die Verkäufe sollten anziehen. Auf Grund des Zeitpunkts war die Situation noch bedrohlicher für uns. Deshalb haben wir direkt die Notbremse gezogen mit einer Liquiditätssperre. Wir haben geschaut, welche Rechnungen wir direkt bezahlen müssen und welche wir herauszögern können. Mit den Brauereien haben wir besprochen, dass wir vorerst mehr nach Können bezahlen, also mehr nach Liquidität. Da haben wir von unseren Partnern glücklicherweise positive Rückmeldungen bekommen und konnten diesbezüglich sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Wir haben uns dann sehr schnell in das Kurzarbeits-Thema reingefuchst. Seitdem spreche ich fast täglich mit unserer Steuerberaterin. Ab April haben wir dann den Antrag auf Kurzarbeit für alle Mitarbeiter*innen gestellt.

 

Wie hat das Team auf das Thema Kurzarbeit reagiert? Wie war die Stimmung?

Die Stimmung war an sich gut – auf jeden Fall besser als gedacht. Es gab Tage, an denen Peter und ich recht deutlich kommuniziert haben, dass wir nicht wissen, wie wir aus dieser Krise herauskommen werden und dass wir es ohne tiefe Einschnitte nicht überleben werden. Da war die Stimmung verständlicherweise nicht so gut. Das haben wir versucht, aufzufangen. Wir haben immer gesagt, dass das die Ultima Ratio wäre. Dass wir deshalb aber auch die Solidarität von jedem*r Einzelnen brauchen, um durchzukommen. Wir hatten immer das Gefühl, dass innerhalb des Teams große Solidarität vorhanden war und dass jede*r bereit war, zum Wohle anderer zu verzichten. Teilweise haben die Leute sogar angeboten, Teile ihres eigenen Gehalts für andere zu geben, da diese sonst weniger verdient hätten. Da gabs einen großen Zusammenhalt und gewisse Trotzreaktionen, so nach dem Motto: Das schaffen wir schon! Aber natürlich war die Unsicherheit groß. Und auch die Ängste gewisser Kolleg*innen. Das war für Peter und mich eine schwierige und herausfordernde Situation. Das hat mich auf jeden Fall geprägt. Seitdem weiß ich, was es heißt, eine Führungskraft zu sein. Im Vergleich dazu ist Führung in guten Zeiten Kindergarten.

 

Hast du das Gefühl, dass dich diese Herausforderungen als Führungskraft weitergebracht haben?

Schon. In Krisenzeiten reagiert ja jeder irgendwie entsprechend seines Charakters. In den letzten Wochen und Monaten wurde recht deutlich, dass wir einfach sehr verschiedene, diverse Leute bei uns im Team haben, die ganz unterschiedlich auf Corona reagiert haben. Darauf mussten wir uns dann einstellen und verschiedene Arten von Gesprächen führen. Das hat mir stark gezeigt, dass Führung Empathie und Einfühlungsvermögen bedeutet und gleichzeitig der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Das war nicht einfach, den Leuten einerseits zu sagen, wie ernst die Lage ist und gleichzeitig mit erhobenem Haupt und gutem Beispiel voranzugehen. Entscheidungen unter enormer Unsicherheit zu treffen und Entschlossenheit zu signalisieren, war enorm wichtig, weil ich gemerkt habe, dass das Team auf mich und Peter schaut. Wenn wir da gezögert hätten oder zusammengebrochen wären oder vor Angst nicht mehr handlungsfähig gewesen wären, dann wäre es auf jeden Fall anders ausgegangen. Wir mussten zeigen, dass wir an der Krise nicht zu Grunde gehen. Wir mussten optimistisch sein. Das hat sich dann auf die Kollegen und Kolleginnen übertragen. Klar gab es auch Tage, an denen Peter und ich selbst niedergeschlagen waren. In solchen Momenten war es schön, Rückhalt zu spüren und vom Team aufgefangen zu werden. Allgemein habe ich jedoch schon das Gefühl, dass wir eine gewisse Entschlossenheit an den Tag gelegt haben und alle anderen dem folgen konnten.

 

Du würdest also sagen, dass sich Peter und deine Führungsstrategie positiv auf das Team und das Unternehmen ausgewirkt hat? Oder würdest du rückblickend irgendetwas anders machen?

Ich weiß natürlich nicht, wie es gelaufen wäre, wenn wir anders reagiert hätten. Ich glaube, dass es an sich gut gelaufen ist. Auch, was die Motivation im Team, was die Stimmung der Leute, die Solidarität untereinander anbelangt. Es hat alles irgendwie funktioniert. Bislang sind wir einigermaßen gut durch die Krise gekommen. Die Leute konnten trotz Kurzarbeit viele ihrer Aufgaben erledigen und waren auch immer bereit, im Team ansprechbar zu sein und füreinander da zu sein. Was passiert wäre, wenn Peter und ich uns anders verhalten hätten, kann ich nicht sagen. Es wäre aber interessant, zu wissen, welche Dynamiken sich sonst im Team gebildet hätten, wenn z.B. Peter und ich ausgefallen wären. Wer hätte dann im Team die Führung übernommen? Hätte es gar keine Führung gegeben, sondern vielleicht eine kollektive Führung? Als Experiment wäre das interessant gewesen. Dadurch, dass wir uns in einer sehr ernsten Situation befanden und befinden, bin ich allerdings ganz froh, dass es so funktioniert hat und wir eine gewisse Resilienz zeigen konnten.

 

Hattest du jemals Angst, dass Quartiermeister Corona nicht überleben würde?

Auf jeden Fall! Die Angst war durchaus da. Immerhin haben wir mit Umsatzeinbrüchen von 70-80 % gerechnet, weil Quartiermeister den Hauptumsatz durch die Gastronomie erzielt, die durch den Lockdown komplett weggebrochen ist. Ein weiterer wichtiger Absatzkanal sind Events, die auch auf einmal alle abgesagt wurden und größtenteils weiterhin gestrichen sind. Die Gastro ist selbst jetzt noch nicht an dem Punkt, wo sie vor Corona war. Dementsprechend sind wir mit unseren Umsätzen nach wie vor nicht bei 100 %. Corona für uns nicht vorbei, deshalb ist die Angst um Quartiermeister in Teilen immer noch vorhanden. Dadurch, dass man immer noch nicht weiß, was passiert, weil das Virus einfach unfassbar komplex ist und gefühlt jeden Tag neue Dinge herauskommen, die im worst case wieder zu einem erneuten Lockdown könnten, ist meiner Meinung nach die ganze Sache noch nicht überstanden. Wir haben viel mit unserem Coach darüber gesprochen. Wir gehen davon aus, dass es sich bei Corona um einen Marathon handelt und nicht um einen Sprint. Die ersten 20 km haben wir vielleicht überstanden, aber die zweite Hälfte wird sicher noch etwas andauern. Anfangs war die Angst natürlich größer: Wird Quartiermeister Corona überleben? Müssen wir eventuell sogar Leute entlassen? Wir haben aber alle Maßnahmen getroffen, die es in dem Moment gab.                                                                                                                                           

 

Wie hat sich deine Arbeit in den letzten Wochen und Monaten verändert?

Ich habe mich in alle möglichen Themen reingewurschtelt. Zum einen in die Kurzarbeit, in die Soforthilfen von der IBB, vom Bund, vom Land. Da habe ich teilweise Nächte in Warteschlangen verbracht, weil es anfangs technisch überhaupt noch nicht funktioniert hat. Das war schon irgendwie abstrus, aber das Gebot der Stunde. Ich konnte mich wirklich um nichts anderes kümmern als um den Fortbestand von Quartiermeister. Dadurch hatte ich allerdings immer das Gefühl, dass es doch noch Möglichkeiten gibt, etwas zu unternehmen und an diese Möglichkeiten habe ich mich geklammert. Ich habe mich mit großem Willen überall reingearbeitet und so vielleicht auch frühzeitig Hilfen an Land gezogen, wie z.B. Soforthilfe II in Höhe von 15.000€ oder das Kurzarbeitergeld ab April. Ich habe mich um Kredite gekümmert. Das hat sehr lange gedauert und ist auch gerade jetzt erst abgeschlossen, also drei bis vier Monate später. Das war eine ziemliche Odyssee.

Durch die Einführung der Kurzarbeit lagen dann auf einmal viele Aufgaben bei Peter und mir, wie Rechnungen schreiben, Speditionsplanung oder Händlergespräche. Klar, dadurch, dass wir weniger Bier verkauft haben, sind Teile des operativen Geschäfts weggebrochen und dadurch gabs weniger zu tun. Aber durch die zusätzlichen Aufgaben wie Liquiditäts- und Existenzsicherung und der Führungsaufgabe, habe ich von der Kurzarbeit nicht wirklich viel gehabt. Kurzarbeit-Geld habe ich als Geschäftsführer eh nicht bekommen, aber ich habe auch eh weiterhin Vollzeit gearbeitet. So hatte ich aber zumindest das Gefühl, dass ich etwas tun kann, denn rumsitzen und nichts tun ist in so einer Situation als Geschäftsführer auf keinen Fall das richtige. Wenn du mit Existenzängsten auf dem Sofa sitzt, wäre das Gedankenkarusell auf jeden Fall negativer gewesen.  

 

Wie hast du die Stimmung der anderen Quartiermeister*innen während der letzten Wochen empfunden?

Rückblickend betrachtet kann ich sagen, dass die Stimmung insgesamt gut war – und auch besser als erwartet: solidarisch, motiviert und gegenseitig unterstützend. Klar gab es Ängste und Sorgen, aber immer mit der Möglichkeit, diese Gefühle herauszulassen und zu besprechen und im besten Fall in positive Emotionen umzuwandeln. Es gab auch schwierige Gespräche mit Einzelpersonen, was in so einer Zeit völlig normal ist. Insgesamt würde ich sagen, dass der Verlauf für uns intern gut war und auch von der Wirtschaftlichkeit her. Es hätte uns auf jeden Fall noch schlimmer treffen können. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir so stark zusammengehalten haben.

 

Quartiermeister besteht aus einer GmbH und einem Verein. Inwiefern war der Verein während der Krise involviert? Wie war euer Austausch mit dem Verein?

Auch das war eine sehr schöne Erfahrung. Wir haben von Seiten des Vereins sehr viel Solidarität entgegengebracht bekommen. Durch Corona haben wir den Austausch mit dem Verein sogar intensiviert, um den Mitgliedern Updates zu geben, wie es uns geht. Alle Maßnahmen, die wir getroffen haben, wie Kurzarbeit oder Förderstopp, wurden vom Vorstand mitgetragen und mit viel Verständnis aufgenommen. Dann gabs während Corona die ein oder andere witzige Aktion, was durch das zunehmende digitale Arbeiten überhaupt erst zu Stande kam. Ich habe digitale Verkostungsaktionen und Bierworkshops mit den Vereinsmitgliedern durchgeführt. Wir haben eine Instagram-Serie vom Verein – die wertuellen Kneipenabende – gestartet, was auch sehr cool war. Tatsächlich konnten wir in Corona-Zeiten noch mehr Zusammenhalt und Austausch mit dem Verein schaffen.

 

Wegen der Liquiditätsengpässe musste Quartiermeister die Projektförderung zunächst einfrieren. Wie hat der Verein auf diese Entscheidung reagiert?

Als wir gesehen haben, dass es nun um wirklich jeden Cent geht, mussten wir mit allen Mitteln auf unsere Liquidität achten. Da wir ohnehin schon mit einem niedrigen Kontostand in die Corona-Zeit gestartet sind, haben wir das direkt in der ersten oder zweiten Woche an den Verein kommuniziert, dass wir erst mal nicht fördern können. Da war das Verständnis vom Verein wirklich sehr groß. In diesem Gespräch haben wir dem Vorstand unsere Unternehmenszahlen sehr transparent präsentiert. Wir waren uns alle einig, dass wir nun alles dafür tun müssen, dass es Quartiermeister nach der Krise überhaupt noch gibt. Die nächste Förderung wird dann stattfinden, sobald wir uns wieder in einer wirtschaftlichen Situation befinden, die eine Förderung zulässt.

 

Du sagtest vorhin, dass die Beantragung des Kredits mehrere Monate gedauert hat. Woran lag das?

Das lag vor allem daran, dass niemand auf dieses Szenario hinreichend vorbereitet war. Die Banken wurden in den ersten Wochen von allen Seiten überrannt. Deren Workload war und ist immer noch enorm. Man konnte niemanden erreichen und es konnte dir auch niemand so richtig Auskunft geben. Und die ganzen Programme, die dann vom Land und Bund oder der KfW aufgesetzt wurden, waren alle mit sehr heißer Nadel gestrickt, sodass am Anfang viele Fehler passiert sind und keine guten Prozesse definiert waren. Während des Runs auf die erste Soforthilfe und die ersten Darlehen ist dann diese Online-Warteschlange entstanden. Das war Anfang April. Die wurden in der ersten Zeit über Nacht weitergeführt. Dann kam es zu der absurden Situation, dass Quartiermeister – in dem Fall ich – um 1:30 dran war. Es hieß: Wenn die Warteschlange bei uns angekommen ist, habe ich ein Zeitfenster von 20 Minuten, um mich einzuloggen. Die haben die Warteschlange nicht über Nacht abgeschaltet. Ich war dann um 1:30 dran, lag zu dem Zeitpunkt aber im Bett, weil ich nicht wusste, was passiert. Das war der Grund, warum wir von der ersten Soforthilfe nichts mehr abbekommen haben. Als ich mich am nächsten Tag erneut in der Warteschlange eingereiht habe, hat das so lange gedauert bis wir dran waren, dass dann das Geld alle war.

Bei der Soforthilfe II wurde die Warteschlange von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens nicht weitergeführt. Dann gabs die ersten Horror-Geschichten: Leute sind aus der Warteschlange rausgeflogen, Leute sind reingekommen, konnten das Formular aber nicht ausfüllen, Leute konnten den Antrag nicht abschicken oder haben keine Bestätigung bekommen. Dann kam noch ein riesiger Datenschutzskandal auf die IBB zu. Das war völlig hanebüchen. Es war einfach total unklar, ob man am Ende das Geld bekommt. Schlussendlich nach Einsenden des Antrags ging es dann aber doch relativ schnell. Und bin dankbar, dass es sowas wie Soforthilfe überhaupt gibt.

Auch beim GLS-KfW-Kredit, den wir jetzt endlich finalisieren konnten, gabs sehr viele Unwissenheit, wer wofür zuständig ist, welche Unterlagen gebraucht werden. Du wurdest teilweise hin und her geschickt. Es hat alles sehr lange gedauert und war sehr beschwerlich, aber glücklicherweise konnten wir den Kredit jetzt für uns beantragen.

 

Wie hoch ist der Kredit und wofür wollt ihr das Geld verwenden?

Der Kredit beläuft sich auf 100.000 €. Wir werden wahrscheinlich aber noch mehr Bedarf haben. Wir brauchen das Geld, um über die nächsten Monate zu kommen. Trotz Zuschüssen und Kurzarbeit machen wir weiterhin kein Plus. Wir nähern uns von unten der Null an. Entsprechend gibt es jeden Monat weiterhin Fehlbeträge, die ausgeglichen werden müssen. Zum anderen brauchen wir das Geld, um Quartiermeister wieder anzuschieben, weil wir dafür unsere Leute aus der Kurzarbeit herausholen müssen, damit sie wieder voll arbeiten können. Einen Teil werden wir für Investitionen verwenden, die für dieses Jahr anstanden, wie z.B. Kisten oder andere Betriebsmittel. Wir werden das ERP-System, unser Warenwirtschaftssystem, dieses Jahr hoffentlich noch einführen können. Und ein Teil davon wird vielleicht auch in die Förderung gehen.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Generell ist die Krise für uns wahrscheinlich positiver ausgefallen als für viele anderen. Von daher können wir erst mal dankbar sein, dass es uns noch gibt. Dass die Krise gewisse positive Effekte auf das Mindset von uns Menschen hat, bezweifle ich ehrlicherweise. Ich hoffe trotzdem, dass es im Rahmen der Politik und innerhalb der Unternehmen zu positiven Entwicklungen kommt. Insgesamt hatte ich schon das Gefühl, dass die Entschleunigung – Leute arbeiten einfach weniger – positiv aufgenommen wurde. Dass hinterfragt wurde, ob man wirklich so viel arbeiten muss und so viel Geld braucht oder ob man mit mehr Freizeit und weniger Geld ggf. sogar ein besseres Leben führen kann. Das regt zum Nachdenken an. Trotz Existenzängsten hat uns die Krise einen Sommer voller Stress genommen, auch wenn dies meistens positiver Stress ist. Aber so ein Sommer ist doch immer recht anstrengend mit Festivals, High Season und 30-50% Wachstum zum Vorjahr. Das geht hart an die Substanz. Auch wenn Corona eine andere Art von Stress war, war doch die körperliche Erschöpfung nicht ganz so groß. Für mich persönlich ist positiv, dass ich remote arbeiten kann. Durch Corona hat sich gezeigt, dass ich meine Arbeit fast vollständig von überall aus erledigen kann. Auch wenn ich gerne im Büro bin, zeigt es mir, dass ich total flexibel bin. Deswegen bin ich aktuell nicht in Berlin. Das ist schon sehr schön!

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Ich glaube, ich würde mir nicht mehr so viele Sorgen machen. Ich würde versuchen, den Druck und die Verantwortung ein bisschen mehr zu verteilen, eventuell Gesprächskreise innerhalb des Teams etablieren, sodass noch mehr Austausch stattfindet und sich nicht alles auf Peter und mich fokussiert. Es macht wahrscheinlich Sinn, in den nächsten Monaten genauer unsere Absatzmärkte zu analysieren, um zu verstehen, wo wir noch Potenzial haben, was jenseits eines zweiten Lockdowns funktionieren kann.

Und für mich persönlich hoffe ich, dass ich bei einem eventuellen zweiten Lockdown nicht in Berlin sein werde (lacht).

 

Möchtest du noch irgendwas loswerden?

Ich hoffe einfach, dass wir weiterhin auf Seiten der Endverbraucher*innen diese tolle Unterstützung erfahren, denn nur so können wir als kleines, unabhängiges Sozialunternehmen weiter existieren. Und ich möchte mich an dieser Stelle bei meinen Kolleg*innen bedanken, dass sie mir das Vertrauen entgegengebracht haben und dass wir uns gemeinsam so solidarisch verhalten haben.

Jubiläum fällt ins Wasser – wir feiern trotzdem. Und zwar mit einem Drei-Gänge-Menü

29. Juni 2020 14:15

annika.bruemmer

2020 – das sollte unser Jahr werden. So gut ins neue Jahr gestartet wie noch nie zuvor in der Quartiermeister-Geschichte, wollten wir fast 60.000 € in die Projektförderung pumpen (lest mehr dazu hier). Ein wohl noch viel wichtigeres Happening, das uns das ganze Jahr begleiten sollte, ist das 10-jährige Jubiläum von Quartiermeister. 2010 fing alles an. Eine Idee von Studierenden, die drei Jahre lang komplett ehrenamtlich ablief (alle Gewinne wurden direkt an soziale Projekte verteilt), hat sich im Laufe der Zeit zu einem gesunden Unternehmen entwickelt, das Hand in Hand mit dem Verein arbeitet.

Die Ideen für unser 10jähriges Bestehen brodelten. Wir hatten Einiges vor. Dann kam Corona. Lockdown, sinkende Verkäufe, Kurzarbeit, Versammlungsverbot – alle Pläne wurden zunächst auf Eis gelegt. Auf ein wenig Glamour-Gefühl können wir uns aber trotz Corona freuen, denn in diesem Jahr wird es ein hochwertiges, limitiertes dreigängiges Gourmet-Bier-Menü anlässlich unseres 10. Geburtstages geben.

 

Wer oder was steckt dahinter?

Drei-Gänge-Menü? Hochwertig? Glamour-Feeling? Klingt erstmal komisch, immerhin sind wir eher bekannt dafür, solide Biere, wie Pils oder Helles unter die Menschen zu bringen. Parkbank und Kneipe statt Ohrensessel und Bling-Bling – da fühlen wir uns wohl. Wie also passen nun neue Gourmet-Biere in unser Sortiment?

Verantwortlich ist Thomas Tyrell, vielen Biernerds bekannt als ehemals leitender Brauer der STONE Brewing in Berlin-Mariendorf. Wir haben Thomas durch unsere Kollaboration mit STONE im Jahr 2019 kennengelernt. Damals haben wir ein gemeinsames Pale Ale kreiert (The Pale Ale for Brighter Futures), um eine gemeinsame Förderung besonders innovativer Ideen für Berliner Initiativen auszuschütten. In dieser Zeit haben wir natürlich auch Thomas kennengelernt, der uns mit seinem Bier-Wissen ziemlich beeindruckte. Auch menschlich passte alles wie Arsch auf Eimer, daher freuen wir uns, dass uns Thomas seit Schließung der STONE Brewing in Mariendorf unsere Produktionsprozesse als Qualitätsbeauftragter unterstützt.

Neben seiner beratenden Tätigkeit (unter anderem für uns – yeah!) hat Thomas vor Kurzem das Tyrell BrauKunstAtelier gegründet, wo er sich nun seine ganz eigenen Hopfen-Kreationen entwickelt. Die erste Charge hat Thomas Quartiermeister zum 10-jährigen Jubiläum gewidmet: Drei hochwertige, im Geschmack einzig- und andersartige Biere befinden sich momentan im Produktionsprozess und warten sehnsüchtig darauf, in ihre edlen 0,75 Liter-Flaschen abgefüllt zu werden. Nach Quartiermeister-Tradition fließen 1 € pro verkaufter Flasche in die Quartiermeister-Förderung.

 

Was gibt’s zu trinken?

Das Bier-Menü umfasst eine Kaiserweisse, die den Aperitif darstellt: Fruchtig, erfrischend sauer und adstringierend. Als Hauptgang kommt ein auf Holz gereifter Gerstenwein: Ein karamelliges Bier mit Holz- und Whiskynoten mit einer moderaten Bittere im Abgang. Als Dessert wird ein auf Holz gereiftes Kakao Stout serviert, der den Espresso danach ersetzt: gebraut mit Kaffee und Kakao und besonders gerösteten Karamellmalzen.

Alle Biere werden in limitierter Auflage eingebraut, sind lagerfähig und können auch jahrgangsübergreifend verkostet werden. Sie befinden sich momentan im Reifungs-Prozess und werden im Oktober 2020 in 0,75 Liter-Flaschen abgefüllt. Ihr habt die Möglichkeit, euch unter www.tyrellbraukunstatelier.de oder bei uns im Shop eine oder mehrere Flaschen, entweder einzeln oder im Drei-Gänge-Menü, zu sichern. Verschickt werden die Biere von uns im Oktober, sobald sie das Licht der Welt erblickt haben.

Ihr könnt Thomas und seinem BrauKunstAtelier auf Facebook und Instagram folgen, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Die Foodbrücke sucht Mitstreiter*innen

22. Juni 2020 14:05

nele.ilic

Die Foodbrücke ist eine Berliner Initiative, die im Sommer 2018 als studentisches Projekt entstanden ist und Ende 2018 von Quartiermeister gefördert wurde. Wir haben mit Alina, einer der Mitbegründer*innen des Projekts, darüber gesprochen, was die Idee hinter dem Projekt ist, wie sie arbeiten und wie die Zukunft der Foodbrücke aussehen könnte. 

„Die Foodbrücke baut Brücken, um Fragmentierung und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft zu überwinden und dabei die Menschen für soziale, ökologische und ökonomische Themen nicht nur in ihrer Nachbarschaft, sondern auch auf globaler Ebene zu sensibilisieren“, sagt Alina. Die Foodbrücke ist eine mobile Kochstation, die für gemeinsames Kochen, egal an welchem Ort, genutzt werden kann. Gekocht wird mit geretteten Lebensmitteln - so wird auf das Problem der Lebensmittelverschwendung aufmerksam gemacht. Jede*r soll sich bei der Foodbrücke willkommen fühlen, sagt Alina: „Die Foodbrücke und ihre Aktionen sollen für alle Menschen offen sein - dabei ist es egal, ob dieselbe Sprache gesprochen wird, denn Kochen verbindet“.

Als die Foodbrücke im Sommer 2018 als studentisches Projekt ins Leben gerufen wurde, wurde der Fahrradanhänger mit der mobilen Kochstation innerhalb weniger Wochen mit recycelten Materialien aus der Nachbarschaft gebaut. Dieser erste Versuch wies jedoch viele Mängel auf und konnte nicht langfristig genutzt werden. Mithilfe der Quartiermeister-Förderung konnte eine stabilere und besser durchdachte „Foodbrücke 2.0“ gebaut werden. „In unseren wöchentlichen Treffen sind immer ganz verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammengekommen und haben uns beim Entwerfen und Bauen des Mobils unterstützt“, erinnert sich Alina. 

Die Aktionen der Foodbrücke waren an verschiedene Formate der Floating University und der Torhaus-Initiative mit diversen Workshops gekoppelt.

Leider stand die Foodbrücke in den letzten Monaten still - die Studierenden, die an dem Projekt beteiligt waren, stehen mittlerweile kurz vor dem Abschluss (und auch die Corona-Situation war für ihre Arbeit nicht förderlich). Jetzt sucht die Foodbrücke Mitstreiter*innen, damit das Projekt nicht endgültig einschläft. 

„Jede*r einzelne ist willkommen, mit seiner Idee das Projekt zu unterstützen. Wir können uns vorstellen, dass die Foodbrücke unterschiedliche Möglichkeiten bietet. Nicht nur das gemeinsame Kochen, sondern auch Workshops, Talks oder Beteiligungsformate können hier gefördert werden. Die Foodbrücke ist vielmehr ein Ort des Zusammenkommens in der Nachbarschaft. Es wäre schön, wenn sich eine Initiative oder ein nachbarschaftliches Kollektiv findet, um die Foodbrücke weiterhin zu nutzen. Deswegen würden wir die Foodbrücke gerne für jede*n bereitstellen, der oder die Interesse daran hat, das Projekt langfristig am Leben zu halten und die Foodbrücke für jede*n in der Nachbarschaft greifbar zu machen.“ 

Wer Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Foodbrücke hat, kann sich gerne per Mail an nele@quartiermeister.org wenden. Der Kontakt zur Foodbrücke wird dann vermittelt.